VISION 20005/2002
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Ich kann wirklich kaum nein sagen

Artikel drucken Jakob Weitlaner, ein Regierungsrat im Dienst der vielen, die seine Hilfe suchen (Von Alexa Gaspari)

Ein Senkrechtstarter in den Himmel", “ein Engel", “kein Beamter, sondern ein Heiliger". Ich kann mich nicht erinnern,von verschiedensten Menschen so viel uneingeschränkte Hochachtung, Zuneigung und Bewunderung gehört zu haben wie über Regierungsrat Ing. Jakob Weitlaner, den seine Freunde übrigens Jacky rufen.

Es ist sehr schwer, seine ganz besondere, gefühlvolle Art, Menschen Hilfe zu leisten, zu beschreiben. “Wo die Not am Größten ist, da ist der Weitlaner Jakob am Nächsten" - dieser Ausspruch des ehemaligen Gemeindesekretärs von Gamlitz in der Südsteiermark, charakterisiert den Mann, der Jahrzehnte hindurch dort für Erdrutsch-Sanierungen und Entwässerungen zuständig war, wohl recht gut. Herr Gramm aus Gamlitz hatte als Gemeindesekretär beruflich viel mit ihm zu tun gehabt: “Ein ganz feiner Mensch, der seine Arbeit immer 150 Prozent ausgeführt hat. Er war sofort da, wenn etwas passiert ist. Die Zeit hat da keine Rolle für ihn gespielt.". Ob Tag oder Nacht, Wochenende oder Feiertag immer ist Weitlaner bereit, mit ganzem Einsatz schnell Rat und Hilfe zu bringen.

Als ein neuerbautes Haus vom Erdrutsch gefährdet ist, kommt er sogar am Ostersonntag. Ein anderes Mal rutscht um 15 Uhr vor einem Wohnblock der Hang weg - und um 18 Uhr beginnen die Maschinen mit der Sanierung. Es gäbe wohl nicht viele Weinbauern in der Südsteiermark, die sich nicht dankbar an ihn erinnern, meint Gramm. “Er hat sich stets persönlich um alles gekümmert, alle notwendigen Daten erhoben und geplant. Er hat saniert und sich persönlich für eine maximale materielle Unterstützung jedes einzelnen Weinbauern durch die öffentliche Hand eingesetzt."

Eine Bäuerin aus der Umgebung von Gamlitz bestätigt: “Ja, der Herr Weitlaner, der hat halt auf alle geschaut. Er hat immer alles in Bewegung gesetzt, um Menschen zu helfen. Wenn nötig, hat er die zuständigen Leute aus Wien hergeholt, damit geholfen wird. Als wir einmal meinten, es ginge nicht mehr weiter, weil uns in der Nacht mit einem Mordskrach der Hang mit allen Obstbäumen abgerutscht ist - nur das Haus hat noch gehalten -, da hat er uns wunderbar geholfen. Er hat uns Mut gemacht, weiterzumachen, hat entwässert und befestigt - und war einfach immer da, bis alles saniert war..."

Was aber erzählt mir Jakob Weitlaner (vielleicht nicht ganz freiwillig) selbst über sich? “Meine Wurzeln sind in Südtirol. Dort wurde ich in Innichen - so wie drei meiner fünf Geschwister - 1937 geboren." 1940 wird die Familie, die nicht für Italien optiert, nach Österreich ausgesiedelt. Das schöne Haus in Innichen wird ihnen für ein wertloses Stück Papier abgenommen. Der Vater muß damals sofort seinen Dienst in Graz beginnen und 1943 einrücken. Für Jakob beginnt in Graz die Schule, unterbrochen von den Bombenangriffen, bei denen er in Luftschutzkellern unter Todesängsten leidet. Zwei Jahre verbringt die Familie dann auf dem Land. An den Hunger, den er immer hatte, erinnert er sich heute noch genau. Wohl ein Grund, warum er, wie er lächelnd meint, heute nichts stehenlassen kann.

1946 kommt der Vater aus der Kriegsgefangenschaft. “Die Mutter war von unendlicher Güte und Liebe," erinnert er sich liebevoll. “Vor dem Vater hatten wir Angst, aber er hat uns wohl trotzdem geliebt, nur haben wir das damals nicht verstanden." Gegen den Willen des Vaters, der seinen Sohn lieber als Lehrer sehen würde, beginnt Jakob - der ein richtiger Autofreak ist - mit 14 eine Lehre als Automechaniker. Beinahe hätte er keine Lehrstelle bekommen, denn erstens sind die Lehrstellen sehr rar und zweitens ist der heute 1,88 Meter große Mann damals so klein, daß ihn keiner nehmen will.

