VISION 20002/2004
« zum Inhalt Schwerpunkt

Für viele meiner Schüler wurde ich zum Guru

Artikel drucken Rückblick auf 20 Jahre als Yogalehrerin

Vor 30 Jahren - ich hatte damals große Gesundheitsprobleme - habe ich mich ins Yoga gestürzt. Sehr rasch war ich begeistert von den Atemübungen, der Energie, die sie in mir entfachten, und von einem gewissen inneren Gleichgewicht. Es war vor allem die Sehnsucht nach etwas Neuem, die Faszination eines ganz neuen Universums. “Ich und der Kosmos" - das war etwas anderes als meine über-drüber christliche Erziehung.

So habe ich also Veden-Kurse belegt, wie man die Bibel studiert. Und ich fing an, Mantras zu singen, ohne darauf zu achten, was das bedeutete. Es wirkte noch beruhigender als gregorianische Gesänge. Schließlich habe ich mich in die damals eben erst gegründete französische Yoga-Vereinigung einschreiben lassen, um Yoga-Lehrerin zu werden.

Ich ging weiterhin sonntags zur Messe, aus Gewohnheit. Meine eigentliche Leidenschaft aber war nun Indien. Mit ganzer Inbrunst betrieb ich Yoga. Ich habe sogar - ohne besonders daran zu glauben - zu Shiva und Vishnu gebetet. (...)

Für vieles andere habe ich mich interessiert, einfach um zu sehen, wie das ist. Für die Astrologie - aber das schien mir zu kompliziert; für okkulte Kräfte - glücklicherweise waren jene, die mich da einführen sollten, unbegabt, und ich bin nicht weit gekommen. Dafür habe ich lange Zeit das Tarot-Karten-Legen, sehr beliebt für die Zukunftsdeutung, praktiziert. Nur um zu zeigen, wie meine Leidenschaft für das Yoga mich rasch wie auf Schienen gesetzt hat... Man ist mehr und mehr versucht, immer wieder anderes zu versuchen, so berauschend wirkt all das!

Sie können sich vorstellen, um wieviel mehr das heute fasziniert, mit dem ganzen New Age. Selbst mein Mann, der mir verboten hatte, nach Indien zu fahren, konnte mich nicht davon abhalten, einen Monat bei philippinischen Heilern zu verbringen.

Yoga blieb jedoch die einzige Disziplin, die ich wirklich konsequent betrieben habe, und das 20 Jahre hindurch: täglich eine Stunde für mich selbst und vier bis sechs Stunden Unterricht. Für viele meiner Schüler - in der Mehrzahl Frauen, älter als ich, einige haben mich 20 Jahre begleitet - wurde ich zum Guru...

Nachdem ich Yoga immer eher vernünftig praktiziert habe, erlebte ich eigentlich keine wirkliche Panne. Allerdings passierte es, daß ich in einen anderen Bewußtseinszustand geriet, richtig schwebte - und lange brauchte, um wieder Boden unter die Füße zu bekommen. Yoga ist nicht ganz ungefährlich. Man spricht mehr oder weniger darauf an, aber es führt zu sehr realen physiologischen und psychischen Veränderungen.

Wenn ich jetzt mit dem Yoga aufgehört habe - es war vor mehr als zwei Jahren -, so beruht dies auf einer langen geistigen Entwicklung, die nicht ohne innere Kämpfe ablief.

Ich hatte Video-Kassetten mit dem Zeugnis von Dr. Bernard Bastian und P. Jacques Verlinde über Yoga gesehen. Zunächst habe ich deren Ausführungen zutiefst abgelehnt: “Die haben nichts verstanden! Woher nehmen sie das Recht, so etwas zu sagen!" Aber mit der Zeit spürte ich, daß sie den wunden Punkt getroffen hatten.

Diese beiden Zeugnisse, sowie verschiedene andere Begegnungen, haben mir bewußt gemacht, wie sehr Yoga mein ganzes Leben erfaßt hatte. Das eher diffuse Gefühl, im kosmischen Ganzen aufzugehen, mit all diesen kosmischen Energien, die mich erfaßten und die ich in mir erwecken mußte, um sie zu beherrschen - all das verhinderte jedes wahre spirituelle Leben in mir, jede Art von persönlicher Beziehung zu Jesus.

Mein Christentum war sehr intellektuell geworden. Und als ich anfing, dem Gebet und der eucharistischen Anbetung den ersten Platz einzuräumen, habe ich gespürt, wie sehr mich mein Yoga behinderte. Ich war nur mehr auf mich zentriert, rechnete nur mit den eigenen Kräften, um das Leben zu meistern. Es war immer “Ich, ich ... dank des Yoga".

Haben Sie Sehnsucht nach Stille, nach Innerlichkeit? Dann gehen Sie von sich weg und auf Gott zu, nehmen Sie sich Zeit und lassen Sie sich von Ihm lieben und zur Ruhe bringen. Und sollten Sie sich als “Abenteurer des Absoluten" fühlen, keine Angst: Mit Ihm wird Ihnen nicht langweilig, wenn Sie das Evangelium beim Wort nehmen.

Marie-Madeleine Fontannaz

Auszug aus “Famille Chrétienne" v. 10.3.94

© 1999-2024 Vision2000 | Sitz: Hohe Wand-Straße 28/6, 2344 Maria Enzersdorf, Österreich | Mail: vision2000@aon.at | Tel: +43 (0) 1 586 94 11