VISION 20003/2002
« zum Inhalt Zeitgeschehen

Pressesplitter kommentiert

Artikel drucken

Absage an die Ökumene

Auf den Tag genau zwei Jahre nach der Unterzeichnung der “Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigung" in Augsburg, am 31. Oktober 2001, hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) ein Papier vorgelegt, in dem sie klarstellt, was sie unter Ökumene versteht. Der Text wurde von der Kammer für Theologie der EKD unter Vorsitz der Tübinger Theologen Eberhard Jüngel und Dorothea Wendebourg erarbeitet und trägt den Titel “Kirchengemeinschaft nach evangelischem Verständnis." ...

In Leuenberg (Schweiz) erzielten 1973 lutherische, reformierte und unierte “Kirchen" ein Übereinkommen, das ihnen erlaubte, die gegenseitigen Lehrverurteilungen aufzuheben und sich zu einer Kirchengemeinschaft zusammenzuschließen. Die Grundlage für die erklärte Kirchengemeinsamkeit bildet das allein gemeinsame Verständnis des Evangeliums. ... Dieses “gemeinsame Verständnis des Evangeliums", erklärt das neue EKD-Papier, “ist die Rechtfertigungsbotschaft im reformatorischen Sinne: Das Evangelium schafft Glauben und erneuert sündige Menschen, indem es sich ihnen durch das Wort der Verkündigung und die Sakramente der Taufe und des Abendmahls vermittelt".

Was ergibt sich daraus für das Verhältnis der evangelischen “Kirchen" zur katholischen Kirche? “Es ist eine Verständigung darüber zu erstreben, daß für die Gemeinschaft der Kirchen nicht eine einzige, historisch gewachsene Form des kirchlichen Amtes zur Bedingung gemacht werden kann, sondern daß unterschiedliche Gestalten desselben möglich sind. In diesem Zusammenhang ist auch festzustellen, daß die Notwendigkeit und Gestalt des ,Petrusamtes' und damit des Primats des Papstes, das Verständnis der apostolischen Sukzession, die Nichtzulassung von Frauen zum ordinierten Amt und nicht zuletzt der Rang des Kirchenrechts in der römisch-katholischen Kirche Sachverhalte sind, denen evangelischerseits widersprochen werden muß."

Das neue Groschenblatt 1/02

Der Verständigung unter Christen schadet es nicht, wenn die bestehenden Differenzen im Glaubensverständnis klargestellt werden. Im Gegenteil. Das Ringen um die Wahrheit gewinnt so an Profil.

Abtreibung rechtmäßig

Das Landgericht Heilbronn hat mit Urteil vom 27. November 2001 einem Privatmann verboten, “wörtlich oder sinngemäß" die Behauptung aufzustellen, ein Heilbronner Arzt führe in seiner Praxis “rechtswidrige Abtreibungen" aus. In der Urteilsbegründung heißt es, die juristischen Laien, die Adressaten eines vom Beklagten verteilten Flugblattes seien, verstünden “unter einer ’rechtswidrigen Abtreibung' einen illegalen, vom Gesetzgeber nicht erlaubten, sondern verbotenen Schwangerschaftsabbruch."

Wörtlich heißt es in dem Urteil: “Ein Schwangerschaftsabbruch hingegen, dessen Voraussetzungen detailliert geregelt sind und an dessen Durchführung zudem staatliche und kirchliche Stellen im Rahmen des obligatorischen Beratungsgespräches mittelbar mitwirken, ist nach dem Verständnis eines unvoreingenommenen und verständigen Publikums wenn auch nicht erwünscht, so doch rechtmäßig."

Kath.net 28.2.02

Dieses Urteil zeigt, wie perfid in der Abtreibungsfrage das Rechtsbewußtsein umgedreht worden ist. Kardinal Meisner sah diese Entscheidung als “ausdrückliche Bestätigung für die Position des Papstes", der die deutschen Bischöfe bestürmt hatte, in ihren Beratungsstellen keine Beratungsscheine mehr für eine straffreie Abtreibung auszustellen.

