VISION 20004/2007
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Die Kirche Asiens: verfolgter Hoffnungsträger

Artikel drucken Die vielfältigen Formen der Unterdrückung können die Attraktivität des Glaubens an Jesus Christus nicht mindern (Von Bernardo Cervellera)

Verfolgt zu werden, gehört auch heute zum Alltag von Christen in vielen Ländern. Die Standhaftigkeit dieser Zeugen trägt allerdings vielfach reiche Frucht, wie der Direktor von AsiaNews im folgenden Beitrag zeigt.

Vergangenen Sonntag ist einer meiner guten Freunde, P. Ragheed Ganni, zusammen mit drei seiner Helfer ermordet worden - im Alter von 34 Jahren, in Mosul, im Irak. Gleich nach der Sonntagsmesse wurden die vier umgebracht, vor der Kirche zum Heiligen Geist, wo P. Ragheed Pfarrer war. Mit seinen Begleitern und der Frau eines dieser Männer, verließ er das Kirchengelände mit dem Auto. Plötzlich wurden sie an der Straßenecke von bewaffneten Männern angehalten. Diese schicken die Frau weg und feuern dann kaltblütig auf die vier Männer im Auto.

Erst Tage später werden Details bekannt: etwa, daß die Mörder, bevor sie das Feuer eröffneten, P. Ragheed Ganni und seine drei Diakone aufgefordert hatten, zum Islam überzutreten.

Ein anderer Fall: Am 5. Juni wurde der Untergrundbischof von Zhengding (Hebei/China) von der Polizei verhaftet. Seit 2004 ist es das neunte Mal, daß er eingesperrt wurde. Der Grund für die Verhaftung ist nicht bekannt. Tatsache ist jedenfalls, daß die Provinz Hebei ein vorrangiges Ziel der anti-katholischen Verfolgung im Land ist. Bischof Jia, heute 74jährig, hat bisher mehr als 20 Jahre im Gefängnis verbracht. Und selbst wenn er nicht in Haft ist, sind alle Besuche bei ihm verboten. Jeder öffentliche Auftritt wird von der Polizei überwacht.

Befindet er sich in Polizeigewahrsam, muß er Gehirnwäsche über sich ergehen lassen. Es wird versucht, ihn dazu zu bringen, sich der Katholisch-Patriotischen Vereinigung anzuschließen, die das Leben der Gläubigen zu kontrollieren und eine von Rom unabhängige chinesische Nationalkirche einzurichten versucht.

Und schließlich: Vergangenen Sonntag, am 10. Juni, ist ein Mitbruder, P. Giancarlo Bossi, in Mindanao im Süden der Philippinen von einer unbekannten Gruppe von Gewalttätern entführt worden. Oberst Godofredo Paderanga, Offizier im ersten Infanteriebataillon der philippinischen Armee, zufolge waren die Entführer aller Wahrscheinlichkeit nach muslimische Kämpfer der “Moro Islamic Liberation Front".

P. Bossi ist schon der zweite Priester des Päpstlichen Missionsinstituts, der dort in den letzten zehn Jahren entführt worden ist. Er war mein Klassenkollege im Seminar. Seine Oberen auf den Philippinen beschreiben ihn als “äußerst beliebt". Wegen seiner Größe, seiner Friedfertigkeit, seiner ruhigen Art und seiner Gewohnheit, das Wesentliche zu betonen, wurde er “sanfter Riese" genannt. Er spricht wenig, arbeitet aber schwer, hat immer Handarbeit mit geistigem Leben verbunden. Er hat unter den Armen in Mindanao gewirkt, nicht nur als Pfarrer, sondern auch in der Entwicklungshilfe und in Erziehungsprojekten.

(...)Schon bisher war der “Islamische Staat Irak" verantwortlich für ärgste Gewalttätigkeiten gegen die christliche Gemeinschaft: angefangen von der Auferlegung der Jizya (einer Entschädigungssteuer, die der Koran nicht-muslimischen Bürgern verordnet), über die Enteignung von Häusern und anderen Eigentums, bis hin zu Zwangsbekehrungen. Das Anliegen: ein Kalifat oder eine “Islamische Republik" zu errichten, die ohne Christen auskommt oder diese unterjocht.

