VISION 20006/2000
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Im Glauben stehen und ihn verstehen

Artikel drucken Neuauflage von “Einführung in das Christentum" (Joseph Ratzingers; Wolfram Schrems)

Joseph Ratzingers “Einführung in das Christentum", erstmals 1968 veröffentlicht, ist ein Standardwerk für einen ersten gründlicheren Einblick in das christliche Bekenntnis.

Es entstand aus einer Vorlesungsreihe für Hörer aller Fakultäten an der Universität Tübingen. Die vorliegende Neuausgabe aus dem laufenden Jahr enthält zudem ein ausführliches Vorwort, in dem der Kardinal eine Analyse und Bewertung der kirchlichen Ereignisse seit dem Ersterscheinen des Werkes bietet.

Zum Inhalt der Vorlesungen: Ratzinger erläutert den christlichen Glauben anhand des apostolischen Glaubensbekenntnisses. Dabei geht er ausdrücklich auf das Zeitempfinden des 20. Jahrhunderts, besonders der nachkonziliaren, späten sechziger Jahre mit ihren mehr oder weniger deutlich bewußten ideologischen Vorentscheidungen und Lieblingsideen ein. Sein Ansatz für eine erste Charakterisierung des christlichen Glaubens ist das Begriffspaar “Stehen - Ver-stehen".

In einer Epoche, in der man alle möglichen Meinungen gelten läßt und ihnen - eher unreflektiert-selbstverständlich - auch Berechtigung und Wahrheit zuerkennt, deckt der Autor auf, daß diese intellektuelle Unredlichkeit letztlich in “leeres Gerede, das nur mühsam eine völlige geistige Leere verdeckt", ausartet.

Verstehen hat mit dem Stehen in der Realität, das heißt in der Wahrheit, zu tun. Und um letztlich richtig zu verstehen, bedarf es des überrationalen, nämlich existentiellen Sprunges in den Glauben an die Offenbarung Gottes im Volk Israel, in Christus und in der Kirche. Dieser Glaube ist aber - als inhaltlich bestimmter - alles andere als irrational. Die innere Logik des Glaubens wird in den Glaubensartikeln des Credo, die der Autor der Reihe nach durchgeht, nachvollziehbar.

Besonders bemerkenswert erscheinen dem Rezensenten erstens die Kritik am Historismus, der das “moderne Bewußtsein" von innen heraus verseucht und auch das Verständnis der Evangelien pervertiert und zweitens die Ausführungen zur Person Jesu Christi, in denen Ratzinger den wahren Glauben von allen modischen Irrtümern abgrenzt. Dazu gehört etwa die weitverbreitete Rede von der “Botschaft Jesu", die eigentlich nur aus Nächstenliebe und Brüderlichkeit bestehe. Diese Verfälschung läßt aber vergessen, daß Jesus Christus selbst und an sich die Botschaft ist.

Der als Vorwort zur Neuausgabe gebotene Essay zeigt Fehlentwicklungen in Theologie und Verkündigung nach dem Konzil auf. Dazu gehört etwa das weitverbreitete Liebäugeln mit dem Marxismus, wie es in vielen Formen der Befreiungstheologie ihren konkretesten Ausdruck gefunden hat.

Dem Rezensenten scheint, daß sich der Autor 1967 viel Mühe gegeben hat, sich auf den Verständnishorizont der Zeit einzulassen und ihn positiv aufzugreifen. Das Vorwort 2000 (und die Erkärung “Dominus Jesus") zeigen, daß zuviel Anpassung und Verständnisbereitschaft Verwirrung bringen und daß die Verkündigung von Zeit zu Zeit wieder deutlicher sagen muß, worum es im Grunde geht.

Insofern ist im vorliegenden Band ein gewisser Spannungsbogen gegeben, dessen beide Endpunkte ihre Berechtigung haben. Klar ist allerdings, daß es in einer Zeit, in der das Verfassen und Verkünden allerhand skurriler “Credos" beinahe zum fixen Bestandteil des Firmunterrichts und der “Liturgiegestaltung" gehört und in der kirchliche Amtsträger (und bei weitem nicht nur die “Mediengroßlaien") offenbar nicht recht zu sagen wissen, woran sie eigentlich glauben, höchst befreiend und aufbauend ist, dem eigenen Bekenntnis dermaßen gut angeleitet nach zu denken..

Wolfram Schrems

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