VISION 20006/2005
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Jesus - das vollkommene Bild des Mannes

Artikel drucken Über die Notwendigkeit und den Weg zu einem erneuerten Leitbild des Mannes (Von Urs Keusch)

Als Abbilder Gottes konzipiert, haben Männer im Verlauf der gesamten Geschichte durch ihre von der Sünde geprägte Gebrochenheit ihre Macht mißbraucht und damit anderen den Zugang zu Gott verstellt. Jesus Christus ist der Weg zur Heilung auch dieser gebrochenen Männlichkeit.

In den Schauungen zur Schöpfung bei der heiligen Hildegard von Bingen und der seligen Anna Katharina Emmerich wird Adam als ein unfaßbar schönes, würdevolles, ja göttliches Wesen beschrieben, an dem es nichts Rohes, Gemeines, Ungeduldiges, Zügelloses gibt, wie es sich oft auf Männergesichtern in Spuren oder auch in groben Zügen zu erkennen gibt.

Das Angesicht Adams spiegelt den Glanz und die Schönheit des Göttlichen wider, die Kraft, die Herrlichkeit und die Hoheit seines Ursprungs. Auch Michelangelo hat dieses schöne Bild Adams geschaut und versucht, es im Fresco der Sixtinischen Kapelle darzustellen.

Mit der Sünde am Ursprung der Menschheitsgeschichte ging auf Adams Gesicht viel von diesem göttlichen Glanz verloren. Mit dieser Sünde fing der Weg des Menschen an, der ihn seines göttlichen Ursprungs entfremdet und in ihm das ursprünglich schöne göttliche Bild oft bis zur Unkenntlichkeit entstellt.

Dann vergißt der Mensch seine Herkunft, er verliert seine innere Würde und erkaltet in der Liebe. Und “wer das Göttliche in sich nicht fühlt, ist nur halb Mensch", sagt Pestalozzi. Dann wird der Mensch, der Mann geboren, von dem der heilige Franz von Sales einmal sagt: “Der religiös kalte Mann ist wie ein wildes, ungebändigtes und rohes Tier."

Jeder Mann hat etwas von diesem wilden, ungebändigten und rohen Tier an sich, solange er Christus und Seiner Gnade fernsteht. Der Mann mit seinem Überschuß an erobernden Kräften ist in einem unvergleichlich stärkeren Maß als die Frau in Gefahr, immer wieder der rohen Tierheit zu verfallen. Darum hat er so viele Kriege geführt, so viel getötet, gebaut und niedergerissen, so viele Revolutionen angezettelt, so viel Liebe mißbraucht, Liebe und Seelen vergewaltigt. Darum hat die Frau unter dem Mann und seinem Machtwillen durch die ganze Menschheitsgeschichte hindurch viel gelitten bis auf den heutigen Tag.

Doch “wo die Sünde mächtig wurde, da ist das Erbarmen übergroß geworden" (Röm 5,20). Gott ließ sich von der Sünde des Menschen nicht überwinden, sondern Er “hat die Welt so sehr geliebt, daß er seinen einzigen Sohn dahingab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben (Joh 3,16). In Christus ist uns der neue Adam erschienen, wie Paulus verkündet, der alles neu macht (Röm 5,14).

In Christus erstrahlt das vollkommene Bild, das der Schöpfer hatte, als Er Adam erschuf. In Christus ist das göttliche Bild des Mannes vollendet dargestellt. Keine Sünde griff an Sein Herz, keine Versuchung gewann Macht über Ihn, kein Schatten des Bösen verunreinigte Sein inneres Bild. “Du bist der Schönste von allen Menschen, Anmut ist ausgegossen über deine Lippen; darum hat Gott dich für immer gesegnet (Ps 45,3).

Das erklärt auch Seine wunderbare Macht über die Seelen, Seinen ergreifenden und tröstenden Einfluß gerade auf das weibliche Gemüt, die Gefolgschaft und Treue so vieler Frauen auf Seinem Weg bis hin zu Seiner Verwerfung und Tötung.

Jesus ist in Seiner menschlichen Erscheinung der vollkommene Mann. “Lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und demütig von Herzen (Mt 11,29).

Lernt von mir! Welcher Mann könnte je so von sich sprechen! Es sind die einzigen Worte, die Jesus so direkt über sich selber spricht. Darum sind sie so einzigartig und so kostbar. Darum wurden sie in der christlichen Spiritualität so heilig gehalten.

Die ganze Spiritualiltät eines heiligen Franz von Sales zum Beispiel gründet auf dieser Selbstaussage Jesu. Ja, Franz von Sales selbst in seiner jähzornigen und leidenschaftlichen Veranlagung hat sich danach gebildet, hat sich in dieses Bild umgebildet und von der Gnade Christi so umbilden lassen, daß Leute, die ihn sahen, glaubten, in ihm den Herrn selbst zu sehen.

