VISION 20001/2009
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Missionarin unter den Ärmsten

Artikel drucken Sr. Marie-Catherine Kingbo, Gründerin der “Fraternité des Servantes du Christ"im Niger (Von Alexa Gaspari)

Du warst für mich ein offenes Evangelium und nun, während Deiner Abwesenheit betrachte ich Jesus weiterhin durch dich," schreibt eine junge Mitschwester an Mutter Marie-Catherine, die derzeit nach Krebsoperationen in Wien eine Chemotherapie über sich ergehen lassen muß. Daß sie in Wien operiert werden konnte - und nicht im Niger, einem der ärmsten Länder Afrikas, wo sie kaum Überlebenschancen gehabt hätte -, zeigt, daß Gott noch einiges mit ihr vorhaben dürfte.

Wie ich sie kennengelernt habe? Meine “Uralt"-Freundin Christine rief mich aus Tirol an und bat mich, mich ein wenig um eine afrikanische Ordensschwester zu kümmern. Sie sei gerade in Wien operiert worden und spreche kein Deutsch, aber Französisch. Dieser Bitte kam ich gerne nach. Schon beim ersten Besuch im Spital stellte ich fest, daß Schwester Marie-Catherine ohne viel Worte, aber mit selbstverständlichen, liebevollen Gesten die Dankbarkeit ihrer Zimmergenossinnen erworben hatte. In unseren französisch geführten Gesprächen haben wir uns, Marie-Catherine Kingbo und ich, obwohl aus so verschiedenen Welten kommend, dank des gemeinsamen Glaubens und einer spontanen Zuneigung rasch gefunden.

Ich bewundere diese Frau, die nie ihr eigenes schweres Schicksal beklagt, sondern in unseren häufigen Treffen immer voll Anteilnahme an andere denkt und sich um sie sorgt: um ihre Mitschwestern, die nun alle Arbeit allein tun müssen, um die ihr anvertrauten Menschen im Niger, um ihre Freunde hier, denen sie so dankbar ist, aber auch um jedes meiner Familienmitglieder. Bei der Gastfamilie in Wien, bei der sie zwischen den Behandlungen wohnt, hat sie mir viel aus ihrem Leben erzählt.

Sie wird 1953 im Senegal in einem großen Dorf 200 km von Dakar entfernt als Tochter eines Zollbeamten geboren. Sie hat zehn Geschwister. Die Eltern leben in einer harmonischen Ehe, obwohl der Vater evangelisch, die Mutter katholisch ist. Jeder respektiert den Glauben des anderen. Sonntags begleitet der Vater seine Frau und die Kinder in die Heilige Messe. Vor seinem Tod bittet der Vater darum, katholisch begraben zu werden.

Marie-Catherine hat ihre Kindheit und Jugend in sehr schöner Erinnerung. Nach der Schule macht sie eine Sekretariatsausbildung und arbeitet dann bei einer Agentur, die für die Sicherheit im Luftverkehr tätig ist. Schon damals ist sie sehr ins kirchliche Leben eingebunden, singt im Chor der Kathedrale, ist in der Christlichen Arbeiterjugend engagiert, organisiert verschiedene Pfarraktivitäten. Sie trifft sich mit Freunden, geht gerne tanzen und ins Kino, freut sich über ihren guten Job. Noch denkt sie nicht daran, in einen Orden einzutreten.

Aber dann - sie ist gerade 18 - bei einer Seelenmesse für einen Verwandten fällt während der Predigt, die der Bischof hält, ein Satz, der ihr Leben verändert: “Die Ernte ist groß, aber es gibt nur wenig Arbeiter. Bittet den Herrn der Ernte, Arbeiter für seine Ernte auszusenden." Marie-Catherine fühlt sich bei diesen Worten ganz persönlich angesprochen. Da ist überhaupt kein Zweifel, das weiß sie heute noch genau: “Herr, du rufst mich zu einem Leben als Ordensschwester. Gerade noch hatte ich über den Tod des Freundes geweint. Aber plötzlich war da ein großer Frieden. Ich war ganz in Freude eingetaucht. Träume ich, ist das Einbildung?, habe ich mich gefragt. Jedenfalls war ich glücklich über diesen Anruf Gottes - und über meine spontane Reaktion: Ja ich will." Bald stellt sich aber ein innerer Kampf ein: Da ist wohl ihr Ja - aber heißt das nicht: Jetzt mußt du alles, was dir lieb ist, aufgeben? Das Zimmer daheim, die Nähe der Eltern und Geschwister, den gut bezahlten Job, die Freunde, das Auto. “Ich war einfach wie alle jungen Mädchen, die das Leben lieben."

