VISION 20001/2004
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Wenn Christus in Herrlichkeit kommt

Artikel drucken Was die Kirche über das Ende der Zeiten wirklich lehrt (Von Urs Keusch)

Zahllose Bedrohungen verängstigen heute die Menschen. Durch Aussagen von Sekten verunsichert fragen viele: Naht das Ende der Welt, der Jüngste Tag? Wie ist das mit dem Weltgericht, dem Kommen des Herrn?

Viele freikirchliche Gruppierungen verkünden heute die Idee von einem 1000jährigen Friedensreich: Vor dem großen Weltgericht sollte Christus nochmals auf Erden erscheinen und mit seinen Heiligen in einem Reich des Friedens regieren. Nach diesem Reich würde eine ganz böse Zeit folgen und erst dann Christus als Weltenrichter erscheinen. Vor allem in Amerika, aber nicht nur dort, übt diese Vorstellung auf viele eine ungeahnte Faszination aus. Sie dringt auch in katholische Kreise ein.

Dazu ist folgendes zu sagen: Diese im Laufe der Kirchengeschichte immer wieder aufgeflackerte Vorstellung von einem 1000jährigen Friedensreich auf Erden (Chiliasmus, Millennarismus) wurde in der Kirche immer wieder als häretisch (irrgläubig) zurückgewiesen und vom Konzil von Ephesus (431) als häretisch bestätigt.

“Er wird wiederkommen, zu richten die Lebenden und die Toten." So bekennen wir im Credo. Und das wird am “Jüngsten Tag", am “Tag des Herrn" sein. Mit Tag des Herrn ist ein Ende der Welt gemeint, das nicht Menschen setzen, keine militärische Großmacht, kein ökologischer Exit, sondern Gott allein in Seiner Freiheit und Souveränität.

Wie Gott vor 2000 Jahren, als die Zeit erfüllt war (Gal 4,4), Mensch geworden ist, so wird Er an einem bestimmten Tag “im Glanze seiner Herrlichkeit" erscheinen. So wie Er gekommen ist, um die Saat der Wahrheit und der Liebe auszustreuen, so wird Er wiederkommen, um mit seinen Engeln diese Ernte einzubringen (Mt 13,36-43).

Er wird wiederkommen, diesmal nicht “in des Fleisches armer Hülle", sondern unverhüllt in Seiner ganzen Gottheit und Schönheit. Und dieses Offenbarwerden des Herrn, der verborgen anwesend ist in Seiner Kirche, in den Sakramenten, in den geheiligten Christen, aber auch in der ganzen Schöpfung: dieses Offenbarwerden wird der Tag des Gerichtes sein. Dann wird es das Dunkel des Glaubens nicht mehr geben, sondern wir werden Ihn sehen wie Er ist (1 Joh 3,2).

Es wird auch keine Finsternis mehr geben, in die der Mensch sich einhüllen kann. Jeder Mensch und die ganze menschliche Geschichte, in die wir alle mit unserem Leben und Schicksal hineinverwoben sind, werden dann unverhüllt dem Licht der Mittagssonne des verherrlichten Christus ausgesetzt sein. “Das Werk eines jeden wird dann offenbar werden." (1 Kor 3,13)

Die Bibel denkt und redet immer von diesem Ende her. “Bei allem, was du tust, denk an das Ende" (Sir 7,36). Auch Christen leben von diesem Ende her. Denn seit Christus erschienen ist, verstehen wir die Zeit zwischen Seiner Himmelfahrt und seinem Offenbarwerden am Ende der Zeit als einen einzigen großen Advent “und erwarten tapfer im Glauben die selige Hoffnung und die Ankunft der Herrlichkeit unseres großen Gottes und Erlösers Jesus Christus" (Lumen Gentium).

Wann ist es soweit? Und wie haben wir uns das vorzustellen?

Wir sollten es uns nicht vorstellen wollen! Das alles übersteigt unser Vorstellungsvermögen. Hier geschieht Göttliches und nicht Menschliches. Und wir sollten uns nicht mit Spekulationen von dem einen Notwendigen abbringen lassen: der werktätigen Liebe. Denn nach den Werken unserer Liebe werden wir ja gerichtet (Mt 25,49).

Wir wissen auch nicht, wann der Herr kommt. Aber wir wissen, daß wir jeden Tag mit Ihm rechnen sollen (Mt 24,43-44).