Und in solcher besänftigten und veredelten Männlichkeit, in seiner Liebe und in seinem Mitgefühl für die Schwächen und Leiden der Menschen wurde Franz von Sales zum verständnisvollsten Seelenführer von Tausenden von Frauen und Männern. Darum zählen seine Werke noch heute zum Hilfreichsten und Ermutigendsten in der Seelenführung für alle - Männer und Frauen -, die sich nach innerem Heil und Heiligung, nach der Neuwerdung ihres inneren göttlichen Bildes sehnen.

Christus ist nicht bloß das Bild, nach dem sich der Mann (und die Frau) bilden soll, wie wir an Franz von Sales sehen. Er ist unendlich mehr. Er ist der Weg zu diesem Bild, der lebendige Weg (Hebr 10,20). Er ist die Kraft, diesen Weg zu gehen. Er ist die Gnade, zu diesem Bild zu finden und selbst in dieses Bild umgestaltet zu werden. Dieses Wunder der Neuwerdung, der Neuschöpfung (2Kor 5,17) können wir an ungezählten herausragenden Gestalten bestaunen.

Denken wir an Paulus, der nach Jahren des Umschmelzungsprozesses im Feuer der Liebe Christi von sich sagen konnte: “Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir" (Gal 2,20). Denken wir an Aurelius Augustinus, an einen Charles de Foucauld, an ungezählt viele andere Männer - zerrissen, getrieben und versklavt an ihre Leidenschaften -, die Christus an der Hand genommen und hineingeführt hat in das Geheimnis des neuen und erlösten Menschen.

Ja, Christus hat die Macht, nicht nur Brot in Seinen Leib zu verwandeln, sondern “wilde Tiere" in Menschen, rücksichtslose, ungeduldige Energie in aufbauende Kräfte. Er zähmt und verwandelt. Er bändigt und besänftigt. “Siehe, ich mache alles neu" (Jes 43,19). Diese wunderbare Seite des Christentums hat einen solch tiefen Eindruck auf den freigeistigen Pädagogen Friedrich Wilhelm Foerster gemacht, daß er selbst Christ geworden ist und seine ganze Pädagogik auf die christliche Seite hin geöffnet und neu geordnet hat. Ergriffen von der Wirkung der Gnade Jesu im konkreten Leben der Menschen schreibt er einmal:

“Christus hat in allen Jahrhunderten und in allen Völkern ungezählt Tausenden ein neues Leben verliehen, aus Sündern Heilige, aus Verbrechern Bekehrte, aus Zweiflern Gläubige gemacht und Zerrissenen die Einheit wiedergegeben. Wer von all den Großen der Menschheit hat jemals Trostlosen echten und dauernden Trost spenden können? Von Christus aber geht unablässig durch die Jahrhunderte hindurch Balsam in Millionen verlassene und gequälte Seelen - wahrlich, dies alles ist das Evangelium aeternum (das ewige Evangelium) und legt Zeugnis ab für eine übermenschliche, unvergleichliche Kraftquelle, es ist der lebendige Beweis von einem übermenschlichen Leben und bliebe als solche bestehen, wenn alle anderen Zeugnisse auf Mythos beruhen würden."

Ja, wunderbar ist Christus in Seiner Sehnsucht, uns Menschen Sein neues Leben und das ursprünglich schöne Bild, nach dem wir geschaffen sind, zu schenken und uns in nie versiegender Geduld aus den “wilden und wogenden Wassern" (Ps 124,5) oft so ungezähmter und entarteter Triebe und Leidenschaften herauszureißen und an sicheres Ufer zu retten!

In Christus Jesus ist dem Mann ein vollkommenes Bild geschenkt, nach dem er sich in Geduld bilden kann. In Ihm hat er einen Bruder, der mitfühlen kann mit unserer Schwäche, “der in allem wie wir in Versuchung geführt worden ist, aber nicht gesündigt hat" (Hebr 4,15).

In Christus hat der Mann einen Freund, der ihm die Hand entgegenstreckt, wenn er zu sinken droht. In Christus findet der Mann jenes Erbarmen und jene erbarmende Ermutigung, die ihn in seinem Ringen und Kämpfen um die Gestaltwerdung des neuen Menschen nicht entmutigen lassen, auch wenn sein Ringen und Leiden viele Jahre, ja vielleicht Jahrzehnte dauern sollte.

In Christus selbst, in Seiner erbarmenden Liebe und in Seiner seligen Nähe wird der Mann seinen Lohn haben, wenn er den Weg der Tugend beharrlich geht. Und er wird auch als Gatte, als Vater, als Geschäftsmann überall Segen ernten.

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