VISION 20001/2001
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Soll man den Armen geben?

Artikel drucken (Rodolphe Clauteaux)

Rodolphe Clauteaux: Es ist verboten, diese Art von Fragen überhaupt zu stellen. Wer die Hand hinstreckt - dem gibt man. Oder man wechselt die Religion! Da gibt es keine Diskussion, kein Überlegen, keine Tüftelei... Da geht es nicht um einen Akt der Barmherzigkeit, sondern um die Pflicht zur Solidarität.

Wieviel geben Sie?
Clauteaux: 60 Schilling pro Tag, also drei 20-Schilling-Scheine. Das ist mein Tagesbudget. Und noch ein Zwanziger in Notfällen.

Wem?
Clauteaux: Den ersten Drei, die etwas wollen.

Ohne nachzuprüfen?
Clauteaux: Und was sonst noch! Christus hat nicht gesagt: “Gebt, aber prüft wem!... Denn ich war hungrig und ihr habt mir zu essen gegeben, nachdem ihr überprüft hattet, ob mein Kühlschrank auch leer war; ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen, nachdem ihr überprüft hattet, ob meine Papiere in Ordnung waren..."

60 Schilling am Tag, kein schlechtes Budget!
Clauteaux: Wissen Sie, das kosten zwei Sandwiches.

Und für die anderen, die später dran sind?
Clauteaux: Einen Blick, ein Lächeln, ein Händedruck, ein paar Worte... mit schlechtem Gewissen.

Warum?
Clauteaux: Man soll sich schuldig fühlen. Die Metro-Verwaltung wollte, daß wir den “L'Itinérant" (die Pariser Obdachlosenzeitschrift, Anm.) nicht mehr auf den Bahnsteigen verkaufen. Die Leute ertrugen das Fahren mit schlechtem Gewissen nicht. Darauf habe ich geantwortet: “Das schlechte Gewissen ist das, was man ja unbedingt erhalten muß!" Leider ist es der Antrieb der Großzügigkeit.

Und wenn sie die 20 Schilling versaufen?
Clauteaux: Dann aber auf mein Wohl! Trinken Sie etwa nie? Wer sind wir denn, daß wir über jene urteilen, denen wir geben? Diese Leute stecken so im Dreck, daß ich in ihrer Lage als erster zu trinken anfinge.

Waren Sie nicht selbst in dieser Situation?
Clauteaux: Nein. Ich war zehn Tage lang obdachlos, als Journalist. Merkwürdig, nach acht Tagen habe ich mich gefragt: “Geh ich überhaupt wieder nach Hause zurück?" Sobald das Leben zu schwierig, zu belastend wird, ist das Zurückweichen vor Verantwortung und Hindernissen die einfachste Lösung.

Rodolphe Clauteaux leitet die Redaktion der Pariser Obdachlosenzeitschrift“L'Itinérant". Mit ihm sprach Luc Adrian.(Famille Chrétienne v. 26.2.98


Erfahrungen im Umgang mit materiellen Gütern

Gott gehört auch mein Geld!

Von Helmut Hubeny

Die Gleichnisse vom anvertrauten Geld haben in meiner Jugend meinen Ehrgeiz sehr angesprochen. Das Lob für die Diener, die das ihnen anvertraute Silbergeld verdoppelt hatten, faßte ich nicht nur ideell leistungsorientiert auf, sondern auch als klaren Auftrag zum effizienten Umgang mit Geld.

Dagegen bin ich der Geschichte vom reichen Jüngling immer ausgewichen. Ich wollte sie nie allzu persönlich nehmen. Und obwohl ich damals ernsthaft versuchte, mich mit Liebe, Zeit und Geld für Christus einzusetzen, so blieb doch vieles oft nur ein ehrgeiziges Projekt der Selbstbehauptung und der Bestätigung.

Als Techniker beruflich der Effizienz und der Rationalität verpflichtet, entwickelte ich dann ein sehr zwiespältiges Verhältnis zum Umgang mit Geld. Einerseits war ich sehr froh über mein Leben im geordneten Wohlstand, andererseits hatte ich ein schlechtes Gewissen wegen der großen Armut in der Welt. Dieser Zwiespalt dämpfte sich erst vor mehreren Jahren in klösterlicher Stille.

Mir wurde vor allem durch ein Buch des christlichen Finanzberaters Larry Burkett klar, daß Geld an sich ein völlig neutrales Tauschmittel und Reichtum keine Sünde ist. Allerdings ist bekannt, daß es mit zunehmendem Reichtum schwieriger wird, “in das Himmelreich zu kommen". Und es ist auch bekannt, daß wir alle in Österreich besser leben als 98 Prozent der Weltbevölkerung.

Der Umgang mit Geld (auch dessen gute Verwaltung) führt immer auch zur Versuchung, es zum “Schatz" zu machen. Dann wird es gefährlich: “denn wo euer Schatz ist, da ist auch euer Herz". Dann wird das sachliche Tauschmittel Geld zum besitzergreifenden Mammon. Das Herz kann aber nicht zwei Herren dienen. Es muß sich entscheiden zwischen Gott und dem Mammon.