Die Pfarre ist schon damals seine zweite Heimat. Er ist Ministrant und auch bei der katholischen Arbeiterjugend engagiert. Er ist kaum 18 als er dort die 16 jährige Hannelore kennenlernt. Bei beiden ist es die ganz große Liebe. Jakob arbeitet in dieser Zeit als Mechaniker bei einer Fordwerkstätte.

1957 muß er einrücken. “Von der inneren Einstellung her, war ich alles nur kein Soldat," erinnert er sich. Allerdings spürt er vom Soldatenleben zunächst nicht viel, da er gleich zu einer Werkstätte abgestellt wird. Die Arbeit an Panzern und schweren Motoren aber macht ihm Spaß. Seine Vorgesetzten reden ihm zu, sich doch auf neun Jahre zu verpflichten, und der junge Mann unterschreibt in der Annahme, er werde in der Werkstätte bleiben. Kurz darauf aber wird er zur Kompanie zurückversetzt, wo er zwar auch in einer Werkstatt arbeitet, zu seinem Verdruß aber auch an allen Übungen und Manövern mitmachen muß.

1959 heiratet er Hannelore. Um sich beruflich verändern zu können, beschließt er, in Abendkursen die Arbeitermittelschule und einen Abiturientenlehrgang in der Baufachschule zu besuchen. “Die Schulzeit - es waren 5 Jahre - hätte ich nie geschafft, wenn mich meine Frau nicht unterstützt hätte," erinnert er sich dankbar. “Sie hat immer auf mich gewartet, da war es schon gegen elf, dann haben wir noch etwas gegessen, ein bisserl getratscht und manchmal mußte ich auch dann noch lernen."

An den Wochenenden arbeitet er auch noch an Tankstellen, denn 1961 wird Sohn Andreas geboren und das Geld wird sehr knapp, weil die junge Mutter von da an zu Hause bleibt. 1964 kommt Gabi zur Welt. Trotz der vielen Arbeit ist er voll Dankbarkeit, wenn er sichtlich bewegt an diese Jahre zurückdenkt: “Es war so eine wunderschöne Zeit, ich erinnere mich so gerne, eine wunderbare Harmonie in der Familie. Wir waren sehr genügsam: Wenn wir spazieren gegangen sind und einmal ein Eis essen konnten, dann hatten wir schon eine große Freude."

Nach Beendigung seiner Studien kann er sich beim Heer pragmatisieren lassen. Und als Beamter darf er nun auch den Job wechseln. Was er auch prompt tut: Er beginnt beim Land Steiermark in der Baudirektion zu arbeiten. Als Bautechniker wird er zum zuständigen Ansprechpartner für Erdrutsch-Sanierungen und für Entwässerungen, vor allem in der Südsteiermark.

Noch heute ist er sehr froh über diese Entscheidung: “Ich habe so einen Segen gehabt, daß ich in diesen Beruf eher zufällig hineingeschlittert bin. Es ist so wunderbar, daß es mir möglich war, so vielen Menschen, die total verzweifelt waren und nicht mehr ein noch aus wußten, helfen zu können. Es ist so gut, daß ich da mein Wissen und mein Können einsetzen konnte und daß ich vor allem auch wußte, wo man finanzielle Hilfe erwarten konnte." Und als Nachsatz: “Es ist doch nichts Besonderes, wenn man seine Arbeit mit ganzem Herzen macht. Ich wurde dort hingestellt, um den Menschen zu helfen". Bei diesen Worten schwingt in seiner Stimme - ich kann es nicht anders beschreiben - eine Mischung von Demut, Dankbarkeit und Selbstverständlichkeit. Lächelnd meint er noch: “Und ich wurde auch noch dafür bezahlt" - wozu also darüber reden oder schreiben?

Die Leute rund um ihn herum sind allerdings anderer Ansicht. Da möchten alle seine besondere Liebe und aufopfernde Hingabe für die Menschen herausstreichen. Offenbar trägt er gern das Kreuz anderer mit, weil er selbst ein schweres Kreuz zu tragen hat!

Denn 1969 erkrankt seine junge Frau schwer. Vier Jahre dauert das schreckliche Krebsleiden. Jacky pflegt sie liebevoll und unermüdlich, gibt ein Vermögen aus für die teuersten Medikamente, immer in der Hoffnung, sie könnten helfen. Trotz allen Einsatzes stirbt seine Frau 1973 zu Hause - und die Kinder sind 9 und 12.