Schließlich vertraut sie sich einem mit der Familie befreundeten Priester an, erzählt ihm, was sie erlebt hatte. “Du solltest es Deinen Eltern sagen," meint dieser zum Schluß ihres Gespräches. “Bitte begleiten sie mich," ersucht sie den Abbé, überzeugt, daß die Eltern es nie erlauben würden. Ihre Mutter jedoch ist gleich einverstanden, ermutigt sie sogar zu diesem Schritt. “Ich werde es deinem Vater zu einem günstigen Zeitpunkt sagen," verspricht sie.

So günstig dürfte der Zeitpunkt aber doch nicht gewesen sein: Eines Tages vor Weihnachten erklärt der Vater, es komme nicht in Frage, daß sie jetzt ins Kloster gehe. Auch der Pastor, mit dem sie auf Wunsch des Vaters spricht, versucht sie von dem Schritt abzuhalten. Trotz des Vaters Nein bleibt sie bei ihrem Projekt. Der Priester, der sie beraten hatte, rät ihr: “Du mußt den Vater verstehen. Sprich nicht mehr darüber. Du hast den Anruf Gottes bekommen, behalte ihn im Herzen. Lebe ihn in deinem Alltag." Und das befolgt sie - vier Jahre lang. Eines Tages ist der Vater dann aber bereit, die Tochter ziehen zu lassen.

Im September 1975 tritt sie in den Orden ein, 1978 hat sie die erste Profeß, also vor 30 Jahren - ein Schritt, den sie nie bereut hat. Zunächst wird sie Sekretärin ihrer Ordensoberen und gibt Kindern Erstkommunionunterricht. Es folgen zwei Jahre in Brüssel: Ausbildung in Katechese und Pastoral. Nach ihrer Rückkehr kümmert sie sich vor allem um Frauen in den Dörfern, veranstaltet u.a. Nähkurse, ist Sekretärin im Priesterseminar und bringt dort recht energisch, wie sie lachend schildert, neuen Schwung und eine effizientere Organisation hinein.

Ihr lebendiger Glaube, ihre Managementbegabung und das gute Verhältnis, das sie zu allen Schwestern hat - als eine der wenigen kann sie gut mit den Mentalitätsunterschieden der Schwestern vom Land und jenen aus der Stadt umgehen - tragen dazu bei, daß sie als jüngste im Kapitel - sie ist gerade 35 - zur Ordensoberen gewählt wird. In den 12 Jahren, die sie diese Aufgabe wahrnimmt, legt sie großen Wert auf eine solide Ausbildung der jungen Schwestern. Einige werden zu Kinderärztinnen, Gynäkologinnen, eine als Doktorin des kanonischen Rechts - zum Teil auch in Europa - ausgebildet. Die junge Ordensoberin kümmert sich auch um die Infrastruktur der Häuser der Gemeinschaft, renoviert einige und baut andere neu, dankbar für die Hilfe von Caritas Innsbruck, Caritas Italia und “missio".

Recht erschöpft - 10 Jahre ist sie auch Vorsitzende der weiblichen Ordenskonferenz des Senegal und ganz Westafrikas - beendet sie ihr Mandat im Jahr 2000. Über die vielen Belastungen und Schwierigkeiten in und außerhalb der Kongregation in dieser Zeit möchte sie kein Wort verlieren.