Wir wissen, daß wir seit Christi Erscheinen in der Endzeit leben: daß seither die “Enthüllung" (Apokalypse) im Gange ist. Daß wir seither auf Christus zugehen und Er auf uns.

Aber leben wir denn nicht in der letzten Phase der Endzeit? Stehen denn nicht alle die großen und schrecklichen Dinge unmittelbar bevor?

Das kann durchaus sein, doch wissen wir nicht, was noch alles kommen kann, zu welchen Steigerungen das Böse noch fähig sein wird! Vor über 150 Jahren schrieb der große englische Kardinal John Henry Newmann ein Büchlein mit dem Titel Antichrist. Dieser so besonnene, große Denker war sich ziemlich sicher, daß alles unmittelbar bevorstehe. Er konnte sich nicht vorstellen, zu welch gigantischen apokalyptischen Steigerungen die Welt noch fähig ist. So erging es auch dem russischen Philosophen Wladimir Solowjew, einem Zeitgenossen Newmanns.

So aber erlebten wir im 20. Jahrhundert eine Christenverfolgung, die jede Vorstellung übersteigt. (27 Millionen Märtyrer!) Seit über 50 Jahren vollzieht sich ein Glaubensabsturz, den niemand für möglich gehalten hätte. In Israel sammeln sich die Juden aus der ganzen Welt, was so niemand zu träumen gewagt hätte.

Das Antichristliche hat die Gesellschaft in einem Maße ergriffen, daß es einen schaudert. Und ob “bald" noch eine Zeit anbrechen wird, wo ein Anti-Christus oder eine Antichrist-Weltregierung die Welt beherrschen und die Welt von allem Christlichen “desinfizieren" wird - alles ist möglich geworden in einer Welt und in einer technischen Kultur, die ihre Verbindung zur höheren Welt verloren hat.

Es gibt aber auch noch eine andere Sicht der Dinge: Viele sprechen heute - vor allem aus der Sicht von Fatima - von einer Zeit des Friedens, die für die Kirche anbrechen wird, von einem “Triumph der Kirche". Auch der Papst macht immer wieder solche Andeutungen. Sollte das Blut der 27 Millionen Märtyrer umsonst geflossen sein?

Allerdings dürfen Christen unter Triumph nie etwas im weltlichen Sinne Triumphales verstehen. Ist unser Papst nicht ein Triumph der Kirche, ein Wunder der Immaculata? Ist der Triumph nicht schon im Gange?

Wir dürfen auch nie vergessen, daß die Weltgeschichte nicht nach einem ewigen und starren Fahrplan abläuft, sondern mitgestaltet wird von den Menschen, die glauben und beten und Umkehr tun.

Die Heiligen auf Erden sind nicht nur Sand im Getriebe einer von Gott losgelösten Welt, sie erreichen mit ihrem guten Willen das Herz des Vaters im Himmel und Sein Erbarmen. (Ninive!) Sie schaffen Wunder in dieser Welt. Ob eine Zeit des Friedens oder des Schreckens anbricht, hängt weitgehend von uns Christen ab. “Die Menschheit steht heute an einem Scheideweg wie nie zuvor." (Papst Johannes Paul II.) Wie die Geschichte der Welt verlaufen wäre, hätte es Fatima nicht gegeben und die Millionen betenden, büßenden und sühnenden Menschen, kann man nur erahnen.

Daß die Welt nicht längst in einem Atomkrieg untergegangen ist, bezeichnen viele Große der Welt als einziges Wunder.

Wir wissen vieles nicht und sollen es auch nicht wissen. Und was wir zu unserem Heil wissen sollen, das wird uns zur rechten Zeit auch gesagt und gewiesen werden, wenn wir im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe ausharren bis ans Ende.

Tatsächlich wurde uns durch die Kirche bereits vieles gesagt. Ich denke da vor allem an die heilige Faustyna Kowalska und ihre Mission: Papst Johannes Paul II. hat sie am Weißen Sonntag im Heiligen Jahr 2000 heiliggesprochen. Mit dieser Heiligsprechung hat die Kirche das große Anliegen und die Sendung dieser Heiligen aufgenommen, nämlich das Fest der Barmherzigkeit Gottes für die ganze Kirche einzuführen. Und damit ist das weltgeschichtlich (und apokalyptisch) so Bedeutsame dieser Sendung ins Licht gerückt worden.

