VISION 20002/2007
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„Mir wurde klar: In ihr wirkt ja der Geist Gottes "

Artikel drucken Ein lauer Christ entdeckt die Schönheit der Kirche

Es ist völlig außer Mode, die Kirche zu mögen, bestenfalls wird sie beachtet - das ist jedenfalls der Eindruck den man bei der Lektüre von Zeitungen oder beim Fernsehen gewinnt.

Ich bin aber nicht so modern, wie man anscheinend zu sein hat. Darum wage ich es, die Kirche zu lieben, und das noch dazu mit gutem Grund. Absurd, nicht wahr?

Ich gebe aber zu, daß das nicht immer so war. Als Kind hatte ich das Glück, so etwas wie einen katechetischen Unterricht in der Heimatpfarre zu bekommen; nicht viel zwar, aber immerhin. Man nannte das damals “Seelsorgestunden". Heute weiß ich, daß mich das in den Jahren, da ich mich mit der Kirche durchaus “anlegte", vor mancher Dummheit gerettet hat.

Denn als ich jung war, betete ich genauso wie viele andere die Vorurteile nach, die es damals, vor 40, 50 Jahren, ja auch gab (wenngleich z. T. andere als heute), ohne nach deren Wahrheitsgehalt zu fragen. Nebenbei bemerkt: Die Vorurteile von heute sind auch nicht wahrer als die früheren geworden.

Wie auch immer. Das bißchen Glaubenswissen half mir, wenigstens so etwas wie ein Sonntagschrist zu bleiben. Während meiner Studienzeit und als Organist in einer Wiener Kirche lernte ich Priester kennen, die - trotz mancher menschlicher Schwächen - viel Geduld mit mir hatten. So war mein Verhältnis zur Kirche zwar immer einigermaßen korrekt, aber - bis auf die “Pflichterfüllung" leer.

Erst als Familienvater begann ich, ziemlich unbewußt, aber immerhin, den Kindern das Wenige, was in mir war, weiterzugeben. Ich wollte auch, daß die Kinder mehr religiöse Beziehung aufbauen könnten, als in mir war. Aber als meine Familie dann in die Umgebung von Wien zog, holte ich mir gleich einmal sehr kalte Füße, als ich den Ortspfarrer naiv nach den “Seelsorgestunden" fragte. Seine Antwort war dermaßen rüde ablehnend, daß mir die Worte fehlten. 22 Jahre lang gab es keinen sinnvollen Kontakt mehr - ich hatte mich unverzeihbar “geoutet", wie man so schön sagt.

Also pilgerten wir Sonntag für Sonntag nach Wien zur Messe. Wie lächerlich das für manche heutige Ohren sein muß, wurde mir erst vor kurzem klar gemacht, als sich ein Bischof (!) über den “Meßtourismus" gewisser Leute mokierte. Ich war jahrzehntelang ein “Meßtourist" - bis heute.

1994 kam der entscheidende Durchbruch. Eine Gemeinschaft, die Jüngergemeinschaft der Kalasantiner, fand mich (ja, sie lesen richtig, sie fand mich). Zum ersten Mal lernte ich Laien kennen, die von echter innerer Freude (ohne zu frömmeln!) über den Glauben erfüllt waren.

Ab dieser Zeit begann ich - vor allem, als der neue Weltkatechismus erschien - mich mit der Kirche zu beschäftigen. Zugegeben, es war bisweilen mühsam, geeignetes Studienmaterial zu finden und durchzuarbeiten. Aber die Mühe lohnte sich. Viele der immer noch gepflegten Vorurteile lösten sich in nichts auf, als ich die historische Wahrheit entdeckte.

Ich erfuhr erstmals von den zahllosen, unendlich mühsamen Anstrengungen (und auch so manche Gründe für die Niederlagen und das Versagen) der Kirche, die Lehre des Evangeliums möglichst rein zu erhalten und weiterzugeben; ich las z.B. von der erschütternden Entwicklung des Glaubensbekenntnisses, das wir so oft beten, ohne uns viel dabei zu denken; ich erkannte, wie schwer es war, durch all die Jahrhunderte massive Anfeindungen und Zerstörungsversuche abzuwehren - wenngleich für heutige Begriffe bisweilen auf etwas bedenkliche Weise.

Aber mir wurde gleichzeitig klar, wie absurd und höchst unanständig es ist, immer auf wirkliche und angebliche historische Fehler hinzuweisen und der Kirche vorzuwerfen.

Wer würde es denn nicht zu Recht als überaus unfair empfinden, würde man ihm die Fehler seiner eigenen Vorfahren andauernd vorwerfen? Und ihn, den gegenwärtigen Menschen, danach messen?

In mir begann eine tiefgreifende Wandlung. Ich erahnte, was es heißt, daß die Kirche der Leib Christi sei; daß Christus das Haupt ist, der Leib aber immer noch geschunden wird. Vom Anfang an bis heute. Ich begriff auf Grund von Fakten, daß es ohne den Geist Gottes, der sie durch die Zeiten hindurchtrug, schon längst keine Kirche mehr gäbe.

Erschüttert las ich von Menschen, die alles, was sie hatten und waren, einsetzten, um der Kirche zu helfen, den Menschen den Glauben unverfälscht weiterzugeben; die beitrugen, die so menschliche Kirche immer wieder im Geiste Jesu zu erneuern: der hl. Benedikt, Franz von Assisi, Katharina von Siena, usw. Ich las Zeugnisse von Menschen, die - um ein wenig “aktueller" zu werden - in der Zeit des Nationalsozialismus lieber ihr Leben gaben, als die Kirche, ihren Glauben zu verraten: von Otto Neururer, Jakob Gapp, Franz Jägerstätter, Sr. Restituta Kafka, Nikolaus Groß, um nur einige wenige zu nennen. Für einen Karl Leisner war die Krönung seines Lebens die Priesterweihe und Feier einer einzigen (!) Heiligen Messe im KZ!

Es gäbe viele Beispiele zu nennen, das 20. Jahrhundert hat eine unfaßbare Zahl von Märtyrern aufzuweisen - aber keine, die andere mit in den Tod rissen ... Was ging in Menschen vor, die mit allem, was sie waren, für ihren Glauben, für ihre Kirche einstanden? Das waren doch keine Narren, Eiferer, Fanatiker, Fundamentalisten, Dummköpfe!

In dieser Zeit der intensiven Beschäftigung sowohl mit der Bibel, der Lehre der Kirche als auch mit ihren guten Früchten begann etwas für mich völlig Ungewohntes zu entstehen: eine völlig neue Sicht des Glaubens. Ein Erfassen des Ringens der Kirche und der Blick auf eine Wolke von Zeugen ließen in mir - ich schäme mich nicht, das zu sagen - eine tiefe Liebe entstehen; eine Freude, gerade dieser Gemeinschaft angehören zu dürfen, die mir trotz aller menschlichen Unzulänglichkeiten ein Jesus-Bild schenkt, das Hoffnung ist - jenes Jesus, der zwar sowohl in der Kirche als auch außerhalb, in der Welt, bis heute angefeindet und geschunden, gequält, verleugnet und gekreuzigt wird - und der doch die einzige Hoffnung, die wahre Zukunft ist.

Nein, ich schäme mich nicht, das zu sagen: Ich liebe die Kirche, weil sie mir, weil sie uns allen Jesus Christus, den Erlöser, ganz nahe bringt.

Wolfgang Stadler

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