VISION 20003/1999
« zum Inhalt Esoterik

Esoterik: kein Weg zum lebendigen Gott

Artikel drucken Interview über esoterische Praktiken und das, was sie für Christen unannehmbar macht (P. Clemens Pilar)

Mehrere Leser haben wegen "Reiki" angefragt. Können Sie diese esoterische Praxis charakterisieren?

P. Clemens Pilar: Die Ursprünge von Reiki gehen auf den japanisch-christlichen Mönch Usui zurück. Er hat im 19. Jahrhundert gelebt. Ein Student fragte ihn, warum Christus so große Wunder vollbringen konnte, man das heute aber nicht mehr erlebt. Wenn die Bibel recht habe mit dem, was sie lehrt, dann möge Usui ihnen zeigen, wie Jesus das gemacht habe. Diese Frage ließ ihn auf die Suche gehen nach der Kraft, mit der Christus geheilt hat. Nachdem ihm das Theologiestudium keine Antwort auf die Frage gegeben hatte, suchte er in buddhistischen Klöstern. Während einer Meditation erschien ihm schließlich eine Lichtgestalt, die ihm "heilige Rituale, Symbole und Mantras" zeigte und erläuterte. Deren Empfang war seine Einweihung in das Reiki. Reiki bedeutet "göttliche" oder "kosmische Kraft". Wer eingeweiht ist, kann diese Kraft kanalisieren. Sie soll auf den Kranken gelenkt werden, auf die Chakren - nach taoistischem Glauben Energiezentren im Körper -, um so den Menschen zu heilen oder - in den weiteren Stufen des Reiki - ihn spirituell weiter zu entwickeln.

Läßt sich diese Fähigkeit übertragen?

P. Clemens: Ja. Usui gab seine Erkenntnisse an einen Nachfolger weiter, den "Großmeister" Chujiro Hyashi. Damit entstand eine "Tradition" der Großmeister. Ursprünglich konnte nur ein Großmeister die Fähigkeit an Meister weitergeben. Erst seit 1988 dürfen auch Meister Meister initiieren. Seither kam es zu einer Inflation von Reiki-Meistern. Mittlerweile kann man die Reiki-Meisterschaft in einem Wochenendkurs erwerben. Daher breitet sich Reiki und Geistheilen so rasant aus.

Wie ist Reiki nun zu bewerten?

P. Clemens: Schon die Fragestellung von Usui ist verkehrt: Mit welcher Methode hat Christus geheilt? Hinter dieser Frage steht ein falsches Gottesbild: Jesus wird nur als Meister mit einem größeren Know-how angesehen, der weiß, wie man heilt. Jesus habe nur eine Kraft verwendet, die der Mensch auch anzuwenden lernen kann. Das Ziel der Heilung wird hier völlig falsch gesehen, nämlich, den Menschen in Harmonie mit einer "göttlichen Energie" oder mit dem Kosmos zu setzen. Die Heilung, die Jesus bringt, setzt uns nicht in Harmonie mit dem Kosmos, sondern besteht darin, daß das Geschöpf eine neue Beziehung mit Gott eingeht. Heilung geschieht nicht durch etwas, sondern durch Begegnung mit jemandem - mit dem lebendigen Gott.

Hat Reiki etwas mit Gebet zu tun?

P. Clemens: Es gibt Reiki-Meister, die vor ihrem Wirken um Öffnung für die Reiki-Kraft beten. Die Lehrmeister behaupten, Reiki sei neutral, jeder könne in seiner religiösen Tradition "beten", um ein Kanal für die Reiki-Kraft zu sein.

Zu wem beten sie?

P. Clemens: Das bleibt offen. Daß Reiki-Meister häufig "Gottheiten" oder "Meister der geistigen Hierarchien" - also personale Wesenheiten, "kosmische Geister" - anrufen, um Energien zu aktivieren, sagen sie nicht unbedingt allen, die sie initiieren. Es wird teilweise bewußt verschwiegen, weil - so steht es geschrieben: "Dies der Einzuweihende ohnehin nicht richtig verstehen könnte". Christen, die Reiki anwenden, meinen daher, daß sie zu Jesus beten. Es gibt sogar Reiki-Heiler, die vor der Behandlung den Rosenkranz beten. Es ist in diesem Zusammenhang erhellend, daß in der Bibel eine feine Unterscheidung angebracht wird zwischen denen, die mit dem Namen Jesu Wunder tun (vgl Mt 7,22) und denen, die es im Namen Jesu tun (vgl Mk 16,17). Zu denen, die auf falschen Wegen gehend mit dem Namen Jesu Wunder wirken, sagt Jesus: "Weg von mir, ihr Übertreter des Gesetzes" (vgl Mt 7,23)

Geschehen tatsächlich Heilungen?