Astrologie-Boom

Die Zahl der Astrologie-Gläubigen steigt. Neuere Untersuchungen, die in 50 Ländern gemacht wurden, ergaben: 50 Prozent der Menschen halten es für möglich, daß es einen Einfluß der Gestirne auf ihr Schicksal gibt. Die Hälfte davon ist sogar überzeugt, daß es diesen Einfluß gibt. ...

Diese Zahlen werden auch vonder Entwicklungspsychologin Brigitte Rollett von der Universität Wien bestätigt. Sie hat eine Studie unter 1.000 Jugendlichen über die Astro-Gläubigkeit durchgeführt. “Ein Drittel der Jugendlichen war für Astrologie und andere Geheimlehren sehr empfänglich. Sie haben versucht, auf diese Weise ihre Probleme zu lösen. Das waren oft Jugendliche, die in einer Krise waren, die sich ihrer Rolle nicht sicher waren."

Ö1-Dimensionen vom 18. September 2001

Orientierungslosigkeit und Hang zum Esoterischen nicht nur unter der Jugend. All das prägt vielmehr wesentliche Bereiche der westlichen Gesellschaft:

Hexe als Gefängnisgeistliche

Der jüngste im amerikanischen Bundesstaat Wisconsin ernannte Gefängnisgeistliche ist eine Hexe: Jamyi Witch. Im Staate Wisconsin ist der neuheidnische Hexenkult eine anerkannte Religion wie der Katholizismus oder der Islam. Andere Bundesstaaten wie Kalifornien erlauben zwar “Hexen" in der Gefängnisseelsorge, aber nur als Freiwillige. Im vergangenen Monat wurde Jamyi Witch zur obersten “Priesterin" der Hexen in den USA ernannt und ist nun als Gefängnisgeistliche vollzeitbeschäftigt in einem staatlichen Gefängnis.

PURmagazin 2/2002

Was wie ausgefallene Randerscheinung der Säkularisierung erscheint, ist nur eine der vielgesichtigen Erscheinungsformen der fortschreitenden Kultur des Todes:

Inszenierter Selbstmord

Wie die Tageszeitung Sydney Morning Herald berichtete, bat die 70jährige Nancy Crick bei einer Pro-Euthanasie-Veranstaltung die Öffentlichkeit, ihr bei der Beschaffung der tödlichen Substanz Nembutal behilflich zu sein. Die krebskranke Frau plant ihren Tod für den kommenden Monat. Die Euthanasie-Gruppe Exit verkauft nun laut Bericht für umgerechnet 12 Euro numerierte Schlüssel zur Haustür Cricks. Damit soll belegt werden, daß viele Menschen den freiwilligen Tod der Frau begleitet hätten. Auf diese Weise sollten nach Auskunft von Exit die Behörden entnervt werden, die der Todkranken die Sterbehilfe verweigerten. 50 Schlüssel seien bereits verkauft, 200 weitere hergestellt.

KAP

Kinderpornos

Perversitäten lassen sich gut verkaufen. In den USA hat ein unscheinbares Ehepaar Millionen Dollar mit Kinderpornos im Internet verdient. 250.000 Kunden hatten Thomas und Janice Reedy aus Texas weltweit. 1999 wurden die beiden vom FBI verhaftet. Drei Jahre später liegt dem Innenministerium die Liste der österreichischen Kunden vor. Es gibt 283 Verdächtige. Es kam zu 330 Hausdurchsuchungen, Hunderte Computer, Zehntausende CDs, Disketten, Videos wurden sichergestellt.

