VISION 20003/2003
« zum Inhalt Zeitgeschehen

Pressesplitter kommentiert

Artikel drucken

Amerika am Ende

Der französische Historiker Emmanuel Todd, Autor von “Weltmacht USA. Ein Nachruf" erklärte in einem Interview in “Die Zeit" (18/03):

Ich liebe die USA eigentlich sehr. Sie waren bis vor kurzem der wichtigste internationale Ordnungsfaktor. Jetzt werden sie zu einem Faktor der Unsicherheit. Der industrielle Kern der USA ist gefährdet. Das Handelsdefizit der Amerikaner beträgt 500 Milliarden Dollar im Jahr. Das Land braucht täglich 1,5 Milliarden Dollar an ausländischem Kapitalzufluß. Diese Abhängigkeit hat die USA aus dem Gleichgewicht gebracht. Sie können nicht mehr aus eigener Kraft leben. Das exportstarke Europa kann das sehr wohl. Und Rußland entwickelt gerade einen Kapitalismus im eigenen Land, zu dem es auch die natürlichen Ressourcen besitzt.

Gleichwohl sind die USA die unbestrittene globale Führungsmacht.

Todd: Die USA waren der unzweifelhafte Sieger des 20. Jahrhunderts. Jetzt haben sie Schwierigkeiten, ihre neue Abhängigkeit zu erkennen. Bislang waren die Europäer unterentwickelt und beneideten die USA um ihren Lebensstandard und ihre technischen Produkte. Das hat bei uns eine gewisse Bescheidenheit erzeugt. Heute sind die USA nur noch im Militärischen führend. In den meisten Bereichen wurden sie von den Europäern überholt.

Aber die eindrucksvoll im Irak-Krieg zur Schau gestellte Dominanz werden die USA nicht so bald aus der Hand geben.


Der Krieg im 21.Jahrhundert

Der zweite Irak-Krieg ist ... die unverzichtbare Bühne, um dem Rest der Welt Amerikas absolute Überlegenheit zu demonstrieren. Bis heute verfolgt von der Katastrophe in Mogadischu 1993, als schlecht bewaffnete somalische Milizen die besten Elitetruppen des Pentagons besiegten, müssen die Kriegsperfektionisten nun zeigen, daß sich die Vernetzungstechnik in Straßenkämpfen bewährt. Zu diesem Zweck setzen sie auf eine Kombination aus Schlachtfeld-Allwissenheit, intelligenten Bomben und neuen Waffen mit Mikrowellenimpulsen und Übelkeit erregenden Gasen, um die Feinde aus ihren Häusern und Bunkern zu treiben. Der Gebrauch “nicht-letaler" Waffen gegen die Zivilbevölkerung, das kündigte auch die Geiselbefreiung im Oktober 2002 an, ist ein Kriegsverbrechen, das früher oder später begangen werden wird.

Die Zeit 16/03


Auch wirtschaftlich spielen sie diese Vorrangstellung aus:

Angst vor Importbehinderungen

Auf kanadischer Seite befürchtet man seit der Weigerung der Regierung in Ottawa, an der Seite der Amerikaner gegen den Irak in den Krieg zu ziehen, Retourkutschen in Form von rückläufigen Exporten, weniger Berücksichtigung bei Aufträgen aller Art, schleppender Grenzabfertigung und handelspolitischer Schikanierung. Diese Angst war unterschwellig schon vorhanden, bevor der amerikanische Botschafter in Kanada, Paul Cellucci, vor einigen Tagen in Toronto ziemlich deutlich zu verstehen gab, die USA seien über das offizielle kanadische Verhalten enttäuscht. ... Eine solche Entwicklung wäre insofern fatal, als Kanadas Exporte, die rund 40 Prozent zum hiesigen Bruttoinlandsprodukt beitragen, zu rund 80 Prozent in die USA gehen.