Die große Liebe zu seiner Frau und seine Erschütterung sind nach wie vor spürbar, als er über die Zeit danach erzählt: “Ich hatte gedacht, daß ich so fest im Glauben bin. Aber das mit meiner Frau, das hat mich damals umgehauen. All die Fragen: Warum? Wem nützt das? Was ist mit den Kindern? Sie war doch so eine liebe Frau! Überall beliebt, hat in der Pfarre mitgeholfen... Wozu soll das gut sein? Dann kam auch eine Depression. Und dabei hätte ich der Starke für die Kinder sein sollen. Ich war einfach untröstlich."

Ein Jahr nach dem Tod seiner Frau leidet Jakob Weitlaner mittlerweile an Angina Pectoris, einer schweren Herzerkrankung. Sie sei wohl - meint er - durch die jahrelange ständige Angst um seine Frau, das enorme Schlafdefizit, die viele Arbeit, die großen finanziellen Probleme ausgelöst worden.

In dieser Zeit hat er eines Tages folgendes Erlebnis: “Der Weg zu meinem Amt führte mich der Mur entlang, und wieder hatte ich diesen Druck auf der Brust. Ich bleib' stehen, halt mich am Geländer fest. Daneben Sträucher und Bäume. Plötzlich schau' ich direkt in eine Blume hinein... Und da war es, als würde ich es hören: ,Schau Jacky, die habe ich für dich blühen lassen, damit du dich freust. Alles hab ich dir nicht geben können, auch wenn du es nicht verstehst. Schau mich an und freu' dich."

An seiner Art, das Erlebte zu erzählen, ahne ich, daß er in diesem Moment viel Liebe empfangen haben muß: “Das war die Wende. Ich konnte mich wieder an kleinen Dingen freuen. Von da an ist es bergauf gegangen. Das Vertrauen in Seine unendliche Güte und Liebe konnte wieder wachsen - so schwer es auch war."

Seine Familie hält ganz fest zusammen. Die Schwiegermutter betreut die Kinder nach der Schule, bis der Vater heimkommt. Und der Vater, so erzählt mir seine Tochter Gabi - mittlerweile Mutter von zwei Teenager-Mädchen -, verbringt so viel Zeit wie nur möglich mit den Kindern. Mit jedem Problem, jeder Sorge, egal was es war, können sie zu ihm kommen. Böse Worte kennt man im Hause Weitlaner nicht.

Um die Kinder selbst betreuen zu können, habe der Vater auf alles verzichtet, erinnert sich Gabi dankbar: “Wir sind mit viel Liebe getragen worden. Obwohl meine Mutter so früh gestorben ist, hatten wir eine wunderschöne Kindheit. Er hat z.B. Geld aufgenommen um mit uns auf Urlaub zu fahren, nur damit wir einmal eine schöne Erinnerung daran haben könnten. Er hat auf alles geschaut, war immer für uns da. Mein Vater, mein Bruder und ich sind sehr stark miteinander verbunden. Er hat auch dafür gesorgt, daß wir ganz selbstverständlich immer mit der Mutter gesprochen haben. Sie war nicht da, aber für uns war es klar, daß sie uns hören konnte." Und so kann sie heute sagen: “Ich habe zwei Engel: einen im Himmel, das ist meine Mutter und einen auf der Erde, das ist mein Vater."

Leichter zu tragen war das alles, wie sie meint, weil der Vater sie im Glauben erzogen hat. Jesus als Mittelpunkt der Familie: “Dafür bin ich ihm sehr dankbar. Ich versuche den Glauben nun meinen Kindern mitzugeben." Auch dabei helfe der Vater, bei dem die junge Familie wohnt.

Zurück in die Vergangenheit: Jahrzehnte lang bewahrt er bei unzähligen Einsätzen Menschen davor, nach Unwettern Haus, Grund und Boden zu verlieren. Bald kennt er fast jeden Hang in der Gegend um Gamlitz. Immer wieder- so lerne ich - muß ein Hang durch Anker zum Berg hin befestigt werden. Oft nimmt er die Kinder, solange sie noch klein sind, zum Außendienst mit. Und sie erleben dabei, wie liebevoll der Vater mit den Menschen umgeht.