Nach Beendigung ihres Mandats erkrankt sie und muß operiert werden. Das hält sie nicht davon ab, auch ihre schwer erkrankte Mutter - gemeinsam mit zwei ihrer Schwestern - zu betreuen und sie beim Sterben zu begleiten. Dankbar für diese Erfahrung erzählt Marie-Catherine: “Eine halbe Stunde vor ihrem Tod - mitten in der Nacht - habe ich gemerkt, daß ihr Atem sich verändert. Meine Schwestern und ich begannen, den Rosenkranz zu beten. Nach dem dritten Gesätzchen ist die Mutter ganz ruhig gestorben. Wir Schwestern haben dann das Magnificat gebetet." Der Vater, der nebenan schläft, wird nicht geweckt aus Rücksicht auf seine angegriffene Gesundheit. Er stirbt 2006. Und auch ihn können die drei Schwestern in seinen letzten Stunden liebevoll begleiten.

2001 bekommt die ehemalige Ordensoberin ein vierjähriges Stipendium, unter anderem wird sie in Paris als Katechistin für Muslime ausgebildet . Sie kommt ja aus einem mehrheitlich islamischen Land. Eines Tages nimmt sie wahr, wie ihr der Herr sagt: “Jetzt, da Du all das begriffen hast, mach Mein wahres Antlitz unter Muslimen erfahrbar."

Am ersten Adventsonntag des Jahres 2002 offenbart ihr Gott noch deutlicher Seinen Ruf: Es ist der Tag der Sendungsfeier. Sie steht neben dem Altar wie die anderen Katechisten. Neben ihr ein Häuschen - und nicht wie sonst ein Kranz - mit 4 Kerzen. Aufmerksam betrachtet sie es. Nach der Kommunion als die Katechisten sich zu ihrer Beauftragung bekennen sollen, ist wieder die innere Stimme da. Sie hört: “Bau Mir ein religiöses Haus, das Mein Antlitz und Meine Liebe unter Muslimen leuchten läßt." Im selben Moment ist die Gewißheit da: Als sie ihr “Ja, ich will" spricht, drückt sie nicht nur ihre Bereitschaft aus, als Katechistin zu wirken, sondern sie ist sicher, daß einer neuer Ruf an sie ergeht, der in der Kontinuität ihrer Berufung liegt.

“Ich glaube der Herr möchte, daß ich eine neue Kongregation aufbaue. Hilf mir zu unterscheiden," sagt sie kurz darauf ihrem Seelenführer. Und dieser bestätigt: Sie habe keine Halluzination, keine Einbildung gehabt. “Der Herr bittet dich, etwas Neues zu beginnen." Aber wie und wo, sind Fragen, die sie ein Jahr lang mit sich trägt. Eines Abends bekommt sie im Gebet die Antwort: “Geh in den Niger!" - und sofort zieht tiefer Friede in ihr Herz ein. Bewegt erklärt mir Marie-Catherine: “Der tiefe Frieden ist für mich immer ein Zeichen. Wenn keine Unruhe mehr da ist, sondern Freude und tiefer Friede, ein Friede, der anhält , keinen Zweifel zuläßt, und ich noch tiefer Seinen Willen erfüllen möchte, so ist das vom Herrn."

Und dennoch, auch dieses Zeichen bedarf nochmals einer Unterscheidung. Ein weiterer geistlicher Begleiter, ein Jesuit, sagt ihr kurz darauf: “Klar, der Herr bittet dich um eine neue Mission. Lehne sie nicht ab. Und noch eines: Sie sollte außerhalb des Senegal stattfinden." “Weißt du, mon père, genau das habe im Gebet gespürt." antwortet die Schwester froh. Und noch eine Bestätigung: Msgr. Ambroise, ein Bischof aus dem Niger - sie hatte ihn zufällig in Paris getroffen - freut sich bei einem Telefongespräch bei dem Gedanken an eine neue Kongregation in seiner Diözese. Schon lange habe er nach einer Hilfe in diesem armen Land gesucht.

