VISION 20001/2001
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Wenn das Geld die Welt regiert

Artikel drucken Die Scheidung der Geister heute (Christof Gaspari)

Jahreswechsel in ORF 1: Sah man früher die Pummerin das neue Jahr einläuten, so wurde dem Zuseher heuer bis zu den letzten Sekunden vor Mitternacht eine Billa-Reklame ins Haus geliefert: ein markantes Zeichen unter vielen, wie sehr heute Geld, der Kommerz das Geschehen prägt.

Zugegeben, wirtschaftliche Überlegungen waren immer schon bedeutsam für die Lebensgestaltung. Langsam aber sicher werden sie nun zum alleinigen Maßstab. Das hat damit zu tun, daß wir in pluralistischen Gesellschaften leben. Diese verhalten sich in weltanschaulichen Fragen scheinbar neutral: Möge doch jeder nach seiner Façon selig werden!

Tatsächlich ist diese Neutralität jedoch nur vordergründig. Zwar ist jeder frei, sich seinen Gott selbst zu wählen, als Glied der Gesellschaft ist er aber eingebunden in all das, was gemeinschaftlich unternommen wird. Und als gemeinsames Anliegen betreibt die pluralistische Gesellschaft das Projekt, für ihre materielle Basis zu sorgen und immer mehr Bedürfnisse zu befriedigen. Das klingt wertfrei, erweist sich bei näherem Hinsehen aber als äußerst wertbeladene Entscheidung. Sie macht nämlich den Materialismus zum Leitwert, ausschlaggebend für die gemeinschaftlichen, also die übergeordneten Spielregeln.

Der Materialismus entkleidet den Menschen seiner besonderen Würde. Er sieht in ihm ein triebgesteuertes, energie- und infomationsverarbeitendes Evolutionsprodukt, wertvoll insoweit, als es seine Aufgabe als funktionierendes Rädchen im gesellschaftlichen Getriebe gut erfüllt.

Natürlich wird das nicht so deutlich ausgesprochen. Aber auf sanfte Weise wird uns geglücktes Leben als Kette erfüllender Erfolge und Konsumakte dargestellt. Im Werbefernsehen und von den Plakatwänden ertönt fortgesetzt die Botschaft: Wer sich viel gönnt und viel hat, wer fit, leistungsfähig, technisch versiert und mehrsprachig ist, dem lacht das Glück. “Das Leben ist ein Hit" in der “Fun"-Gesellschaft.

Weiter heißt es: Sei flexibel, mobil, bereit für Neues, setz dich durch! Die Welt steht dir offen, Wissenschaft und Wirtschaft sorgen dafür, daß es weiter aufwärts geht.

Und tatsächlich: Vor unseren Augen wird die Welt umgebaut, in die Hand des Menschen genommen. Hochleistungsfähige Systeme erhöhen den “Wohlstand", zwingen aber den einzelnen, sich an ihre Logik anzupassen. Ein Leben ohne Internet, Fernseher, Computer, ohne Elektrizität, ein funktionierendes Verkehrssystem, und, und... ist kaum mehr vorstellbar.

Das ist der Geist des Mammon. Er profiliert sich nicht, sondern kleidet sich in die Form des Selbstverständlichen, des “Vernünftigen", der Gesetzmäßigkeiten, die nicht in Frage zu stellen sind. “Sie wollen doch nicht zurück ins Mittelalter?", hält man Kritikern entgegen.

Und so greift dieses Denken in der zusammenwachsenden Welt überall nach den Herzen der Menschen. Der Mammon suggeriert: Nehmt Euer Leben selbst in die Hand, Ihr schafft es! Baut eine neue Welt, in der es Euch gut geht, in der Ihr unabhängig von den Zufällen der Natur, frei von Leid und Sorgen seid, in der ihr beschenkt mit Gesundheit (kein Krebs mehr, kein Alzheimer...) lange leben werdet. Schaut, was Ihr schon erreicht habt! Und es ist noch viel mehr möglich.

