VISION 20004/2007
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Herodes Grab entdeckt

Artikel drucken Wieder eine Ausgrabung, die bestätigt, was die Bibel berichtet

Breaking News" in den israelischen Nachrichten. Die Menschen halten den Atem an: ein Bombenattentat? Die endgültige Abriegelung der Westbank? Vielleicht eine weitere Zuspitzung im Irankonflikt?

Nein! Diesmal nichts von alledem! Professor Ehud Netzer vom Institut für Altertumsforschung an der Hebräischen Universität gibt eine sensationelle Nachricht, nämlich die Lösung eines der größten archäologischen Rätsel Israels bekannt. Wie ein Lauffeuer rast sie fast um den ganzen Erdball: “Unsere lange Suche nach dem Herodesgrab hat nach drei Jahrzehnten endlich mit der Entdeckung der Reste seiner Bestattungsanlage, seines Sarkophags und des Mausoleums bei seinem Palast am Herodion, 15 Kilometer südlich von Jerusalem, ihr Ende gefunden."

Tatsächlich richtete der Archäologe in den letzten Jahren sein Augenmerk auf die “Unterstadt" des Herodion: einen ehemals großen, künstlich angelegten See von 46 x 70 Meter. Teilweise war dieser Teich in den Felsen gehauen, zum Teil mit breiten Feldsteinen errichtet.

Ehud Netzer gelangte zu der Überzeugung, daß diese ganze Anlage in engem Bezug mit dem Herodesgrab stehen könnte, zumal auch eine Mikwe, ein jüdisches, rituelles Reinigungsbad, in der Nähe gefunden wurde. Somit wäre der monumentale Bau vielleicht das Mausoleum des Herodes gewesen und die mächtige Terrasse der Paradeplatz.

Der jüdisch-römische Historiker Josephus Flavius beschreibt die ganze Anlage: “Den Namen Herodeion gab er einer in Gestalt einer Frauenbrust aufgeworfenen Höhe, 60 Stadien von Jerusalem entfernt; hier verwendete Herodes sogar noch mehr Prunk und Ausstattung: um den Gipfel herum ließ er nämlich runde Türme errichten, und innerhalb des Mauerrings erstellte er prunkvolle Paläste, die nicht nur innen einen herrlichen Anblick boten, sondern deren Wände auch außen ebenso wie die Zinnen und Dächer mit verschwenderischem Reichtum übergossen waren. Von weit her ließ er unter ungeheuren Kosten große Mengen Wasser leiten und eine Treppe mit blendend weißen Marmorstufen, die zur Höhe hinaufführte, anlegen."

Herodes ist in die Geschichte als der Große, sowohl wegen seiner Grausamkeit als auch wegen seiner fieberhaften Bautätigkeit eingegangen. Er hatte nicht nur den Zweiten Tempel erweitert und verschönert, er hatte auch Cäsarea und Masada ausgebaut und andere großartige Bauwerke errichtet. Der König starb im Jahre 4 v. Chr. nach 34jähriger Herrschaft in Jericho. Schon zu Lebzeiten hatte er das Herodium zu seiner Grabstätte bestimmt. Josephus Flavius ist es wieder, der von dem prunkvollen Trauerzug und seiner Beisetzung zu berichten weiß: “Archelaus, der Sohn des Herodes, tat alles, um den Leichenzug möglichst glanzvoll zu gestalten, und bot die ganze Pracht und Herrlichkeit des Königtums auf. Das Tragbett des Toten war aus purem Gold, mit Edelsteinen verziert, die Decke von Meerespurpur mit vielfarbigen Stickereien versehen, und auch der Tote obenauf war in Purpurgewänder eingehüllt. Auf seinem Haupt lag das Diadem und darüber die goldene Krone..."

Als langjährige Ausgräber und Koordinatoren des ärchäologischen Projekte Emmaus-Nicopolis und Reiseleiter können wir nach einer unruhigen Nacht unsere wissenschaftliche Neugier nicht mehr zurückhalten. Gleich nach dem Frühstück flitzen meine Frau Louisa und ich mit dem Auto zum Herodion. Nach 30 Minuten befinden wir uns vor der Ausgrabungsstätte. Und wir haben Glück: Yaakov Kalman steht uns gerne auf dem Podium, das nach seiner Meinung als Basis für das Herodesgrab diente, Rede und Antwort - einmal der Reporterin Reena von Fox News und einmal mir. Auf die Frage, was er empfunden habe, als er auf diesen für Israel sensationellen Fund gestoßen war, gesteht er schmunzelnd: “Ich war so überrascht und schockiert, daß es mir dermaßen in den Magen fuhr und ich zunächst einmal auf die Toilette gerannt bin."

Allerdings hatten sich die Ausgräber mit der Tatsache abfinden müssen, daß das Mausoleum in der Antike schon total zerstört worden war. Übriggeblieben war ein Teil des großen und sorgfältig ausgeschlagenen Podiums. Auch kunstvoll bearbeitete Architekturelemente von höchster Qualität lagen in der Ruine. Dekorative Urnen mit einem dreieckigen Deckel wie man sie bei Monumenten der Nabathäer fand, wiesen auf die luxuriöse Grabanlage hin. Die wichtigsten Indizien jedoch waren die zerbrochenen Stücke eines breiten, einzigartigen, 2,5 Meter langen Sarkophags mit einem pyramidenförmigen Deckel aus rötlichem Jerusalemer Kalkstein. Dekoriert war der Sarg mit Rosetten.

Meine Frage, ob dies der Steinsarg des Herodes sei, bejahte Yaakov Kalman: “Nur wenige solcher Sarkophage sind hier im Land bekannt, das heißt nur in besonders palastartig gebauten Grabanlagen wie in den Königsgräbern von Ost-Jerusalem."

Ob das Mausoleum wohl in der Antike von Grabräubern aufgebrochen worden sei, bohre ich weiter. Ohne zu überlegen, fährt Kalman fort: “Warum sollten Grabschänder den Sarkophag in Hunderte von einzelnen Stücken zerschlagen haben? Das mußte aus einer inneren Wut gegen den Toten geschehen sein. Ich denke, die Zerstörung geschah in den Jahren 66-72 während des ersten jüdischen Aufstandes gegen die Römer. Die Zeloten waren bekannt für ihren Haß auf Herodes und seine Familie als Marionette und Speichellecker Roms."

Schon wollen wir die Stätte verlassen, da schwenkt die Kamera von Fox-News auf Louisa und die US-Reporterin schießt ihre Gretchenfrage auf meine Frau los: “Was bedeutet für Sie als Tour Guide diese Entdeckung im Hinblick auf die Führung von Gruppen?" Meine Frau kontert schlagfertig: “Für Touristen ist es eine Attraktion mehr, auf den Spuren der Geschichte des Landes über ihre Herrscher vor Ort zu erfahren.

Für unsere Pilgergruppen, die wir auf die Spuren der Bibel führen, bedeutet die Entdeckung eine Bestätigung der historischen Figur des Herodes, dessen Thron vor dem Kind in der Krippe, dem neugeborenen König in Bethlehem, zu zittern begann und der deshalb vor dem schrecklichen Kindermord nicht zurückschreckte. Für mich bestätigt der Fund, daß das Evangelium nicht eine schön erfundene Fabel darstellt, sondern sich in einem konkreten geschichtlichen Zusammenhang ereignet hat: in einem ganz bestimmten Land, zu einer ganz bestimmten Zeit und mit ganz bestimmten Personen."

Karl-Heinz Fleckenstein

Vorträge von Dr. Karl-Heinz und Louisa Fleckenstein siehe Ankündigungen in dieser Ausgabe.

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