VISION 20006/2003
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Brauchen wir Christen denn überhaupt Maria?

Artikel drucken Wir haben den Sohn Gottes nur durch Seine Mutter (Von P. Dr. Karl Josef Wallner OCist)

Geht es nicht auch ohne Maria? Diese Frage ist durchaus drängend, denn so selbstverständlich ist die Verehrung der Gottesmutter auch bei uns Katholiken nicht mehr. Viele sagen kritisch: Wozu Maria und all dieses Getue um die Marienverehrung? Andere gehen noch weiter: Wozu überhaupt die Heiligen, wozu die Sakramente, wozu dieses ganze katholische Drumherum? Gehen wir doch direkt zu Gott, beten wir doch direkt zu Jesus.

Als kleiner Bub hat mich meine Großmutter in die Wiener Stadthalle zur Maria Namen-Feier mitgenommen. Schon als Kind hat mich das beeindruckt: die Stadthalle als Dom, vorne die hagere Gestalt des Pater Petrus Pavlicek, der den Rosenkranz vorgebetet hat, dann die dichte Atmosphäre des Gebetes. Am meisten hat mich fasziniert, als die weiße Statue der Muttergottes in langer Prozession herein- und hinausgetragen worden ist, und am Schluß vor allem das machtvolle Lied: “Schutzfrau Österreichs o Maria!"

Brauchen wir Christen Maria? Ich möchte am liebsten gar nicht theologisch reden, sondern euch einfach sagen: Probiert es doch einfach aus! Schaut hin auf die Unbefleckte Frau, laßt euch von Ihr lieben, nehmt sie zum Vorbild, ruft sie an - und ihr werdet merken, wie ihr plötzlich tiefere, gläubigere, bessere Christen werdet! Laßt einfach Maria euch beweisen, daß sie eure Mutter ist!

Denn was die Theologie zentral von Maria sagt, ist eigentlich sehr einfach und logisch: Wir brauchen Maria, weil wir Jesus Christus brauchen. Ich möchte das klar und deutlich sagen: die Kirche, ihre Heiligen, ihre Sakramente, ihre Ämter und Einrichtungen und sogar ihre oft so lästige Organisation: das alles hat einen einzigen Grund und Ursprung: Jesus Christus! Und wir haben den Sohn Gottes eben nur durch Maria! Ohne Mutter kein Sohn!

Wer Maria groß machen will, der wird von ihr selbst belehrt, zuerst und vor allem Gott groß sein zu lassen. Als Maria von Elisabeth gepriesen wird. “Gesegnet bist Du mehr als alle anderen Frauen...!, da antwortet Maria: “Meine Seele preist die Größe des Herrn - magnificat anima mea Dominum - und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter!" (Lk 1,46)

Maria gibt das Lob an Gott weiter: Gott soll großgepriesen werden. Ich frage: Ist damit nicht eigentlich das Grundübel unserer Zeit angesprochen? Ist nicht der Krebs, der Welt und sogar Christenheit zu zerfressen droht, das Vergessen auf die Wirklichkeit Gottes? Gott bedeutet so vielen Menschen nichts mehr.

Ja, aber Studien belegen doch, daß die Menschen immer religiöser werden, wird da eingewandt. Stimmt! Nach seriösen Untersuchungen bezeichnen sich immer mehr Menschen als “religiös". Die Frage ist aber: Was versteht man unter religiös? Als religiös bezeichnen sich doch Leute, die bloß annehmen, daß es halt irgendeine höhere Macht gibt. Für diese Haltung gibt es die Redewendung: “Irgendetwas wird es schon geben!"

Das Schlimme ist: Die meisten Menschen bleiben bei einem “Irgendetwas-Gott" stecken. Dieser “Irgendetwas-Gott" ist ein sehr bequemer Gott, denn “mit dem kann ich mir's schon selber ausmachen", wie die Leute sagen. Das heißt: Diesen “Gott" biege ich mir selbst zurecht und lege mir meine eigenen sittlichen und religiösen Anschauungen zu. Der “Irgendetwas-wird-es-schon-geben"-Gott soll mir nur ja nichts dreinreden in mein Leben. Meine Religion mache ich mir selbst. Und wenn ich etwas brauche, dann hole ich es mir aus der Esoterik.

Wir sehen: Bloß religiös zu sein, ist nicht genug. Ich kenne unter Jugendlichen Satanisten, die sich auch für “religiös" halten, weil sie ja auch “irgendeiner" höheren Macht huldigen.

Für uns Christen ist Gott nicht ein selbsterfundenes “Irgendetwas"! Sondern wir glauben an den wahren und lebendigen Gott. Christsein heißt, “den einzigen wahren Gott zu erkennen und Jesus Christus, den er gesandt hat" (Joh 17,3). Und hier kommt Maria ins Spiel: Durch sie ist Gottes Sohn Mensch geworden. Der Weg, wie sich Gott uns offenbaren wollte, führt über Maria, die Jungfrau von Nazareth.

Maria gehört daher in das Glaubensbekenntnis wie das Amen zum Gebet. Seit dem 2. Jahrhundert beten alle Christen: “Ich glaube an Jesus Christus, Gottes eingeborenen Sohn, unseren Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren aus der Jungfrau Maria."

Bitte halten wir das Unfaßbare und Entscheidende fest: Gott wollte sich so offenbaren und nicht anders. Er erwählte Maria zur menschlichen Mutter Seines menschwerdenden Sohnes.

Es geht bei der Muttergottes nicht um einen katholischen Spleen oder sentimentale Frömmigkeit, sondern um den springen Punkt unseres Glaubens. Die Frage, ob Gott bloß “irgendetwas" ist oder ob Er sich wirklich geoffenbart hat, ist die Frage, die alles entscheidet und von allen anderem unterscheidet.

Wir Menschen sind auf diesem blauen Planeten nicht wie Ameisen ausgesetzt, die ein bißchen herumkrabbeln, bis wir verenden und verwesen. Nein, Gott selbst - der unendliche, allmächtige und ewige - wollte in Seinem Sohn in diese Welt treten. Gott ist durch Maria real und angreifbar in die Welt eingetreten: Jesus Christus ist das konkrete Heil Gottes, nicht ein abstruses “Irgendetwas".

Maria hat sich ihre Rolle im Offenbarungsgeschehen nicht ausgesucht. Als sie in der Kammer von Nazareth angesprochen wurde, ist sie zutiefst erschrocken. Sie drängt sich nicht vor, sondern Gott holt sie aus der Verborgenheit hervor. Und dann hat Maria das getan, was wir heute dringend von ihr lernen müssen: Sie sagt absolut vollkommen Ja zu diesem Einbrechen Gottes in diese Welt, zu dem konkreten Heilsweg, den Gott wählen wollte! Anders gesagt: Maria hat sich nicht einen “Irgendetwas-Gott" konstruiert, sondern Gottes Wort so angenommen, wie es ist. Das macht sie zum Urbild aller Christen, das müssen wir von ihr lernen.

Maria zeigt uns: Ein halbes Ja zu Christus ist in Wirklichkeit gar kein Ja! Ein laues Christentum ist in Wirklichkeit ein verbrämtes Heidentum! Ein halber Glaube ist schon ein großes Stück Unglaube! Maria ist kein Detail oder Dekorationsstück unseres Glaubens, sondern sie schärft den Blick für das Zentrale.

Auszug aus der Predigt am 7. September 2002

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