Vergangene Woche machte ein Brief in Bagdad die Runde, der christliche Frauen ermahnte Kopftücher zu tragen, wenn sie nicht ausgestoßen werden wollen. Der Brief war von der Madhi-Armee unterzeichnet, einer von Moktada al Sadr, dem radikalen schiitischen Imam im Irak, den die USA als größte Bedrohung für die Sicherheit im Land ansehen, geführten Miliz.

(...)

In China herrschte Jahre lang die kommunistische Ideologie. Ihr Ziel war die Beseitigung der Religionen. Auf diesem Weg hat sie -zig Millionen Chinesen durch Hunger, Krankheit, Bürgerkrieg, Revolutionen, Säuberungen umgebracht - stets unter dem Vorzeichen ideologischer Reinheit. Auch heute noch herrscht in China materialistisch motivierte Gewalt. Nach dem Tienanmen-Massaker am 4. Juni 1989 hat China allerdings versucht, sich ein neues Image zu geben: die totalitäre Kontrolle und Unterdrückung hat man mit einem vollkommen ungezügelten wirtschaftlichen Liberalismus verbunden. So hat es zwar den Anschein, als hätte sich fast alles in China verändert - aber das materialistische Gesellschaftskonzept und die Verachtung und Kontrolle der Religionen bleibt bestehen.

Selbst heute sind - was die Katholische Kirche anbelangt - seit Jahren zumindest sechs Bischöfe abgängig, Dutzende Priester von ihrer Umwelt isoliert oder zu vielen Jahren Gefängnis oder Arbeitslager verurteilt. Ihr Vergehen: Sie hatten Messen ohne Erlaubnis der Patriotischen Vereinigung gefeiert, hatten Wallfahrten organisiert oder kranken Menschen die Sakramente gespendet.

Was die Protestanten anbelangt, berichtet das Komitee für die Religionsverfolgung in China, über das Schicksal evangelikaler Christen in den letzten Jahren: 23.686 Verhaftungen wegen religiöser Aktivität, 4.014 Verurteilungen zur Umerziehung, 129 Morde, 208 Fälle von bleibender Schädigung infolge Gewaltanwendung, 997 Personen unter Überwachung, 1.040 abgängige Personen, über 20.000 Personen, die verprügelt und 10.000, die mit Strafen zwischen 50 und 800.000 Euro belegt wurden. (...)

Asien mangelt es ganz allgemein an religiöser Freiheit. Von den 52 Ländern des Kontinents, beschränken mindestens 32 die Aktivität christlicher Mission. Die muslimischen Länder, vom Mittleren Osten bis Pakistan, Indonesien und Malaysia stellen jedem, der sich bekehren will, Hindernisse in den Weg. Indien und Sri Lanka schwenken mehr und mehr auf eine Gesetzgebung um, die Konversionen verbieten. Die zentralasiatischen Länder (vielleicht mit Ausnahme von Kasachstan) schränken die religiöse Freiheit ein. Kommunistische Länder wie China, Laos, Vietnam und Nordkorea unterdrücken die Kirche, wenn sie sie nicht sogar verfolgen. Das erklärt, warum die Kirche in Asien, sogar nach 2.000 Jahren - Christus ist Asiate! - eine kleine Herde darstellt.

Die Katholische Kirche Asiens umfaßt rund zehn Prozent aller Katholiken weltweit, aber nur 2,9% der asiatischen Bevölkerung. Christen sind dort nur eine verschwindende Minderheit (zwischen 1 und 2%). Einzige Ausnahmen: die Phlilppinen (83% Katholiken, 9% Protestanten) und Osttimor (95% Katholiken). Besonders markant die Situation in Thailand: Auf eine Bevölkerung von 64 Millionen kommen nur 314.000 Katholiken. (...)