NZZ v. 10.4.03

Und dabei beruht der US-Vorrang sehr wesentlich auf weltweiten “Zulieferungen":

Intelligenz-Import

Wie in keinem anderen Land der Welt hängt die Wissenschaft in den Vereinigten Staaten von Ausländern ab. In den Master- und Promotionsstudiengängen der Natur- und Ingenieurwissenschaften kommt jeder dritte Student aus dem Ausland. In der Physik ist es sogar jeder zweite. Insgesamt studieren 580.000 Studenten ohne amerikanischen Paß an US-Hochschulen. Die meisten stammen aus China, Indien, Korea und Japan. Hinzukommen fast 86.000 ausländische Gastdozenten, darunter 16.000 Chinesen und - auf Platz fünf - 5.000 Deutsche. Ohne sie würde der Forschungs- und Lehrbetrieb zusammenbrechen.

Die Zeit 18/03


Welch ein Verlust für die Heimatländer, die einen großen Teil der jungen Elite verlieren! Dieser fortgesetzte Aderlaß ist einer der Gründe für die schlimme Misere vieler Länder der Dritten Welt:

Lateinamerika im Zeichen der Armut

Tatsächlich befindet sich Lateinamerika derzeit in “einer der kritischsten Perioden der letzten Jahrzehnte", wie im neuen, Montag publizierten Jahresbericht der IDB (Interamerikanischen Entwicklungsbank) ungeschminkt festgestellt wird. Im Bericht wird beklagt, daß das Pro-Kopf-Einkommen nunmehr geringer sei als vor fünf Jahren, der Konsum stagniere und die Investitionstätigkeit auf den tiefsten Punkt der letzten zehn Jahre zurückgefallen sei. ...

Im IDB-Bericht wird ferner auf eine spürbare Verschlechterung der sozialen Verhältnisse hingewiesen. Im regionalen Durchschnitt habe sich die Arbeitslosigkeit 2002 um fast einen Prozentpunkt auf 9,1 % erhöht und in Ländern wie Argentinien, Kolumbien, Uruguay oder Venezuela gar die Marke von 15 % überschritten. Zugleich habe die Armutsquote (Anteil der Personen mit Tageseinkommen von weniger als 2 Dollar)wieder auf 43 % zugenommen, nachdem der Anteil während der neunziger Jahre von 48,3 % auf 42 % gefallen sei. Diese Misere führe in einigen Ländern bereits zu sozialen Unruhen.

NZZ v. 25.3.03


Und das Erstaunliche: Mangels auch nur irgendwie hoffnungsversprechender Alternativen können sich sogar die offenkundig unfähigen Eliten, die mitschuld an der Misere sind, an der Macht halten:

Fatal vergeßlich

Am Sonntag ... finden Präsidentschaftswahlen (in Argentinien) statt, und die besten Aussichten auf das höchste Staatsamt haben nach Umfragen drei Kandidaten, die der “abgewirtschafteten" traditionellen Führungsriege angehören. Alle drei sind Mitglied der Justicialista-Partei, einer von General Perón und seiner Frau Evita vor mehr als einem halben Jahrhundert gegründeten populistischen Bewegung. An der Spitze des Trios befindet sich ein Mann, den viele Argentinier als Hauptverantwortlichen für den wirtschaftlichen und finanziellen Zusammenbruch sehen: Carlos Menem, Staatschef in der Dekade 1989-99. Auf die Frage, welchem Politiker sie “unter keinen Umständen" ihre Stimme geben würden, antworteten noch zu Jahresbeginn 56 Prozent der Befragten “Carlos Menem". Jetzt liegt er bei den meisten Umfragen an der Spitze.