Was da so großzügig und menschenfreundlich erscheint, ist nichts als nacktes Machtstreben - der Gesellschaften, des einzelnen. Ohne von Gott gegebene Einschränkung schreitet die Maschinerie grenzenlos voran, unterwirft sich alles, Mensch und Natur. Alles wird zum Material, das nach seiner Nützlichkeit beurteilt wird. Alles wird rechenbar gemacht, in Geld bewertet. Wertvoll ist nur mehr, was einen hohen Preis hat. Dieses Denken macht auch vor dem Menschen nicht halt und beschert uns das, was der Papst “Kultur des Todes" nennt: Menschliches Leben wird “produziert", nach Kosten und Nutzen bewertet und dementsprechend bei Bedarf an- oder abgestellt.

Die geistige Neutralität, mit der sich unsere Gesellschaft schmückt, ist ein Scheingebilde, gibt es doch im geistigen Bereich keine Neutralität. Hier geht es um Tod oder Leben, um Segen oder Fluch, wie wir im Buch Deuteronomium lesen. Und eine Gesellschaft, die ihre Gesetze gottlos beschließt, ihre Kinder gottlos erzieht, die gottlos forscht und gottlos Macht anhäuft, verschreibt sich der Gottlosigkeit und produziert sie. Sie unterwirft sich, bewußt oder unbewußt, der Herrschaft des Mammon. Sie baut an einer Kultur des Todes.

Wie erschreckend konsequent dies derzeit geschieht, zeigt ein Blick auf einige Ereignisse der letzten drei Monate (siehe auch Seite 22-23):

* Mit großer Mehrheit beschließt das holländische Parlament, Sterbehilfe, also den Mord an leidenden und sterbenden Menschen, zu legalisieren.

* In Frankreich spricht das Höchstgericht einem behindert geborenen 17jährigen das Recht zu, von den behandelnden Ärzten seiner Mutter Schadenersatz zu verlangen. Sie hatten die Röteln der damals Schwangeren nicht erkannt. So unterblieb die Abtreibung des Kindes (ähnliche Urteile gab es übrigens in Deutschland).

* Das englische Parlament beschließt, das Klonen von Menschen (zur Schaffung menschlicher Ersatzteillager) zu legalisieren.

* Das holländische Parlament beschließt, gleichgeschlechtliche und Ehepaare rechtlich gleichzustellen (ähnliche, aber weniger weitreichende Regelungen gibt es in Deutschland, Schweden und Frankreich).

* In Deutschland wird publik: Das Europäische Patentamt hat einer australischen Firma ein Patent auf die Herstellung von Mensch-Tier-Gebilden erteilt.

Wenn ich diese Ereignisse hier zusammentrage, so nicht, um den Lauf der Zeit zu beklagen. Dazu besteht zwar auch Anlaß, aber es soll uns diesmal nicht vom wichtigeren Anliegen ablenken, die Zeichen der Zeit zu erkennen: Wir stehen mitten im Umbau der gesellschaftlichen Ordnung nach Prinzipien der Kultur des Todes.

Für Christen ist es von größter Bedeutung, dies zu erkennen, um sich bewußt zu machen, daß sie einen anderen Bezugsrahmen haben als die meisten Menschen in ihrer Umgebung. Das war nicht immer so. Die längste Zeit konnten sich Christen - wenn sie nicht gerade während der Französischen Revolution, unter dem Kommunismus oder dem Nationalsozialismus lebten - in einer vom Christentum geprägten Gesellschaft irgendwie geborgen fühlen. Wer sich an das hielt, was in den Schulen gelehrt, von den Gesetzen gefordert und in der Alltagspraxis getan wurde, kam mit seinem Glauben im wesentlichen nicht in Konflikt. Sich an äußere Ordnungen zu halten, schien zu genügen.

Das war zwar eigentlich immer schon zu wenig; die dramatischen Änderungen der Rechtsordnungen heute machen jedoch besonders deutlich, daß Christen in ein gigantisches geistiges Ringen hineingestellt sind. Wer aber Geist sagt, sagt Person.