Diese Entscheidung setzt voraus, daß ich mich selbst und mein Leben ganz Gott überlasse. Das mag immer wieder unbeholfen, ängstlich und unvollständig geschehen. Aber es ist nach meiner Erfahrung der einzige Weg aus der vordergründigen Abhängigkeit.

Gott, dem Herrn der Geschichte, gehört alles, auch mein Geld. Er hat es mir lediglich zur Verwaltung anvertraut, ich werde (wie J. D. Rockefeller) auch einmal alles zurücklassen.

Seit vielen Jahren haben wir, meine Frau und ich, mit langen Gesprächen in unserer Ehe diese Haltung zunehmend befreiend erlebt. Ein erstes sichtbares Zeichen war damals der Zehent. Mit der Abgabe von zehn Prozent des Familieneinkommens an Kirche, Caritas, Kinderdorf und befreundete Christen in Österreich, Nigeria, Argentinien und Indien wollten wir zeigen, daß Gott auch Eigentümer aller materieller Güter ist. Darüber hinaus wollen wir in Gespräch und Gebet klarer erkennen, was Gott mit unserem Überfluß vorhat.

Hier hat Larry Burkett hilfreiche Richtlinien gegeben. Er empfiehlt eine Überprüfung der Ausgaben (am besten durch Führen eines Haushaltsbuches, zumindest drei Monate lang) nach Lebensnotwendigkeiten (Ernährung, Wohnung, Kleidung, Beruf, Gesundheit), Wünschen (Entscheidungen in Bezug auf die Qualität der Dinge: Kultur, Urlaub, Mode, Geschmack) und Sonderwünschen (Hobby und andere Entscheidungen nach Erledigung der laufenden Verpflichtungen).

Jeder von uns muß für sein persönliches Leben bewerten und entscheiden, wie es dem Plan Gottes mit ihm entspricht.

Zur Entdeckung von Gottes Plan für uns im täglichen Leben gibt der Autor folgende handfeste Winke:

* Machen Sie keine Schulden und übernehmen sie keine Bürgschaften.

* Überprüfen Sie Ihre Kaufgewohnheiten.

* Geben Sie Gott Gelegenheit, für Sie zu sorgen und beten Sie über jede Anschaffung.

* Beraten Sie sich mit der Familie, besonders mit dem Ehepartner und geben Sie nicht jedem Wunsch nach.

* Wenden Sie nur Geschäftspraktiken an, die Ihnen ein reines Gewissen lassen und opfern Sie nicht alle Zeit dem Beruf.

Ein Satz hat mich besonders berührt: “Es gibt nur einen einzigen Grund, weswegen Gott einem Christen einen Überfluß an Reichtum schenken kann: Ein solcher Mensch wird reich, damit er genug hat, um für die Not der anderen zu sorgen. Denn zum wahren Reichtum gehört immer die Gabe des Weiterschenkens."

Das Weiterschenken ist uns vorerst bei den Kindern leicht gefallen. Jetzt, im Alter der (nach menschlichem Ermessen gesicherten) Pension haben wir wieder einmal mit Hilfe eines uns nahestehenden christlichen Finanzberaters eine Analyse unserer Finanzgebarung, unserer Lebensnotwendigkeiten, Wünsche und Sonderwünsche gemacht. Wir wollen dabei besser auf Gott hören, wie wir das Geld teilen sollen, das er uns reichlich zur Verwaltung anvertraut hat.

Dabei haben wir uns an Larry Burketts Ratschlägen zur Praxis des Spendens orientiert. Er rät, den Hilfsbedürftigen ebenfalls bei der Unterscheidung nach Lebensnotwendigkeit, Wünschen und Sonderwünschen zu helfen und an die erste Stelle die Hilfe zur Selbsthilfe zu setzen. Christliche Organisationen wären in der gleichen Weise zu prüfen:

* Verbreitet die Organisation deutlich erkennbar die Frohe Botschaft Christi? Wird durch ihre Arbeit das Leben der Menschen im Geiste Christi verändert?

* Hat sich die Organisation Ziele gesetzt und erreicht sie diese auch?Lebt sie oder stirbt sie langsam ab?

* Stimmt das Leben derer, die die Organisation leiten, mit den Grundsätzen des Evangeliums überein?

* Wieviel Geld wird zur Beschaffung weiterer Spenden ausgegeben?

* Geben Sie bereitwillig ab nach dem Willen Gottes, aber seien Sie als ein guter Verwalter auch kritisch und vorsichtig. Verlangen Sie für Gottes Geld immer nur das Beste!

Damit bleibt mir nur, Ihnen und mir zu wünschen, daß wir immer bessere Verwalter von Gottes Eigentum werden.

Das erwähnte Buch von Larry Burkett, Ratgeber Christ und Geld, Schulte & Gehrt, Asslar, 1990, ist leider total vergriffen.

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