VISION 20002/2000
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Des Kaisers neue Kleider

Artikel drucken Gott geben, was Gott gehört (Helmut Hubeny)

Österreichs Regierungsbildung hat eine Welle der Polarisierung ausgelöst. Mich stört die ideologische Heuchelei und die außergesetzliche Kraftmeierei. Mich freut die Notwendigkeit des Nachdenkens, was uns als Einzelpersönlichkeiten und als Gemeinschaft wirklich wichtig ist.

Dabei möchte ich mir - wie in Andersens Märchen über des Kaisers neue Kleider - nichts vormachen. Sie erinnern sich, wie einmal zu einem Kaiser zwei Betrüger kamen. Sie gaben sich für Weber aus, die überaus schöne und eigenartige Kleider zu nähen verständen. Diese würden für alle Menschen unsichtbar bleiben, die unerlaubt dumm oder für ihr Amt untauglich wären.

Minister, Beamte, auserlesene Männer, ja der Kaiser selbst überprüften die Arbeit der Weber - sie alle sahen nichts. Auch beim öffentlichen Festzug gaben sich alle Menschen begeistert. Keiner wollte sich anmerken lassen, daß er nichts sah. Da sagte ein kleines Kind: Aber er hat ja nichts an!" Einer flüsterte es dem andern zu, zuletzt rief es das ganze Volk.

Ich werde mir also unsere politschen Kaiser" aller Klassen wieder einmal genau ansehen: überhebliche, angstgejagte westliche Staatsoberhäupter, Regierungschefs, Parteivorsitzende und Ideologen aller Farben - auch bei öffentlichen Festzügen. Ich werde auf die Rückseite unserer Steuermünzen schauen und den nackten Kaisern" geben, was ihnen gehört.

Und ich werde wieder neu ansetzen, Gott zu geben, was Gott gehört.

Helmut Hubeny

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