Die Welt v. 24.3.03


Damit Sie, liebe Leser, nicht den Eindruck gewinnen, wir wollten antiamerikanische Gefühle schüren, folgende erfreuliche Meldung aus Übersee:

Enthaltsamkeit gefördert

Mit 120 Millionen US-Dollar soll die US-Regierung heuer Programme fördern, die in der Bevölkerung sexuelle Enthaltsamkeit bis zur Ehe propagieren. Damit ist das angestrebte Ziel von 135 Millionen US-Dollar bereits fast erreicht. Soviel erhalten nämlich jene Programme, die Verhütungsmittel bewerben. Die Regierung hatte bereits dieses Jahr insgesamt 135 Millionen US-Dollar veranschlagt, allerdings hat der Kongreß einige Streichungen durchgeführt. Die Regierung hat diese (Enthaltsamkeits-) Programme seit ihrem Amtsantritt stark zu fördern begonnen und ihre Unterstützung in den letzten beiden Jahren nahezu verdoppelt.

kath.net 30.3.03


Und noch eine erfreuliche Meldung, diesmal aus Frankreich:

Erwachsene werden getauft

Die katholische Kirche in Frankreich wird in der diesjährigen Osternacht insgesamt 2.374 Erwachsenentaufen (über 18-Jährige) vornehmen, wie die Französische Bischofskonferenz bekanntgab. Im Vergleich zum Vorjahr ist dies ein geringer Anstieg, da letztes Jahr nur 2.335 Erwachsene getauft wurden. Die Taufe von Erwachsenen und Heranwachsenden ist in den letzten zehn Jahren in Frankreich zu einer festen Erscheinung geworden, die der abnehmenden Zahl von Kindertaufen entgegensteht.... Die “neuen Katholiken" kommen zu einem Drittel aus christlichen Familien; ein Drittel kommt aus einem nichtgläubigen Umfeld; sechs Prozent sind muslimischer Herkunft; drei Prozent kommen aus östlichen Religionen; drei Prozent aus gemischter Tradition; ein Prozent ist jüdischer Herkunft und 15 Prozent haben eine spirituell “nicht näher bestimmte" Herkunft. 85 Prozent sind im Alter unter 40 Jahren, und 83 Prozent kommen aus städtischen Gebieten.

zenith.org 11.4.03


Auch Frauen an die vorderste Front!

Seit dem ersten Golfkrieg 1991 hat sich die geschlechtsspezifische Zusammensetzung der US-Streitkräfte verändert. Über ein Sechstel der heute im Irak eingesetzten Soldaten sind Frauen. ... Frauen werden heute nicht mehr nur in der medizinischen Versorgung und in der Logistik eingesetzt; es stehen ihnen auch kampfbezogene Truppenteile offen. So fliegen amerikanische Soldatinnen im Irak-Krieg auch Kampfjets und sind damit an vorderster Front im Einsatz. Über 200.000 Soldatinnen - rund 15 Prozent des aktiven Militärpersonals - stehen derzeit im Dienste der amerikanischen Streitkräfte. Der Frauenanteil liegt damit deutlich höher als bei Armeen anderer Staaten. In Großbritannien betrug er laut einer Studie des International Institute for Strategic Studies Ende 2000 7,9 Prozent, in Frankreich 8,6 Prozent, in Deutschland 1,8 Prozent...

Das “Defense Advisory Committee on Women in the Services", ein ziviler Beratungsausschuß für Frauen in der Armee, verlangt den uneingeschränkten Zugang für Frauen zu allen militärischen Posten. Da der Einsatz in Kampffunktionen häufig mit Karrierevorteilen verbunden sei, stelle der Ausschluß von Frauen aus diesem Bereich eine berufliche Diskriminierung dar.

Allerdings regt sich nicht nur innerhalb der Armee Widerstand. Auch in der öffentlichen Meinung stoßen Soldatinnen weiterhin auf Akzeptanzprobleme. ... Die Skepsis scheint vor allem darauf zurückzuführen sein, daß es für viele inakzeptabel ist, Mütter von kleinen Kindern in den Krieg zu schicken.

NZZ v. 15.4.03


Wir teilen nicht nur diese Skepsis, sondern finden es unfaßbar, daß man es als Fortschritt ansehen kann, Frauen in den Krieg zu schicken.