Die Presse v. 19.4.02

Die Klienten stammen aus allen Schichten:

Österreichweit sind sechs Lehrer, von denen einer an einer Behindertenschule tätig sein soll, ein Pfleger in einer Kinderbetreuungseinrichtung der Stadt Wien, ein Salzburger Universitätsprofessor, Ärzte und Jugendherbergs- bzw. Heimleiter involviert. ... Bei einem in Verdacht geratenen Polizisten waren PCs, Videos und Datenträger konfisziert worden. Der Löwenanteil des einschlägigen Materials im Internet kommt aus den GUS-Staaten, vor allem aus Rußland und der Ukraine.

SN v. 19.4.02

Das hemmungslose Verfügen über Kinder kennt viele Erscheinungsformen:

Kind für ein lesbisches Paar

Eine 51jährige lesbische Frau hat nach einer künstlichen Befruchtung in den USA ein vom Bruder gezeugtes Kind zur Welt gebracht. Diese Nachricht hat Ängste genährt, künstliche Befruchtung könnte mißbraucht werden.

Sie wird nur wenige Wochen nach der Meldung bekannt, daß eine 62jährige Französin Frankreichs älteste Mutter geworden ist, wobei das Sperma ihres Bruders zur Zeugung herangezogen wurde.

Die Amerikanerin lebt seit langem in einer lesbische Beziehung und hatte “schon lange den Wunsch, schwanger zu werden." Aber sie lehnte eine heterosexuelle Begegnung ab. ...

Der Frau, die bereits in der Menopause war, wurde ein mit dem Sperma des Bruders befruchtetes Spender-Ei eingepflanzt, und sie gebar ein gesundes Baby.

Bevor die Klinik bereit war, den Eingriff durchzuführen, mußten sich die Frau und ihr Bruder einer psychiatrischen Untersuchung unterziehen, und der Fall wurde vor dem Ethik-Komittee der Klinik behandelt.

BBC News 13.7.01

Diese Welt, in der man sich scheinbar jeden, auch den abstrusesten, Wunsch erfüllen darf, bringt allerdings anscheinend nicht die Erfüllung:

Die Lebensfreude kommt abhanden

Im Jahr 2001 wurden von Österreichs niedergelassenen Ärzten insgesamt 58,9 Millionen Diagnosefälle medikamentös behandelt. Drei Viertel davon, also insgesamt 44,2 Millionen Diagnosestellungen, entfielen ... auf die Gruppe der Allgemeinmediziner. ... Bluthochdruck ist die Volkskrankheit Nummer 1... Allein im niedergelassenen Bereich wurde essentielle Hypertonie mehr als sechs Millionen mal diagnostiziert, wobei das aufgrund der Erhebunsmethode ... nicht mit der Anzahl der erkrankten Patienten ident ist. ... Mit 35 Prozent aller Verschreibungen sind Antidepressiva die am häufigsten verordnete Präparategruppe bei den Psychiatern/Neurologen und somit die absolute Nummer 1 bei dieser Facharztgruppe.

IMS-Health, Psychiater & Neurologen - Diagnosen und Verordnungen Österreich, 2001

Wenig Lebensfreude also in der Wohlstandsgesellschaft, denn auch Praktiker diagnostizierten “Depressive Episode" fast zwei Millionen mal (zweithäufigste Diagnose nach Hochdruck).

Noch mehr Kinderkrippen in der EU

Steigende Lebenserwartung und ein unfinanzierbar gewordenes Pensionssystem in den meisten Mitgliedsstaaten zwingen die europäischen Regierungen zum Handeln. ...

Die EU-Regierungen kamen auch überein, Voraussetzungen für die Erhöhung der Frauenerwerbsquote zu schaffen. So sollen bis 2010 für 90 Prozent der Kinder in der EU im Alter zwischen drei Jahren und dem Erreichen der Schulpflicht sowie für mindestens 33 Prozent der Kinder unter drei Jahren Betreuungsplätze geschaffen werden. Auch hierbei obliegt es den nationalen Regierungen, entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Bundeskanzler Schüssel wies darauf hin, daß auch er ein flexibles System von Kinderkrippen und privaten Betreuungen anstrebe. “Es darf nicht so sein, daß 100 Prozent der Kinder verstaatlicht werden."