Tatsächlich wächst aber die Kirche in Asien trotz aller erwähnten Einschränkungen ihrer Freiheit und trotz des Problems der Verfolgung und Unterdrückung außergewöhnlich rasch. Dem neuesten Jahrbuch der Kirche zufolge hat sich die Zahl der Priester in Asien fast verdoppelt, von 27.000 auf 48.222, die der Seminaristen ist sogar um mehr als 150 Prozent gestiegen: von 11.536 auf 29.220. Tausende mehr sind Orden beigetreten. In den letzten Jahren hat die Zahl der Katholiken in Asien jährlich um 4,5 Prozent zugenommen. Sie liegt derzeit bei mehr als 110 Millionen: unter den 3,8 Milliarden Asiaten eine kleine Minderheit, aber eine lebendige, eine, die sicht- und hörbar auf sich aufmerksam macht.

Warum bekehren sich die Asiaten zum Christentum und zur Katholischen Kirche? Weil sie in der Lehre und dem Zeugnis der Kirche einen vernünftigeren Zugang zur Realität erkennen. Das ist auch der Grund für die vielen Bekehrungen in Korea, der drittgrößten Kirche in Asien mit 7,6% der Bevölkerung. Viele Koreaner merken, daß sich die Ahnenverehrung in ihrem Land überholt hat in einer Welt, die von Wissenschaft und Technik geprägt ist. Das Christentum mit seinem Geheimnis der Inkarnation wird als Fortsetzung und Erfüllung des familiären Umgangs mit dem Göttlichen angesehen. Es leuchtet sogar in so weltlichen Orten wie Fabriken und Megacitys auf.

Die national und religiös vorherrschenden Kulturen drängen viele Minderheiten an den Rand der Gesellschaft. Für diese Minderheiten ist die Zugehörigkeit zum christlichen Glauben ein Schritt in Richtung gesellschaftlicher Auferstehung. Deswegen gibt es so zahlreiche Bekehrungen bei Stämmen in Bangladesch, Kambodscha, Myanmar, bei den Bergvölkern von Vietnam und Thailand, den Dalits (den Unberührbaren) in Indien, den Ureinwohnern von Taiwan... Außerdem blühen die Berufungen in diesen Gruppen. (...)

Bleibt noch ein Faktor, der zur Bekehrung bewegt: die Verfolgung: Wenn wir die Geschichte der Katholischen Kirche in Asien betrachten, so können wir sagen, daß wahrscheinlich sie unter allen Kirchen, die meisten Märtyrer hervorgebracht hat. Allein in Vietnam, wurden zwischen dem 18. und dem 19. Jahrhundert 125.000 Christen wegen ihres Glaubens umgebracht. Während des Boxeraufstands in China (1900) kamen 30.000 Katholiken ums Leben, ganz zu schweigen von den Märtyrern, die dem Kommunismus, der Kulturrevolution und der Verfolgung in unseren Tagen zum Opfer gefallen sind.

Zählen wir zu diesen noch die Märtyrer der Verfolgung durch die Tartaren und die muslimischen Türken, die Märtyrer von Japan und Korea hinzu, die Zahl würde auf mehr als eine Million steigen.

Die Schwierigkeiten an sich führen natürlich noch nicht zur Bekehrung, wohl aber das leidenschaftliche Zeugnis jener, die in der Verfolgung die Freude bewahren. Immer dort, wo Missionare oder Christen vor Ort bereit sind, Lasten für ihren Glauben auf sich zu nehmen, um ihr Leben zu einer Gabe für andere zu machen, da wächst die Kirche.

Martyrium ist eine Quelle der Inspiration für Nicht-Christen. Ihnen wird bewußt, daß es größere Werte gibt als einfachen Wohlstand, Macht, Ideologie.

Das kann man am besten in China beobachten. In den 57 Jahren kommunistischer Herrschaft mit Verfolgung und systematischer Quälerei hat sich die Zahl der Katholiken mehr als vervierfacht. Sie liegt bei 15 Millionen, offizielle und Untergrund-Kirche zusammengenommen. In beiden Kirchen sind die Seminare überfüllt mit jungen Männern, erfüllt von dem Wunsch, ihr Leben für Christus und die Mission einzusetzen. Armut und schwierige Lebensumstände (einige Untergrundseminare müssen jeden Monat übersiedeln, um nicht von der Polizei entdeckt zu werden) scheinen hunderte von diesen jungen und weniger jungen Männern nicht von ihrer Entscheidung abzuhalten. Kürzlich erfuhren wir bei einem Treffen mit Priestern aus China, daß dort das Durchschnittsalter der Priester 34 Jahre beträgt! In Italien dürfte es bei 63 liegen.

