VISION 20004/2000
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Der heilige Ignatius von Loyola

Artikel drucken Botschaft an uns (Wolfram Schrems)

Er bricht als Pilger ins Heilige Land auf, bleibt aber zunächst ein knappes Jahr in dem katalonischen Dorf Manresa, in dem er in großer Zurückgezogenheit eine Zeit schwerer Krisen, seelischer Läuterung und mystischer Begnadung erfährt. Hier entsteht im wesentlichen das Exerzitienbuch. Nach seiner Rückkehr aus dem Heiligen Land studiert er in mehreren Städten Philosophie und Theologie und sammelt schließlich in Paris einen kleinen Freundeskreis um sich, der sich in einem Gelübde am Montmartre am 15. August 1534 dem apostolischen Leben weiht.

Der Kreis nennt sich “Gesellschaft Jesu". 1537 wird Ignatius zum Priester geweiht. 1540 bestätigt Papst Paul III. die Gemeinschaft als kirchlichen Orden. In der Folge ist Ignatius als Generaloberer mit der internen Strukturierung und der weltweiten Ausbreitung der Gesellschaft Jesu im Dienst und Auftrag der Gesamtkirche beschäftigt. Er stirbt am 31.Juli 1556 in Rom, zu einem Zeitpunkt, da der Orden etwa 1.000 Mitglieder zählt.

Eine wichtige Vorbemerkung: Alle Aktivitäten des heiligen Ignatius waren von einer mystisch begnadeten Liebe zu Gott und zu den Menschen inspiriert. Der Wille, alles zur größeren Ehre Gottes und zum Heil der Menschen zu tun, und das Festhalten am objektiven Glauben der Gesamtkirche, sind der Rahmen, in dem sich die Dynamik der Geistlichen Übungen bewegt.

Sie stehen in der Tradition der Seelenführung, wie sie die Kirche seit den Wüstenvätern kennt. Neu ist jedoch das kompakte und organische Gesamtkonzept. Ausdrücklich empfiehlt Ignatius auch die “Imitatio Christi" des Thomas von Kempen, von der er besonders stark geprägt ist.

Die drei ausgewählten Aspekte seiner Lehre sind:

* Die Unterscheidung der Geister in Entscheidungssituationen: Auf dem Krankenbett in Loyola hat Ignatius Zeit, um ausführlichen Tagträumereien bezüglich seines weiteren Lebensweges nachzuhängen. Dabei macht er die fundamentale Beobachtung, daß er sich im Anschluß an Wunschvorstellungen, die auf weltliche, militärische und “galante" Abenteuer abzielen, ausgelaugt, gelangweilt und überdrüssig vorfindet. Phantasien aber, die sich auf die Nachahmung der Heiligen mit ihren asketischen Heldentaten der Buße und Nächstenliebe konzentrieren, bauen ihn auf und stimmen ihn frisch und getröstet.

Zwischen beiden Alternativen, also sein altes Leben wieder aufzunehmen oder aber sich in den Dienst Gottes zu stellen, schwankt er einige Zeit hin und her. Er entdeckt die inneren Regungen als das, was sie sind: Forderungen, gleichsam von außen, die sowohl in ihrer Erlebnisqualität als auch in ihrem unerbittlichen Anspruch nicht in seiner Verfügungsmacht liegen.

Ignatius gibt schlußendlich dem Anspruch Gottes nach und bricht aus dem bedeutungslosen Dahinleben auf, um sein Leben auf Gott hin auszurichten.

Diese inneren Erfahrungen auf dem Krankenlager baut er in allgemeiner Form als Grundeinsicht in den Teil der Exerzitien ein, der zu einer Lebensentscheidung hinführen soll. Es geht Ignatius um die innere Freiheit zugunsten des Dienstes an Gott und am Nächsten. Gegen diese Freiheit sind Abhängigkeiten gerichtet, in die man sich verstrickt hat oder verstricken hat lassen: Verquälte undefinierte Beziehungen etwa, die Angst, sich entscheiden und einsetzen zu müssen, Vorlieben und Neigungen aller Art, die in ihrer Stärke die Beziehung zu Gott und zum Nächsten blockieren, Süchte. Im Exerzitienbuch heißt es dazu: “Denen, die von Todsünde zu Todsünde gehen, pflegt der Böse Feind gemeinhin augenscheinliche Lust vorzustellen, indem er Bilder sinnlicher Ergötzungen und Lüste hervorruft, um sie jeweils mehr in ihren Lastern und Sünden zu bewahren und zunehmen zu lassen. Der gute Geist verfährt bei solchen in entgegengesetzter Weise; er stachelt sie auf und gibt ihnen Gewissensbisse..."

Bei denen, die entschieden auf dem Weg des ausdrücklichen Dienstes an Gott und den Menschen vom Guten zum je Besseren vorangehen, gilt das Umgekehrte: “Denn nun ist es dem bösen Geiste eigen, zu beißen, traurig zu stimmen und Hindernisse zu legen, indem er mit falschen Gründen beunruhigt, damit man nicht weiter vorrücke. Und dem guten Geist ist es eigen, Mut und Kraft ... zu geben, ... damit man im Tun des Guten weiter voranschreite."