Ihrem Ansuchen um Austritt aus ihrem Orden wird ohne Probleme stattgegeben: ein weiteres Zeichen. Und bei einer Einkehr in Frankreich wird während des Essens, das im Schweigen eingenommen wird, in dem Speisesaal, in den man sie gesetzt hat, eine CD abgespielt. Marie-Catherine berichtet ergriffen: “Es waren Zeugnisse von Afrikanern: vor allem aus dem Niger. Mein Herz hat gebrannt. Vor allem das Zeugnis eines Imam, der sich zum Christentum bekehrt hatte. Er erzählte davon, wie groß die Sehnsucht dieses Landes nach der Guten Nachricht, dem Wort Gottes, sei." Welche Bestätigung ihres Rufes für ihre neue Missionsarbeit!

Seit März 2006 ist sie nun im Niger. Die relative Bequemlichkeit und Sicherheit ihres bisherigen Ordens hat sie gegen ein neues unsicheres Leben eingetauscht. Am 22. Oktober 2006, dem Welttag der Missionen, hat Msgr. Ambroise Ouédraogo die “Fraternität der Dienerinnen Christi" feierlich als diözesane Kongregation anerkannt und Mutter Marie-Catherine zur Ordensoberin ernannt. Gemeinsam mit einer jungen Frau aus dem Senegal beginnt sie ihre Arbeit.

Begleitet von einer Dolmetscherin, einer konvertierten Muslimin, besucht sie zunächst einmal die einzelnen Dörfer ihres Einsatzgebietes. So lernt sie langsam den Alltag und die Probleme der Menschen dort kennen. Die meisten leben in Hütten, oft nur aus Stroh. Geschlafen wird auf Strohmatten, gekocht wird im Freien. Zunächst wendet sie sich an die Frauen: “Wollt ihr eine Ausbildung haben, Informationen bekommen?", fragt sie in den Dörfern. Die Frauen applaudieren. Worüber wollt ihr unterrichtet werden? “Über unsere Rechte und Pflichten, die Ausbildung der Kinder, über Hygiene..."

Also beschließen die beiden Schwestern, ein Informationswochenende zu veranstalten mit jeweils 10 Frauen aus verschiedenen Dörfern. Tatsächlich kommen dann150 für drei Tage. Tagsüber sitzt man unter Planen, die gegen die Sonne aufgespannt werden, nachts schläft man auf diesen direkt auf dem Boden. Es wird über das Eheleben gesprochen - viele muslimische Männer sind mit mehreren Frauen verheiratet -, über die Rechte und Pflichten der Frauen, über Hygiene, die Tradition und über die Kinderheirat (viele Mädchen werden schon mit 10 verheiratet, etwa dem Alter mit dem Aischa, dritte Ehefrau Mohammeds, diesem angetraut wurde). Für die Frauen ist es das erste Mal, daß jemand sie informiert, über Ausbildung mit ihnen spricht und ihnen zuhört (!). Es ist auch das erste Mal, daß sie sich mit anderen Frauen treffen können.

Die Veranstaltung ist ein großer Erfolg. Die Teilnehmerinnen sollen nun ihr neu erworbenes Wissen an die anderen zu Hause weiter vermitteln. Der Vorschlag, so ein Wochenende für ihre Töchter zu veranstalten, begeistert alle. Diese werden von Aufsichtspersonen, Patinnen, begleitet: Noch ein großer Erfolg, wie meine neue Freundin froh berichtet: “Ich war überrascht, wie frei die Mädchen vor den Patinnen über ihre Lage gesprochen haben, davon, daß sie gegen ihren Willen Männer heiraten müssen, die sie nicht lieben. Aber auch davon, daß sie gerne in die Schule gehen würden."

Bald nach diesem Wochenende sind die 15- 16jährigen Burschen, manche schon polygam verheiratet, an der Reihe. Auch sie wollen ein Informationswochenende haben, über Aids, über die Ehe sprechen. Sie berichten übrigens, daß sich eines der Mädchen bereits gegen eine erzwungene Ehe ausgesprochen habe. Und wieder ist die Veranstaltung ein voller Erfolg.