“Jeder Fall war sein wichtigster", meint Traude Schröttner (Portrait VISION 2/01), die mich auf Jakob Weitlaner aufmerksam gemacht hatte. “Ich weiß, daß er nächtelang nicht geschlafen hat, bis eine Lösung für ein Problem gefunden war. Er ist unglaublich mitfühlend." Sie erinnert sich, daß eine Bäuerin, der er geholfen hatte, ausrief, als sie ihn sah: “Mein Engel, mein Engel ist da." Er sei ein Mensch, der nicht nein sagen kann und für den der Satz: “Das geht nicht", nicht existiert, ergänzt Traude. Und sie erzählt: Als in unserem Nachbarland der Krieg beginnt, wird der Gebetskreis der Pfarre Karlau in Graz durch den Brief eines Pfarrers aus Kroatien auf die dortige Not aufmerksam. Traude Schröttner und Jakob Weitlaner - beide gehören dem Gebetskreis an - sind sofort fürs Helfen. Von Traude weiß ich, daß diese Aktion sieben Jahre gedauert hat.

Sie selbst organisiert, telefoniert und erbettelt - und Jakob Weitlaner, der als Autofreak in seiner Jugend alle Führerscheine gemacht hat, betätigt sich als Chauffeur des Lkw, mit dem sie zwischen 1991 und 1998 an 200 Wochenenden in das Flüchtlingslager nach Kroatien fahren. Die 1.400 (!) Tonnen Güter und die Möbel für neue Wohnungseinrichtungen, die dabei transportiert werden, sammelt Jacky zunächst in Graz ein, lagert sie in der Pfarre, ladet sie dann auf den Laster und unten in Kroatien wieder aus.

Diese Wahnsinnsarbeit hätte eigentlich gar nicht möglich sein dürfen wegen der schweren Gesundheitsprobleme meines Gegenübers: “Ich hatte jahrelang mit dem Kreuz zu tun. Oft wahnsinnige Schmerzen. Manchmal mußte ich Gabi in der Nacht bitten, mir zu helfen, mich im Bett umzudrehen. Oft konnte ich nicht schlafen, bin stundenlang in der Wohnung spazierengegangen. Ich war bei vielen Spezialisten, doch ohne Schmerzmittel - manchmal auch mit - habe ich es nicht ausgehalten. Zu Beginn der Kroatienaktion aber war das plötzlich weg, ist auch nicht wiedergekommen - trotz der enormen Schlepperei."

Zufall? An den glaubt er nicht. Und wie war das mit den Herzproblemen? Sehr berührend erzählt er: “Von meinem Herzleiden bin ich auf wahrhaft wunderbare Weise vor ungefähr elf, zwölf Jahren, also auch vor der Kroatienaktion, befreit worden. Wir hatten damals einen Priester aus Ruanda, der sehr undeutlich Deutsch sprach. Eines Tages während der Messe bekomme ich wieder so einen Druck auf dem Herzen - ein Herzanfall. Vor der Kommunion wollte ich aber den Spray nicht nehmen, damit ich Jesus nicht in dieser Wolke von Nitroglycerin empfange."

Er geht also zur Kommunion und stellt fest, daß er den Spray nicht mehr braucht. Der Schmerz ist weg. “Nach der Kommunion hat der Priester etwas gesagt, aber ich konnte es nicht verstehen. Traude fragt dann nach der Messe ganz aufgeregt: “Also wen hat das betroffen?" Die anderen Männer und Frauen - wir waren nur wenige - und ich wußten nicht wovon sie redet. ,Was betroffen?', frage ich. Da sagt sie, der Pater habe nach der Kommunion auf sein Herz deutend erklärt, es sei hier ein Mann mit Schmerzen in der Brust und Jesus heile ihn jetzt." Es ist kein Zufall, daß Jakob Weitlaner nie wieder Schmerzen bekommen hat.

Im Rückblick auf die Kroatienaktion - ohne Schmerzen - meint er: “Ich bin so dankbar, daß ich das alles tun konnte. Die Freude hat immer die Arbeit überwogen. Etwa als wir versprochen hatten, daß wir am Karfreitag nach Maria Bistrica kommen würden. Da sehr viel Verkehr war, sind wir erst spät abends im Flüchtlingslager angekommen. Und da hatten doch wirklich 40 bis 50 Kinder auf uns gewartet, um uns ein Ständchen zu bringen! Welche Freude. Die Müdigkeit war verflogen" - eine Freude, die ich dem gefühlvollen Mann heute noch ansehe.