P. Clemens: Wie bei sämtlichen Okkult- und Geistheilmethoden gibt es Effekte. Manches könnte mit dem Placebo-Effekt erklärt werden: Zuwendung, Entspannung sind wohltuend. Ich meine allerdings, daß solche Erklärungen zu kurz greifen. Tatsächlich kommt man bei Reiki in Kontakt mit einer geistigen Welt. Dieser Umstand wird bagatellisiert. Gibt es aber eine geistige Welt, so kommt man dort nicht mit Kräften und Energien in Kontakt, die passiv sind wie der elektrische Strom. Vielmehr handelt es sich um Kräfte mit einem Willen. Bei allen okkulten Methoden öffnen sich Menschen für den Einfluß solcher geistigen Mächte, die so Zugriff auf den Geist dieser Menschen gewinnen.

Zur Klarstellung: Im Glauben, man zapfe eine Kraft an, läßt man sich also mit personalen Wesen ein.

P. Clemens: Ich würde es so sagen. Viele Reiki-Meister würden sich allerdings gegen diese Sicht wehren. Heute neigt man nämlich dazu, nicht mehr an persönliche Geistwesen zu glauben. Man spricht nur von Energien und Schwingungen. Durch diese Lüge öffnen sich aber viele für Geistwesen, ohne zu wissen, was eigentlich geschieht - und zwar nicht nur diejenigen, die Reiki anwenden, sondern auch jene, die behandelt werden.

Geschieht das auch bei jenen, die meinen, Sie ließen sich mit Jesus ein?

P. Clemens: Ja. Ich muß mich nämlich zunächst fragen, ob ich etwas im Namen Jesu tun kann oder ob ich es im Ungehorsam Gott gegenüber tue. Die Frage also ist: Hat Gott mir das aufgetragen? Die Antwort scheint klar: Göttliche Kraft kann ich niemals als Besitz haben. All diese Ansätze sind schon von der Methode her verkehrt. Wer durch die falsche Tür hineingeht, kann doch nicht glauben, trotzdem mit Gott in Kontakt zu kommen.

Was kann hinter diesen falschen Tür geschehen?

P. Clemens: Ein Vergleich: Ich habe einmal bei einem Buchversand ein Buch bestellt. Dann aber nie mehr wieder. Dennoch bekam ich jahrelang von ihm das Werbematerial. Man hatte dort meine Adresse. Genauso sehe ich es bei den erwähnten Methoden: Den Ursprung der Methoden, die okkult sind, sehe ich als "Lügenfirma". Bestelle ich nun dort etwas, so hat diese meine Adresse. Ich habe mich bereit erklärt, etwas von ihr in Anspruch zu nehmen. Ich muß damit rechnen, daß ich nicht nur das bekomme, was ich wollte, sondern darüber hinaus mit sehr viel Werbematerial zwangsbeglückt werde - etwa in Form von Einflüsterungen. Viele Inhalte drängen dann an mich heran, die ich gar nicht hören wollte, die mir schaden: Es kommt zu Depressionen, man kann kein Kreuz mehr anschauen... Mit solchen Folgen muß man rechnen, wenn man sich auf dieses schlüpfrige Terrain begibt.

Geschieht das immer?

P. Clemens: Nein. Das ist wie ein Minenfeld. Man kann durchkommen, es passiert nichts. Aber man läuft Gefahr, daß man sich dieser Weltanschauung öffnet. Wenn ich heute generell rate, Abstand zu nehmen von diesen paramedizinischen Formen mit dubiosem Hintergrund und enger Verbindung zu esoterischen Inhalten, dann deswegen: Sie sind Werbeträger für die esoterische Weltanschauung, für die Lehre von der universellen Lebensenergie. Ob man will oder nicht: Man öffnet sich selbst für diese Lehren, Schritt für Schritt, meist unbewußt.

Ist jede Alternativmedizin gefährlich?

P. Clemens: Es gibt Formen, die nichts mit Okkultismus zu tun haben, etwa die Behandlung mit Kräutertees. Nicht jede Massage ist Geistheilerei. Die Kneipp-Therapie ist auch alternativ, aber sicher nicht okkult. Deshalb verwende ich lieber den Begriff Paramedizin für Methoden, die die klassische Medizin als "Betrug am Patienten" bezeichnet.

Wie unterscheiden sich die Gebete von Christen um Heilung von den erwähnten Heilpraktiken?