Christsein entscheidet sich nicht an der Ausrichtung an einer christlichen Wertordnung, sondern an der Entscheidung für Jesus Christus. “Wer nicht für mich ist, ist gegen mich", lesen wir bei Lukas. Die fortschreitende Kultur des Todes nimmt uns den schützenden Mantel lebensfreundlicher Spielregeln von den Schultern. Ihrem rauhen Wind wird nur widerstehen können, wer sich dem Herrn des Lebens anvertraut.

Ich will dabei nicht übersehen, daß es auch gute Seiten an den heutigen Errungenschaften gibt. In vielen Bereichen wurde ein Standard erreicht, den man sich selbst in den sechziger Jahren, als es uns in Europa materiell schon sehr gut ging, nicht erträumt hätte. In diesem Zusammenhang aber fallen mir die Worte von Max Thürkauf ein: “Das Geschenkpapier des Teufels besteht aus den guten Seiten, welche jedes Böse aufweist. Je böser etwas ist, umso prächtiger ist das Geschenkpapier, um so mehr gute Seiten hat es."

Die vielen “guten Seiten" der Entwicklung machen es für Christen heute so schwer, die Orientierung zu behalten. “Bewahre uns vor Verwirrung und Sünde", betet der Priester in jeder Heiligen Messe. Die vielen Nützlichkeitsargumente der Fortschrittsbefürworter verwirren, lassen Irrwege und Fehlentwicklungen attraktiv erscheinen.

Insoferne haben die oben erwähnten ganz offensichtlich negativen Entwicklungen der letzten Monate auch ihr Gutes. Sie klären die Fronten und rufen uns ins Bewußtsein, daß Christen diese Wege des “Fortschritts" nicht gehen können. “Ihr könnt nicht beiden dienen, Gott und dem Mammon", wird zur Evidenz.

Was heißt es aber, Gott zu dienen? Es heißt, alles auf Ihn zu setzen, sich Ihm anzuvertrauen. Wer das tut, lebt in der Überzeugung, daß alles geheimnisvoll in Gottes Hand liegt und von Ihm zum Heil gewendet wird. Er muß sich nicht mit enormem Aufwand an Mitteln um jeden Preis absichern, muß nicht Erfolg um jeden Preis haben, um sich zu bestätigen.

Soll man also alles verkaufen, sich um nichts mehr kümmern, die Hände in den Schoß legen und auf das versprochene “tägliche Brot" warten? Sicher ist das nicht der erste Schritt, der von jenen verlangt wird, die zum Glauben finden. Sie müssen erst Erfahrungen mit der Zuverlässigkeit Gottes sammeln. So lernen sie Schritt für Schritt auf ihre Absicherungen zu verzichten.

Das erfordert aber, daß wir uns auf Gott einlassen, ganz konkret, Tag für Tag, und daß wir die Bereitschaft entwickeln, an den Weggabelungen unseres Lebens darauf zu achten, welchen Weg uns Gott weist. Das fängt bei der Frage an, in welche Schule ich die Kinder schicke. Mit welcher Selbstverständlichkeit werden da fast nur Berufsaussichten bedacht. Wer aber trägt diese Frage im Gebet vor Gott? Und Gleiches gilt für das Studium, die Wahl des Arbeitsplatzes, die Wahl der Freunde und des Ehepartners.

Das ist ja das Wunderbare an unserem Glauben: Wir müssen uns nicht mühsam nach abstrakten Kriterien und Nützlichkeitsüberlegungen den Weg bahnen. Gott, der es gut mit uns meint, hat ja einen Plan für unser Leben. Wir können auf Sein Wirken vertrauen. Liegt es da nicht nahe, Ihn um Wegweisung zu bitten? Ganz konkret - und in der Erwartung, eine Antwort zu bekommen. Und wenn ich nach eingehender Befragung keine eindeutige Weisung erfahre, entscheide ich nach bestem Wissen und Gewissen im Vertrauen, daß ich auch dann geführt bin.

Am Beginn des neuen Jahrtausends stehen wir in einem gigantischen geistigen Ringen: Wem gebe ich den ersten Platz in meinem Leben - Gott oder dem Mammon? Und das Reich Gottes kann anbrechen, wenn ich mich heute und morgen und jeden Tag neu für Jesus Christus entscheide.

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