Denn an 12 Stellen spricht die Heilige ausdrücklich von der Wiederkunft des Herrn und zwar in einer Weise, die einmalig ist. Auch sie spricht in diesem Zusammenhang von einem Triumph der Kirche, wenn sie schreibt: “Ich wünsche, daß der Triumph der Kirche beschleunigt wird, daß das Fest der Barmherzigkeit auf der ganzen Welt begangen wird." Danach stehen wir bereits in der Zeit des Triumphes der Kirche, von dem wir oben gesprochen haben.

So sagt Christus zur Heiligen Faustyna: “Du wirst die Welt auf meine endgültige Wiederkunft vorbereiten." Und in ihren Tagebuchaufzeichnungen heißt es: “Er wünscht, daß es alle erfahren, bevor Er als Gerechter Richter kommt."

An anderer Stelle schreibt sie: “Denn bald werden wir Ihn alle sehen, wie Er ist." Dann sagt Christus zu ihr an verschiedenen Stellen: “Möge die Menschheit meine unergründliche Barmherzigkeit kennen lernen. Das ist das Zeichen der Endzeit. Danach kommt der Tag der Gerechtigkeit... Künde den Seelen von meiner großen Barmherzigkeit, denn der furchtbare Tag ist nahe, der Tag meiner Gerechtigkeit... Ehe ich als gerechter Richter komme, öffne ich weit die Tür meiner Barmherzigkeit ...Vor dem Tage der Gerechtigkeit sende ich den Tag der Barmherzigkeit ..."

Als die Heilige einmal für ihr Land Polen betet, hört sie die Worte sprechen: “Aus ihm wird ein Funke hervorgehen, der die Welt auf mein endgültiges Kommen vorbereitet." Ist das nicht alles nun im Gange? Wer Augen hat, der sehe!

Das Leben der heiligen Faustyna war ein einziges Martyrium um das Erbarmen der Liebe Gottes für eine verlorene Welt. Sie hat gebetet, gelitten und gerungen, daß das Fest der Barmherzigkeit Gottes bald eingeführt werde. Nun ist es uns geschenkt.

Wir sollen diese große Gnade ergreifen und verstehen, daß die Geschichte der Menschheit in einem dramatischen Finale ihrem Ende zudrängt und daß wir in einer Zeit leben, wo der Herr in Seinem Erbarmen die Netze Seiner Barmherzigkeit nochmals über die ganze Welt auswirft, um vor Seinem Kommen als Richter der Welt viele für Sein Reich der Liebe und des Friedens zu gewinnen. “Ich gebe der Menschheit den letzten Rettungsanker - die Zuflucht zu meiner Barmherzigkeit."

Wer um die Gnade dieser unserer Zeit weiß, wird sich angesichts der Bedrohungen unserer Zeit nicht ängstigen und fürchten wie jene, die keinen Glauben haben. Er wird vielmehr sein Haus, seine Kinder, seine Familie ins Herz des erbarmenden Erlösers hineinbauen, wie Jesus das im Werk der Heiligen Faustyna so sehr wünscht.

Er wird in der Kraft und in der Freude seines Vertrauens seinen täglichen Pflichten und Aufgaben treu bleiben. Ja, er wird aus diesem Vertrauen heraus und aus Liebe zu den Kindern an einer besseren Zukunft der Welt mitbauen, sodaß der Herr ihn wachend findet, wenn Er wiederkommt (Mt 24).

Ich möchte mit einem Gebet der heiligen Faustyna schließen:

“Möge uns die Allmacht Deiner Barmherzigkeit vor Angriffen der Feinde unserer Erlösung beschirmen, damit wir vertrauensvoll, wie deine Kinder, auf dein endgültiges Kommen warten.

Dieser Tag ist allein Dir bekannt, doch wir erwarten, daß wir alles erhalten werden, was uns Jesus versprochen hat - und das trotz unseres ganzen Elends -, denn Jesus ist unser Vertrauen. Wir schreiten durch Sein barmherziges Herz wie durch ein geöffnetes Tor in den Himmel."

Der Autor ist Priester und wohnt in der Schweiz. Die Zitate sind dem “Tagebuch der Schwester Faustyna", Parvis-Verlag, CH-1648 Hauteville/Schweiz entnommen.

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