Jahr für Jahr gibt es in der offiziellen und in der inoffiziellen Kirche rund 150.000 Erwachsenentaufen. Der Grund für diese Bekehrungen liegt vor allem im Versagen des Kommunismus und seiner Ideologie. (...) Ein Intellektueller, den ich vor Jahren traf - er war bei den Roten Garden und suchte dann im Buddhismus, dem Konfuzianismus, dem Taoismus - sagte mir: “Letztlich habe ich nur in Christus Trost und Sinn für die 5.000jährige tränenreiche Geschichte des chinesischen Volkes gefunden."

(...) Was nun die Katholiken in muslimischen Ländern anbelangt, so stehen sie vor großen Herausforderungen. Mit Höhen und Tiefen haben sie Jahrhunderte hindurch ihren Glauben bewahrt. Durch ihr Zeugnis in Schulen, Spitälern, Werken der Nächstenliebe haben sie sich eine gewisse Existenzberechtigung erworben. Katholische Schulen sind bekannt und wurden von vielen muslimischen Familien in Indonesien, Pakistan, im Libanon, in Syrien oder im Iran des Schah geschätzt. Auf diesem Weg gab es eine gewisse Anzahl von Konversionen. Aus ethnischen und religiösen Gründen (Apostasie) sind diese Bekehrungen allerdings mit großen Schwierigkeiten verbunden und meistens müssen die Getauften aus dem Land fliehen.

Der israelisch-palästinensische Konflikt - der längste Krieg weltweit - und das Anwachsen des islamischen Terrorismus haben die Situation verschärft und die Lebensumstände der Katholiken und Christen in Asien vollkommen verändert. Viele Christen fliehen aus dem Heiligen Land, dem Libanon, Syrien, dem Irak, dem Iran aufgrund der schwierigen gesellschaftlichen Umstände. Viele andere - in Pakistan, Indonesien, Malaysia, usw - leiden unter Verfolgung und Gewalttätigkeit von Seiten der Regierungen und islamischer Gruppen, weil sie als Vorposten und Vertreter des Westens, des Erzfeindes des islamischen Fundamentalismus erscheinen.

Der Islam scheint derzeit zu triumphieren. Tatsächlich steckt er jedoch heute in der tiefsten Krise seiner Geschichte. Was die radikalen Islamisten betrifft - sie verfolgen das Projekt eines politischen Islams -, so machen sie den Westen und seine Aggressivität für diese Krise verantwortlich.

Allerdings gibt es eine andere, wachsende Gruppe: Sie vertritt die Ansicht, daß diese Krise im Islam selbst liegt. Diese Position vertreten im allgemeinen liberale Persönlichkeiten, Intellektuelle. Zwar hüten sie sich davor, das Problem im Koran selbst festzumachen: Für sie liegt es in der Art, wie dieser interpretiert wird, im Islam als politischem, sozialem und kulturellem System. Mit anderen Worten: Der Islam bedürfe der Modernisierung. Muslime müßten den Umgang mit der modernen Gesellschaft, die als atheistisch anzusehen ist, erlernen. Die Muslime wollen zwar in der modernen Welt leben, fürchten sich aber gleichzeitig davor. Die Anwesenheit und das Zeugnis der Christen in der Welt des Islams stellen diese vor eine große Herausforderung: Sie können zeigen, daß der Glaube im Einklang mit Modernität und Wissenschaft gelebt werden kann. Christen - insbesondere Katholiken - haben immer schon Brücken zwischen Ost und West geschlagen.

Bernardo Cervellera

Aus dem Vortrag des Direktors von AsiaNews “Religious freedom, reason, the Churches in Asia", am 12. Juni in Wien. Der gesamte Text zum Download: www.khg.or.at   Copyright: AsiaNews

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