VISION 20005/2007
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Laßt uns ein Lied singen!

Artikel drucken Gesang vertreibt Schwermut und Trübsal

Unlängst besuchte mich eine Studienkollegin, die aus Ruanda zurückkehrte, wo sie einige Jahre als “Kleine Schwester von Jesus" mit den Menschen dort zusammenlebte. Sie erzählte mir die Geschichte einer Vierjährigen, die ich Ihnen weitererzählen möchte.

Es war im Jahre 1994, das Jahr der grausamen Bürgerkriege und der systematischen Ausrottungsaktionen in Ruanda (über 1 Million Tote). Die Kriegspropaganda in Rundfunk und Fernsehen ging so: “Schlagt die Köpfe eurer Feinde ab und stellt euch dabei vor, ihr würdet ein Feld von Krautköpfen ernten." So drangen Milizen mit ihren Macheten in das Dorf ein, wo dieses vierjährige Mädchen mit seiner Familie und seiner ganzen Sippe lebte. Vor seinen Augen wurden seine Großeltern, die Eltern, die Geschwister, Onkel und Tanten, Ziegen, Schafe, Hühner, die ganze Sippe niedergemacht.

Als das Mädchen an der Reihe war und der Milizsoldat mit seiner Machete zum Schlag anheben wollte, bittet es ihn aus wehem Herzen, es möchte, bevor es sterbe, noch gerne “ein Liedlein singen". Der Soldat erlaubt es ihm. Als das Mädchen das Lied zuende gesungen hatte, sagt der Soldat ganz verwirrt zu ihm: “Hau ab, hau ab! Geh! Geh!" - Das Mädchen springt davon und bleibt so am Leben, als einziges der ganzen Sippe...

Ich habe seither oft über dieses Mädchen nachgedacht. Und mir kam in den Sinn, daß ich mehrmals bei den Heiligen und Kirchenvätern gelesen hatte, daß man den Teufel am leichtesten durch Singen überwinde. Von einem Max Bewer habe ich einmal diesen Vers gelesen:

“Tausend Künste kennt der Teufel, aber singen kann er nicht;

denn Gesang ist ein Bewegen unsrer Seele nach dem Licht."

Singen heißt siegen! Singen öffnet den Raum des Lichts. Singen vertreibt das Dunkel des Herzens. Das haben unzählige Märtyrerchristen in ihren Gefängniszellen so erfahren. Darum heißt es in einem neuzeitlichen Hymnus: “Kommt, laßt uns die Finsternis singend besteh'n!"

Als Seelsorger erlebt man heute eines besonders dramatisch: nämlich das Verstummen der Seelen, das Verstummen der Herzen! Wir singen kaum mehr. “Der Geist der Schwere", von dem Nietzsche in seinen Schriften immer wieder spricht und den er unserer Zeit vorausgesagt hat, liegt heute schwer auf so vielen Seelen, auch auf glaubenden Menschen. Den Geist der Schwere nennt Nietzsche den Teufel.

Und tatsächlich: schon 300 Jahre vor ihm hat der Heilige Franz von Sales diesen schweren Geist den Teufel genannt. Er schreibt in seiner Philothea: “Der böse Feind hat Freude an unserer Traurigkeit und Schwermut, weil er selbst traurig und schwermütig ist und es ewig bleiben wird. Deshalb will er, daß ihm darin alle gleichen."

Nicht nur fanatische Milizsoldaten können Menschen, ja, ganze Familien und Gemeinschaften niedermachen, auch “der Geist der Schwere" kann es.

Darum spricht die Bibel an ungezählten Stellen davon, daß wir uns dem Gesang, dem Singen, der Freude hingeben sollen, schon bevor der Morgen sich rötet: “Wacht auf, Harfe und Saitenspiel! Ich will das Morgenrot wecken... Singt und jubelt aus vollem Herzen zum Lob des Herrn." (Ps 57; Eph 5,19) Denn: “Meine Stärke und mein Lied ist der Herr" (Ps 118,14).

“Sing fromme Lieder", rät auch der heilige Franz von Sales eindringlich den Menschen, die vom Geist der Schwere bedroht und angefochten werden. “Dadurch ist der böse Feind schon oft vertrieben worden." Ja, so ist es: “Tausend Künste kennt der Teufel, aber singen kann er nicht." “Singen ist Sache der Liebe", sagt der heilige Augustinus. Und Papst Benedikt XVI. - selbst ein Sänger der Liebe Gottes - führt diesen Gedanken weiter aus, wenn er sagt: “Der Heilige Geist ist die Liebe, und er schafft das Singen."

Also laßt uns ein Lied, ein Liedlein singen wie unser kleines Mädchen in Ruanda, wenn uns ein Feind bedroht! Laßt uns in der Familie, in den Altenheimen, im Gottesdienst, in unseren Herzen bewußt mehr singen, am Morgen, am Abend, und vor allem, wenn wir im Glauben angefochten werden, wenn dunkle Wolken aufziehen, wenn der Geist der Schwere herumgeht.

In solchen Fällen habe ich meinen Geheimtipp:

“Halleluja, auferstanden

ist die Freude dieser Zeit.

Denn aus Leiden, Schmerz und Banden,

geht hervor die Herrlichkeit.

Was im Tode scheint verloren,

wird in Christus neu geboren.

Halleluja, Jesus lebt,

Jesus lebt, Jesus lebt!

Halleluja, Jesus lebt!"

Ja, Er lebt, und das ist wunderbar. Das ist mehr als wunderbar. Jesus ist unser Sieg und unser Lied. “Er hat den Tod überwunden und die Erde geöffnet, sie weit aufgerissen zum Himmel hin." (Benedikt XVI.)

Halleluja!

Urs Keusch

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