P. Clemens: Wenn ich als Christ um Heilung bete, nehme ich den Kranken bei der Hand, gehe mit ihm zu Jesus und sage: "Schau, Jesus, er leidet." Ich bete für ihn, weiß aber nicht, was Gott tun wird. Durch das Gebet helfe ich mit, daß der Leidende eine Beziehung zu Gott aufbaut. Wie Gott heilt, wann Er eingreift, das weiß ich nicht. Ich verfüge nicht über Energien. Genau das aber tut der Reiki-Meister. Er verfügt über diese Energie wie über elektrischen Strom. Wer für einen Menschen betet, ist niemals Herr über das Geschehen. Das Wesen der Heilung, die Gott schenkt, besteht darin, daß der Mensch in eine Liebesbeziehung zu Gott eintritt, ein Kind Gottes wird.

Ein Leser schreibt: "Vorher arbeitete meine Frau mit Pendel und Tarot. Danach (nach der Bekehrung) legt sie nun die Hand auf und bittet für sie. Dabei werden ihr Kräfte entzogen. Zeitweilig erfahren die Leute dann Hilfe." Macht die Frau nicht nach wie vor dasselbe?

P. Clemens: Im Heilungsdienst, wo wir für andere beten, machen wir eine wesentliche Erfahrung: Es wird keine Kraft entzogen. Im Gegenteil. Der Gebetsdienst mag anstrengend sein, aber man geht aus ihm gestärkt hervor. Wenn der Heilige Geist kommt, ist eine solche Überfülle da, daß Er auch noch für den, der den Dienst tut, wirkt: "Gebt, dann wird euch gegeben werden." (Lk 6,38)

Was sind Merkmale des Heilungsdienstes der Kirche im Gegensatz zu den okkulten Heilungen?

P. Clemens: Um das treffend zu beantworten, bräuchte ich eine Zeit der Anbetung. Aber was mir spontan einfällt: Als Christ, der um Heilung betet, weiß ich nicht, was geschehen wird. Das haben wir schon gesagt. Wenn ich für jemanden um Heilung bete, habe ich kein bestimmtes Gebet, das sicher "funktioniert". Vielmehr übergebe ich den ganzen Menschen Gott. Und Gott weiß, was dieser wirklich braucht. Feststeht, daß jedes Gebet um Heilung bei Gott ankommt und erhört wird. Wie die Erhörung ausschaut, weiß ich aber nicht.

Weiters: An den Früchten werden wir erkennen, wer wirkt, sagt Jesus. Eine Wunderheilung ist an sich noch kein Zeichen, daß Gott am Werk ist. Es gibt Scheinheilungen und Symptomverschiebungen. Wen aber der Sohn befreit, der ist wirklich frei (Vgl Joh 6,36). Ich glaube, daß nur Gott ein Problem wirklich wegnehmen kann. Nur Er allein heilt übernatürlich. Geistheilungen sind Verschiebungen der Probleme. Nur Jesus kann ein Problem so aus der Welt schaffen, daß es niemals wieder auftaucht.

Durch die Heilung, die Gott schenkt, wird man nicht nur gesund, sondern es wird die Beziehung zu Gott vertieft.

Ein Leser fragt: Wie ist das mit Pendel und Rute, wenn man Wasseradern sucht?

P. Clemens: Die Geologen sagen: Wasseradern existieren kaum. Wasser kommt in der Erde meist flächig vor, es sind Seen. Untersucht man die Trefferquoten von Wünschelrutengehern empirisch, so zeigt sich, daß keine nachweisbaren Zusammenhänge bestehen: Ruten schlagen aus, ob Wasser da ist oder nicht. Und in Österreich Wasser zu finden, ist kein Kunststück. Unmittelbar ausgelöst wird der Rutenausschlag durch unbewußte Muskelzuckungen. Physikalische Kräfte wirken jedenfalls nicht unmittelbar auf Rute oder Pendel. Sonst müßte das Pendel auch schwingen, wenn es auf einer Hängevorrichtung angebracht ist. Das tut es aber nicht.

Die meisten Radiästheten geben zu, daß die Wirkung indirekt über den Geist geht. Man muß "fühlig" sein. Da Pendel und Rute aber auf geringste Einflüsse des Unterbewußten reagieren, sind sie ideale Instrumente für Mediumismus, also für Wahrsagerei und Kontaktaufnahme mit Geistern. Radiästheten geben zu, daß es auch funktioniert, wenn man nur die Landkarte verwendet. Damit ist klar, daß nicht das Physikalische entscheidet. Hier kommt eine mediale Information zum Zug, die mir jemand eingeben muß. Daher ist die Unterscheidung zwischen physikalischem und geistigem Pendeln völlig unsinnig. Es handelt sich immer um eine geistige Sache.