Nun ist den Schwestern klar: Sie müssen auch mit den Verantwortlichen, den Dorfchefs, die ja die Ehen vollziehen und mit den Imams ins Gespräch kommen. Kein leichtes Unterfangen in einem muslimischen Land. Lachend meint Marie-Catherine: “Ziemlich gewagt, diese Männer einzuladen, auch den Bürgermeister der Gemeinde, wo wir arbeiten. Wir informierten auch den Chef des Kantons." Und was geschieht? 12 Chefs, 12 Imame und der Vertreter des Bürgermeisters kommen, folgen der Einladung. Aus Neugierde?

Mutter Marie-Catherine informiert sie über die einzelnen Veranstaltungen mit den Frauen, den Mädchen und den Burschen. Die Männer hören zu. Dann folgt eine fast unglaubliche Feststellung: “Wir wissen eigentlich gar nicht, warum wir unser Dorf, unsere Frauen und Familien verlassen und die Nächte hier am Boden verbracht haben. Ihr seid Frauen, Ausländerinnen, habt nicht unseren Glauben. Aber wir vertrauen euch." Und scherzhaft fügt er hinzu: “Wenn ihr sagt, wir sollen da in dieses Loch hineinkriechen, dann werden wir auch das tun."

“Wir waren sehr betroffen von den Worten eines Imam," erzählt die Schwester. “,Was wollt ihr, daß wir weiter tun?', haben wir gefragt. Die Antwort: Wir bekommen zwar kein Geld von euch, aber Wissen. Wir bitten euch, einfach weiterzumachen. Bildet auch unsere Hebammen aus - und wir hätten gerne Schulen'." Darauf Marie-Catherine: “Schulen ist nicht unsere Sache. Da müßt ihr euch an die Regierung wenden."

Doch das wollten die Männer nicht. Sie vertrauten eher darauf, daß diese Frauen auch weiterhin etwas für sie tun werden. Also entsteht der Plan einer Schule und eines Internates für Kinder, die weiter weg wohnen, vor allem für die Mädchen, die so auch einer frühzeitigen Heirat entgehen könnten. Wenn das nicht Zeichen einer echten Berufung Gottes sind!

Mittlerweile haben die Schwestern auch ein Ausbildungswo chenende für Hebammen veranstaltet.. Weit mehr als vorgesehen kamen der Einladung nach. Die Probleme sind groß. Viele Mütter und Kinder sterben bei der Geburt. Die Hebammen besitzen nicht einmal Handschuhe, manchmal verwenden sie stattdessen Plastiksackerln.

“Und wie sieht das mit dem Wasser aus?", frage ich. Es gibt keine Wasserleitung, sagt sie. Man muß es an einer Stelle, die Kilometer entfernt ist, kaufen. Das Wasser aus den vorhandenen Brunnen sei oft nicht trinkbar.

Hilfe für Schwangere sowie für unterernährte Babys und deren Mütter, ist eine weitere Aktivität der Schwestern. Mit Hilfe eines internationalen Programms (PAM) haben allein in den ersten Monaten seit Juni über1.000 Kinder die Hilfe der Schwestern in Anspruch genommen. Wie das vor sich geht? Aus Gries, Öl und Zucker bereiten die Schwestern einen Brei zu. Jedes Kind wird gewogen und gemessen. Mit den Mütter werden Grundbegriffe der Hygiene besprochen und jede bekommt 3,5 kg mit - genug für 14 Tage.

Aber da der Hunger in den Familien meist sehr groß ist, wird damit oft die ganze Familie ernährt. Manchmal hat das Kind das Gewicht wohl erreicht, wird aber auf Diät gesetzt damit es wieder abnimmt und die Mutter wieder Nahrung - für die ganze Familie sozusagen- bekommt . “Du siehst, wie groß die Armut dort ist!" erzählt die besorgte Oberin liebevoll. “Immerhin haben 300 Kinder zugenommen. Auch die Schwangeren bekommen für 14 Tage Nahrung. Als wir die Mütter erstmals mit ihren Babys eingeladen haben, waren die Mütter so ungeduldig, daß sie uns die Kinder durchs Fenster hineingeworfen haben. Auch beim zweiten Mal war so ein Ansturm, daß sie eine Wand zum Einsturz brachten," erinnert sie sich leicht verzweifelt.