Die Presse v. 18.3.02

Davon erhofft man sich eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Kindern. Ob es die Geburtenfreudigkeit steigert, ist mehr als fraglich. Daß Kinderkrippen kein Rezept für erfüllte Kindheit sind, sollte sich aber herumgesprochen haben. Alllerdings werden auf EU-Ebene immer öfter gesellschaftspolitisch äußerst bedenkliche Weichen gestellt:

Europa-Parlament gegen den Glauben

Mit denkbar knapper Mehrheit hat das Europäische Parlament einen Bericht mit teils scharfer Kritik an Kirchen und Religionsgemeinschaften verabschiedet. In dem am 13. März in Straßburg mit 242 gegen 240 Stimmen bei 42 Enthaltungen beschlossenen Bericht wird unter anderem “die Einmischung der Kirchen und der Religionsgemeinschaften in das öffentliche und politische Leben der Staaten" beklagt.

Die Abgeordneten strichen eine Formulierung, wonach auch die Übernahme öffentlicher Aufgaben, wie Krankenpflege und Bildung, durch Religionsgemeinschaften als “ganz objektiv" im Widerspruch zur demokratischen Rechtsordnung der EU abgelehnt werden sollte. Verworfen wurde auch eine Formulierung, wonach der Papst und der rumänisch-orthodoxe Patriarch ihre Einstellung zu lesbischen Frauen ändern sollten.

Von einigen Rednern waren in der Aussprache über den Bericht der katholischen Kirche heftige Vorwürfe gemacht worden. So hatte sich die italienische Europaabgeordnete Emma Bonino über Einflußnahme der katholischen Kirche bei der Diskussion um verbrauchende Embryonenforschung und das theorapeutische Klonen beschwert. Die niederländische Liberale Lousewies van der Laan prangerte die Haltung der katholischen Kirche zum Gebrauch von Präservativen an ... Und ihre griechische Fraktionskollegin Anna Karamanou beklagte, in Polen übe die katholische Kirche Druck aus, um die Rechte von Frauen etwa im Zusammenhang mit Schwangerschaftsabbruch und Empfängnisverhütung zu beschneiden.

“Die Gläubigen aller Glaubensrichtungen" werden in dem Bericht aufgerufen, die Gleichberechtigung für Frauen zu unterstützen. Was damit gemeint ist, wird mit Blick auf die Diskussion um Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch deutlich. Frauen müßten das Recht haben, selbst über ihren Körper zu bestimmen, heißt es da.

Die Tagespost v. 16.3.02

Gott sei Dank gibt es aber auch Erfreuliches zu berichten. Der Europäische Gerichtshof hat eine Entscheidung von weitreichender Bedeutung gegen die Euthanasie getroffen:

Kein Recht auf Sterbehilfe

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat heute in Straßburg den Antrag von Diane Pretty, einer schwerst kranken Britin, auf “Sterbehilfe" abgelehnt. Sie wollte sich von ihrem Mann töten lassen, der dazu auch bereit gewesen wäre. Die Britin hat eine irreparable Schädigung des zentralen Nervensystems und sitzt im Rollstuhl. Sie ist vom Kopf abwärts gelähmt.

In der Erklärung stellte der Gerichtshof fest, daß das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerte Grundrecht auf Leben nicht dessen Umkehrung, das heißt das Recht zum Sterben, einschließt. Daher dürfe es kein Recht geben, aus dem eine Selbstbestimmung in dem Sinne abgeleitet werden könne, daß “jedes Individuum das Recht hat, eher den Tod als das Leben zu wählen". Die Entscheidung der sieben Richter war einstimmig.

www.kath.net 29.4.02

© 1999-2024 Vision2000 | Sitz: Hohe Wand-Straße 28/6, 2344 Maria Enzersdorf, Österreich | Mail: vision2000@aon.at | Tel: +43 (0) 1 586 94 11