Heute noch wird wöchentlich eine Lieferung Brot für die Pfarre in Kroatien zusammengestellt. Das macht Jakob Weitlaner mit einem ehemaligen Angestellten der Bäckerei, die ihnen das übriggebliebene Brot zur Verfügung stellt, jedesmal 800 bis 1000 Kilo Brot und Gebäck: fast jeden Tag schlichtet er da stundenlang in der heißen Bäckerei das Gebäck, verpackt jedes Stück einzeln zum Einfrieren, damit es zur wöchentlichen Abholung durch die Kroaten konserviert wird.

Derzeit sammelt der Gebetskreis für den Kamillianerpater Gots der die Menschen an der ungarisch-ukrainischen Grenze, wo sein Kloster steht, vor dem Verhungern retten möchte. Geht es darum, erbettelte und gespendete Medikamente oder Lebensmittel abzuholen, so ist Jacky schon unterwegs und bringt alles zu einer Sammelstelle ins Burgenland.

Außerdem ist der unermüdliche Helfer auch noch Obmann der Vinzenz-Konferenz, einer Gemeinschaft, die sich für die Armen einsetzt. Ihre Mitglieder versuchen Menschen in Notsituationen zuhilfezukommen: Etwa einer alten, psychisch kranken Frau. Sie lebte in Schutt und Dreck, nachdem ihre Söhne ihre Wohnung zunächst sanieren wollten, kurz darauf aber alles liegen und stehen gelassen hatten. Gemeinsam mit seinem Bruder hat Jacky die Wohnung wiederhergestellt, Decken und Wände eingezogen, wo es nötig war.

Ähnliches bei einem 40jährigen mit offenen Beinen, der unter unvorstellbar unhygienischen Zuständen hauste: Nur ein schmaler Weg führte durch den halbmeterhohen Dreck durch die Wohnung, erzählte mir Traude. Auch da beseitigen die beiden den Unrat und bekämpfen die Feuchtigkeit von Wänden und Decken. Jahrelang, bis zu seinem frühen Tod, begleitet Jacky den Mann, ist auch Nachts telefonisch für ihn erreichbar, führt ihn ins Krankenhaus und nimmt den psychisch kranken, stets ungewaschenen Künstler in die Sonntagsmesse mit.

Seit drei Jahren ist er nun in Pension. Wer immer in der Pfarre um Hilfe bittet, rennt bei ihm offene Türen ein: Kabel die verlegt werden müssen, ein kaputter Eiskasten, eine verstopfe Wasserleitung oder wenn jemand übersiedeln muß - Jacky ist schon unterwegs! Werden irgendwo Kohlen verschenkt, holt er sie, um sie Notleidenden zu bringen. “Ich kann wirklich kaum nein sagen," bekennt der gute Samariter, “weil ich die Not kenne. Und wenn mich jemand um etwas bittet, ist es Jesu, der mich bittet. Ich weiß, wo man Hilfe kriegt, Geld auftreibt und kann auch selbst anpacken. Das ist mein Charisma: daß ich arbeiten kann. Das ist die Rolle, die mir auf den Leib geschrieben ist. Sie hat sich einfach immer wunderbar mit meiner Arbeit ergänzt." Ist es da ein Wunder wenn ihn so mancher Sandler in Graz, der seine Großherzigkeit kennt, ihn mit: “Grüß Gott, Herr Pfarrer" anspricht?

Woher er seine Kraft tankt? Aus der Nähe zu Christus. Jeden Tag steht er um halb fünf Uhr auf. Lächelnd erklärt er: “Ich gönne meinem Körper das Faulenzen nicht. Ich schaue nach Osten, genau in die Josefskirche, hebe meine Hände und sage danke dafür, daß noch alles geht, noch alles da ist, für die Harmonie in der Familie. Ich bin so beschenkt" Dann geht er zur Frühmesse. Traude meint: “Wer ihn beten gesehen hat, weiß, was Gebet sein kann. Ich kenne keinen gläubigeren Menschen als ihn." Tagsüber begegnet er dann Christus in seinen Nächsten. Abends ist er in der Pfarre beim Rosenkranzgebet. “Durch ihn verändert man sich," erklärt mir eine Frau aus der Pfarre überzeugt. “In seiner Nähe kann keiner unbarmherzig sein." Er verwirklicht das was Pfarrer Urs Keusch (Seite...) schreibt: “Ein Mensch, der aus der Liebe Gottes lebt, ist wie ein milder Frühling, der überall und fast unbemerkt Blumen und Käfer aus der erstarrten Erde hervorlockt."

PS: Nach unserem Gespräch schaut mich Jakob Weitlaner ganz verwundert an und fragt: “Und was wollen Sie da jetzt schreiben?"

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