Wieviel Wichtiges Ignatius zu den Schwierigkeiten vieler Zeitgenossen, gerade gläubiger, zu sagen hätte, erhellt aus dem Exerzitienbuch, wo er den Traurigen und Trostlosen, der entschieden vom Guten zum Besseren vorangeht, anweist, “fest und beständig in ... der Entscheidung zu stehen, in der er am Tag vor dieser Trostlosigkeit stand, oder in der Entscheidung, in der man im vorausgehenden Troste stand. Denn wie uns im Trost jeweils mehr der gute Geist führt und berät, so in der Trostlosigkeit der böse, auf dessen Ratschläge hin wir den Weg nie finden können, um das Rechte zu treffen."

Derjenige, der sein Leben ordnen und ins Reine bringen will, ohne sich von einer widerständigen und ungeordneten Neigung bestimmen zu lassen, wird auf inneren und äußeren Widerstand stoßen, auf die plötzliche Frage “Wozu das Theater?" und er wird die Stimme hören: “Warum willst du dich plötzlich profilieren? Willst du deine Umgebung polarisieren?" Er wird - wie Ignatius selbst - erfahren, daß alles mögliche sich gegen den Plan einer Lebensumkehr stellt.

* Die Betrachtung des Lebens Jesu: Auf seiner Pilgerreise ins Heilige Land wollte Ignatius die Orte kennenlernen, an denen der Herr gelebt und gewirkt hatte. Sowohl die Einsicht, daß Jesus als Mensch mit einer konkreten Geschichte gelebt hat, als auch in der Folge die innere Vertrautheit mit dem Herrn, wollte er dann durch die Exerzitien weitervermitteln: Der Übende wird angewiesen, in der Betrachtung den Schauplatz des Wirkens Jesu zu sehen, die gesprochenen Worte zu hören, Gerüche, Geschmack, Stimmungen wahrzunehmen, an die Personen zu rühren.

Es ist erstaunlich, welche Entdeckungen der Exerzitant dabei macht. Eine ist jedenfalls, daß alles in der Heilsgeschichte historisch faßbar ist - was sich ohnehin von selbst verstehen müßte, wenn man eine Menschwerdung Gottes bekennt. Wenn die Evangelien nicht auf Augenzeugenberichten beruhen würden, dann wäre jede Betrachtung eines Ereignisses aus dem Leben Jesu ein sinnloses Unterfangen. Auf dem Hintergrund einer zur Zeit so weit verbreiteten pseudowissenschaftlichen Bibelkritik nimmt sich die Einsicht in die - fast “banale" - Geschichtlichkeit der Evangelien als beinahe bestürzend aus. Wenn Jesus den Gelähmten nicht wirklich geheilt hat, wenn Er nicht wirklich, also mitsamt dem getöteten Leib auferstanden ist, dann sind die Berichte falsch und es gibt keinen Grund an Jesus zu glauben. Ignatius geht es um den realen Jesus von Nazareth, der der Christus ist, der eine konkrete menschliche Geschichte hat und doch zugleich den gewohnten kausalen Ablauf der Geschichte durch unerwartete übernatürliche Wirkungen (Wunder) durchbricht.

* Das Fühlen mit der Kirche: Gott wirkt immer von außen und von oben. Dieses “von oben" ist ein Schlüsselwort für Ignatius. Es gilt besonders in der Kirche. Diese Einsicht formuliert Ignatius in den Regeln für das wahre Fühlen, “das wir in der diensttuenden Kirche haben sollen". “Loben statt Lamentieren" ist hier das eindeutige Motto. Ignatius lehrt die Liebe zur wirklichen Kirche (und nicht zu einer erträumten Wunschvorstellung), in der der Herr selbst wirkt. Die Liebe zur Kirche, in der der einzelne aus freiem Willen und Entschluß verbleibt, drückt sich im Bemühen aus, das Konkrete, Lehre und Frömmigkeitspraxis, in ihr zu loben und nicht an allem herumzunörgeln.

Die sakrale Struktur der Kirche, die Lehre, Heiligen- und Reliquienverehrung, Orden, Jungfräulichkeit, Gelübde, Wallfahrten usw. können - richtig aufgefaßt - den Blick auf Jesus Christus nicht verstellen. Dabei sei hinzugefügt, daß es in Anbetracht der moralischen und menschlichen Qualität der Päpste zu Lebzeiten des Heiligen sehr schwer gewesen sein muß, in ihnen den Herrn am Werk zu erkennen. Wir tun uns da heute wesentlich leichter und sollten das immer dankbar bedenken.

Jeder, der sich mit Ignatius befaßt, findet etwas anderes, das ihn anspricht und aufbaut. Der Verfasser dieser Zeilen möchte jedenfalls dankbar bekennen, daß die Begegnung mit dem Heiligen zum Meilenstein im Leben geworden ist.

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