VISION 20003/2007
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Sie warten noch auf den Messias

Artikel drucken Wenn ein Jude Katholik wird

Roy H. Schoeman, Autor von “Das Heil kommt von den Juden" (Besprechung hier bei "Lesenswerte Bücher") ist vor einigen Jahren vom Judentum zum Katholizismus konvertiert. Im Interview spricht er über sein Buch und seine eigene Glaubensgeschichte.

Haben sich Ihre Familie und Ihre rabbinischen Lehrer mit Ihrer Konversion abgefunden?

Roy H. Schoeman: Da meine Familie noch nicht die Gnade der Bekehrung erfahren hat, muß sie meinen Glauben an Christus für einen Irrtum halten. Sie sieht mich als einen, der vom rechten Glauben abgefallen ist. Für meine Familie ist das eine Tragödie, aber das hindert sie nicht daran, mich weiterhin als Sohn und Bruder zu lieben. Der Rabbi meiner Heimatstadt hingegen hat feindlich auf meine Konversion reagiert, Verwünschungen eingeschlossen. Mittlerweile allerdings ist er gestorben und weiß jetzt auch, daß Jesus der Messias ist.

In Ihrem Buch übertragen Sie Ihre eigene Erfahrung auf das Judentum allgemein. Demnach ließe sich die Heilsgeschichte des jüdischen Volkes nur verstehen, wenn man Jesus als den verheißenen Messias anerkennt. Jüdische Theologen sehen das anders...

Schoeman: Zuerst einmal muß ich widersprechen. Ich übertrage nicht meine eigene Erfahrung auf die jüdische Theologie. Es gibt eine objektive Wahrheit. Entweder war Jesus Gottes Sohn, dann ist das heutige Judentum einem tragischen Irrtum verfallen. Oder Er war es nicht, dann haben die Christen Unrecht. Beide können nicht im Recht sein. Natürlich haben jüdische Theologen eine andere Sicht auf die Rolle des Volkes Israel in Gottes Heilsplan, denn sie warten ja noch auf den Messias. Das Anliegen meines Buches ist es daher, die jüdische Theologie neu zu beleuchten, und zwar mit dem Licht der Wahrheit, die im katholischen Glauben begründet liegt.

Wie stark ist die messianische Idee im heutigen Judentum ausgeprägt?

Schoeman: Im Gegensatz zur katholischen Kirche kennt das Judentum kein Lehramt, keine Autorität, die im Namen aller Juden spricht. Deshalb gibt es auch ganz verschiedene Ausprägungen der messianischen Idee im heutigen Judentum. Streng religiöse Juden zum Beispiel erwarten sehnlichst einen personalen Messias - ganz so, wie zur Zeit Jesu. Liberale Juden wiederum haben oft gar keine konkrete Messiasvorstellung mehr. Sie erwarten eine schrittweise Verbesserung der Welt, wobei das jüdische Volk wohl als Modell, als “Licht der Welt" dienen soll

Sie stellen den Schwierigkeiten der jüdischen Theologen mit der Einordnung des Holocaust Texte von Edith Stein und Sr. Faustyna gegenüber. Wo liegen da die theologischen Unterschiede?

Schoeman: Das Judentum kennt keine Theologie des Leidens. Jedenfalls ist im Alten Testament davon kaum die Rede. Die wichtigste Erklärung für das Leid ist im Buch Hiob enthalten und lautet ungefähr so: Wir leiden, egal ob wir es verdienen oder nicht. Wir verstehen das nicht. Aber weil Gott gütig ist, können wir seiner Gerechtigkeit vertrauen. Das Christentum wiederum hat nicht nur eine Theologie des Leidens, es ist eine. Gott selbst hat in Menschengestalt Leid und Tod erfahren, um die Welt zu erlösen. Von den frühen Tagen des Christentums an wurde deshalb die erlösende Kraft des Kreuzes auch auf das Leid derer bezogen, die sich zu Christus bekennen. Edith Stein und Schwester Faustyna haben den Wert des Leidens für die Erlösung der Welt erkannt. Edith Stein hat in diesem Licht auch den Holocaust gesehen. Sie hat ausdrücklich ihr Leben in Auschwitz für das Heil der Welt aufgeopfert. Viele jüdische Theologen haben hingegen nach der Tragödie des Holocaust ihren Glauben an die Güte und die Allmacht Gottes verloren. Ein prominentes Beispiel hierfür ist Elie Wiesel. In seinen Texten kommt sogar der Begriff “göttliche Ungerechtigkeit" vor.

Wie ist Ihr Buch in den USA aufgenommen worden?

Schoeman: Niemand, am wenigsten ich, hatte geahnt, daß es ein Bestseller werden würde. Ich habe hunderte Briefe von Katholiken bekommen, die sich von mir in ihrem Glauben gestärkt fühlen oder die ich zurück zur Kirche gebracht habe. Ich habe auch Post von Juden bekommen, die nach der Lektüre meines Buches in die Kirche eingetreten sind. Einige haben mich sogar gebeten, ihr Taufpate zu werden. Von jüdischer Seite habe ich so etwas wie wohlwollende Nichtbeachtung erfahren, aber keine Feindseligkeit. Schließlich bin ich weder der erste noch der letzte Konvertit. Die einzige offen feindliche Reaktion habe ich von antisemitisch eingestellten Katholiken erfahren, die nicht einsehen wollen, daß die Juden Gottes auserwähltes Volk sind, und daß sie auch noch eine Rolle spielen werden bei der Wiederkunft des Herrn am Ende aller Tage. Dann nämlich werden auch die Juden Jesus als den Messias anerkennen - und so den Weg frei machen für die Vollendung des Reiches Gottes.

Das Gespräch führte Andreas Laska.

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