Was die Frauen anbelangt, haben wir zwei wichtige Hinweise gefunden, denen in der Öffentlichkeit viel zu wenig Beachtung geschenkt wird:

Keine Hormone in den Wechseljahren

Eine in den USA mit 16.000 Frauen durchgeführte Studie zur Hormonersatztherapie in den Wechseljahren wurde wegen nachgewiesener gesundheitlicher Gefahren im Mai 2002 abgebrochen. ... Nach der langjährigen doppelblind kontrollierten randomisierten Studie, der sogenannten Women's Health Initiative (WHI-Studie), zu den in den USA verwendeten Östrogen/Gestagen-Kombinationen wurde bekannt, daß diese Präparate das Risiko nicht nur für Brustkrebs um 26% erhöhen, sondern auch für Herzinfarkt um 29%, Schlaganfall um 41% sowie Thrombosen hervorrufen können.

Auch in Österreich und Deutschland wird sehr vielen Frauen geraten, Hormone gegen Beschwerden der Wechseljahre oder zur Vorbeugung von Herzkreislauferkrankungen und Osteoporose zu nehmen. Immerhin nehmen rund 30% der Altersgruppe (4,6 Millionen deutsche Frauen über 45 Jahren) Hormone ein, in dem Glauben eines überwältigenden Nutzens der Therapie. Eine breite öffentliche Reaktion auf die alarmierenden Ergebnisse dieser großen amerikanischen Studie oder gar öffentliche Stellungnahmen kritischer Gynäkologen stehen noch aus.

Befremdlich und wenig hilfreich für Frauen ist, daß sie bisher über diese Risiken kaum informiert wurden. Österreicherinnen wurden jahrelang in falscher Sicherheit gewogen. Fast jeder Frau wird zu Hormonen geraten, Vorteile werden einseitig betont und die Risiken verharmlost.

ITA-News (Inst. f. Technologiefolgen-Abschätzung) März 2003


Vorsicht ist auch geboten mit einer weiteren Errungenschaft, die immer noch als Inbegriff des Fortschritts für die Frauen gehandelt wird:

Warnung vor der Pille

Die Langzeiteinnahme oraler Kontrazeptiva erhöht das Risiko für Gebärmutterhalskrebs. Das meldet das Deutsche Ärzteblatt. Wissenschaftler der britischen Cancer Research Epideminology Unit in Oxford sowie der International Agency for Research on Cancer aus Frankreich haben laut des Blattes die Daten von 28 publizierten Studien analysiert, die insgesamt 12.500 Frauen mit Gebärmutterhalskrebs einschlossen. Das relative Risiko für Gebärmutterhalskrebs stieg mit zunehmender Einnahmedauer oraler Verhütungsmittel.

Verglichen mit Frauen, die noch nie hormonale Kontrazeptiva eingenommen hatten, betrage das relative Risiko zehn Prozent bei einer Einnahmedauer von weniger als fünf Jahren, 60 Prozent bei fünf bis neun Jahren, und es sei mehr als doppelt so hoch bei einer Einnahme über einen Zeitraum von zehn oder mehr Jahren, so die Forscher.

Pro-Life-Info v. 16.4.03


Endlich wieder mehr Hochzeiten

Nach dem außerordentlich starken Rückgang der Eheschließungen im Jahr 2001 kam es laut Statistik Austria im Jahr 2002 zu einem Anstieg. Die vorläufige Zahl der Eheschließungen betrug 36.306 und war damit um 2.395 oder 7,1 Prozent höher als im Jahr zuvor. Diese Zahl ist allerdings immer noch die drittniedrigste seit dem Ende des 2. Weltkrieges. Einen Anstieg der Zahl der Eheschließungen gab es zuletzt Anfang der 1990er Jahre.

Statistik Austrlia Presseinfo 7.785-35/03

Kein umwerfendes Ergebnis, aber man muß eben die Feste feiern, wie sie fallen.

© 1999-2024 Vision2000 | Sitz: Hohe Wand-Straße 28/6, 2344 Maria Enzersdorf, Österreich | Mail: vision2000@aon.at | Tel: +43 (0) 1 586 94 11