Noch eine Initiative haben Marie-Catherine und ihre Mitschwestern - mittlerweile sind sie zu siebent, drei aus Burkina Faso, zwei aus Togo dazugestoßen - ergriffen: Sie vergeben an Frauen in den Armenvierteln der Stadt Mikrokredite. Was das ist? Jede Frau bekommt 20 Euro geborgt, um einen kleinen Handel zu beginnen. Innerhalb von sechs Monaten muß der Betrag zurückgezahlt werden, kann aber neuerlich geliehen werden, um weiterzumachen.

Eine Frau hat ihr erzählt: “Als arme Witwe hatte ich meine Söhne dem Koranlehrer anvertraut (dort müssen sie nicht nur stundenlang den Koran auswendig lernen, sondern werden oft - wie die Schwester erzählt - täglich zum Betteln geschickt, um das Erbettelte abzugeben. Wenn sie nichts bekommen, werden sie auch geschlagen). Mit einem Teil des Mikrokredits habe ich einen kleinen Handel aufgemacht. Meine beiden Kinder habe ich vom Marabut weggeholt und ihnen das restliche Geld ebenfalls für einen eigenen kleinen Handel gegeben."

Nicht genug damit: Auch zu den Leprakranken am Stadtrand ist Mutter Marie-Catherine gegangen. Leprakranke, aber auch solche, die schon geheilt sind, leben nur vom Betteln, denn niemand will Handarbeit oder sonst etwas, das sie herstellen, abkaufen. Wie man ihnen helfen könne, hat die Schwester gefragt. Mit Ziegen, von deren Milch sie sich ernähren, die sie auffüttern und deren Junge sie verkaufen könnten. Gesagt, getan: Durch Spenden österreichischer Freunde konnte bereits 80 Familien geholfen werden. 30 Euro kostet übrigens eine solche Ziege.

Bei Marie-Catherine kommt aber auch die Katechese nicht zu kurz. Sie wird an drei Tagen in der Woche an verschiedenen Orten gehalten. Zunächst sind einige Frauen und wenige Männer, meist Animisten, gekommen. Mittlerweile gibt es auch Katechismusunterricht für Kinder, etwa 40 sind es, zwischen 5 und 11 Jahren. Das hat wiederum Erwachsene animiert, sodaß nun rund 30 Frauen und Männer den Glaubenskurs besuchen. Lachend erzählt Marie-Catherine: “Die meisten Kinder waren am Anfang sehr schmutzig. Wir haben ihnen versprochen, daß jeder von ihnen einen Rock, bzw. eine Hose und ein Oberteil von uns genäht bekommen würde - allerdings müßten sie sich waschen. Und nun sind sie gewaschen."

Wovon sie eigentlich selber leben, will ich wissen. Von 130 Euro im Monat, die sie von kirchlichen Stellen bekommen - für all ihre Bedürfnisse. Daher mangelt es praktisch an allem und ohne Spenden gäbe es kein Auskommen. Aber darauf komme es nicht wirklich an, wie die tapfere Mutter Oberin mit dem unerschütterlichen Glauben - sie ist mir schon sehr ans Herz gewachsen - versichert: “Ich hatte nie Zweifel an dieser Missionsarbeit. Ich spüre die Kraft des Heiligen Geistes, die Treue des Herrn, wenn man Ihm vertraut. Ich kann Seine Hand spüren und habe nie an Seiner Liebe gezweifelt. So habe ich immer Menschen auf meinem Weg getroffen, die mir geholfen, mir Mut zugesprochen, meine Situation verstanden haben."

Bei jeder Begegnung mit ihr spüre ich: Sie ist ein Mensch, an dem man sich festhalten kann - auch in ihrer schweren gesundheitlichen Krise. Und ich bin sicher: Gott hat sie nach Österreich geschickt, damit sie uns hier stärke. Denn ich sehe, daß sie vielen, denen sie hier begegnet - jedem ganz besonders - Gottes Antlitz, Seine Liebe, wiederzuspiegeln vermag.

 

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