Und noch etwas: Bei den Radiästheten entsteht generell eine furchtbare Abhängigkeit: Die meisten können ohne Pendel nicht mehr leben. Alles muß ausgependelt werden, Essen, Plätze, Medikamente... Das Leben wird auf diese Weise sehr eng. Das sind nicht Früchte des Heiligen Geistes, denn Gott führt in die Freiheit. Was vom anderen Geist kommt, führt immer in die Enge.

Eine Leserin schreibt über Dr. Bach, den Urheber der Bachblütentherapie, er sei ein gläubiger Mensch gewesen, habe den Menschen helfen wollen und seine Medizin sei für Christen annehmbar. Stimmt das?

P. Clemens: Die Kirche lehrt, daß nur der in die Hölle kommt, der das selber will. "Wer wird so dumm sein, die Hölle zu wollen?", fragen viele. Beim neuerlichen Durchblättern der Schriften von Dr. Bach wurde mir klar: Wenn jemand lernen möchte, in die Hölle zu wollen, muß er sich nur an das halten, was Bach in seinen Schriften empfiehlt. Sein Menschenbild kann man so kennzeichnen: Der Mensch ist von Natur aus vollkommen, muß diese Vollkommenheit nur in sich entdecken und entfalten. Sünde gibt es nicht. Allein das widerspricht dem christlichen Weltbild.

Das zweite: Bach glaubt an die Reinkarnation. Zitat: "Es sei daran erinnert, daß das Kind, dessen Schutz uns vorübergehend anvertraut ist, eine viel ältere und reifere Seele sein kann als wir selbst..."

Außerdem ist die Bachblüten-Therapie keine Körpertherapie. Da geht es um die Seele. Und sie zielt auf einen ins Groteske übersteigerten Individualismus. Nur das Ich ist wichtig. Man darf sich nichts von anderen sagen lassen. Letztlich läuft es auf einen absoluten Autismus hinaus.

Dazu zwei Zitate: "Wir dürfen uns von Umständen oder anderen Menschen nicht berühren lassen, damit wir unsere eigenen Herren werden ... Wir müssen absolute und vollständige Freiheit gewinnen, sodaß alles, was wir tun, jede Handlung, ja selbst jeder unserer Gedanken seinen Ursprung in uns selbst hat. Dann werden wir frei aus eigenem Antrieb leben, aus eigenem Antrieb allein."

"Die Mittel, mit denen wir an der Erfüllung unseres Schicksals gehindert werden sollen, mögen sehr subtil sein. Zum Beispiel die Vorspiegelung von Liebe und Zuneigung, ein falsches Pflichtgefühl, Methoden, die uns versklaven und fesseln an die Wünsche anderer. Sie alle müssen erbarmungslos beseitigt werden. ... Die Individualität muß bis zum äußersten entwickelt werden und wir müssen lernen, uns im Leben auf nichts anderes als auf Geleit, Weisung und Hilfe unserer Seele zu verlassen, unsere Freiheit mit beiden Händen zu ergreifen..."

Das ist die Hölle, wie sie C.S. Lewis beschreibt: "Das Kennzeichen der verlorenen Seele ist, daß sie alles von sich weist, das nicht sie selber ist. Der Egoist, den wir uns vorstellen, versucht alles, was ihm begegnet, zu einer Provinz oder zu einem Bestandteil seiner selbst zu machen. Der Sinn für das andere, das heißt eben die Fähigkeit, Gutes zu genießen, ist ihm erstickt, sofern nicht sein Leib ihn noch hin und wieder in Kontakt bringt zu der Welt außerhalb seiner selbst. Dieser letzte Kontakt aber erlischt im Tod. Nun hat er, was er will. Er lebt ganz und gar im Selbst. Er nimmt Vorlieb mit dem, was er dort findet. Was er aber findet, ist die Hölle."

Im letzten ist die Doktrin des Dr. Bach: Tue nur das, was du wirklich willst. Und das ist ident mit der Philosophie des Neo-Satanismus: Tue, was du willst, das sei das ganze Gesetz. (Aleister Crowley, Begründer des Neo-Satanismus)

Kann man Bachblüten nehmen nach dem Motto: Was soll der geistige Hintergrund, ich nehme mir nur das Gute dabei heraus?

P. Clemens: Man kann beides nicht trennen. Gerade wenn ich mich nicht bewußt mit dem geistigen Hintergrund auseinandersetze, bin ich diesem schutzlos ausgeliefert. Kaum setzt sich ein Christ aber kritisch damit auseinander, ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß er sich von der ganzen Sache distanziert.

Das Gespräch führten Alexa und Christof Gaspari.

© 1999-2024 Vision2000 | Sitz: Hohe Wand-Straße 28/6, 2344 Maria Enzersdorf, Österreich | Mail: vision2000@aon.at | Tel: +43 (0) 1 586 94 11