VISION 20002/2009
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Die Kirche lebt - auch in Österreich

Artikel drucken Blick auf die oft übersehene Erneuerung (Von Christof Gaspari)

Offengesagt, es hat mich schon lange nichts so betroffen gemacht wie der Sturm, der in und rund um die Kirche in den letzten Wochen losgebrochen ist. Mit etwas zeitlichem Abstand möchte ich versuchen, mit Ihnen, liebe Leser, über die Konsequenzen aus den Ereignissen nachzudenken.

Nach dem Medienrummel, der Erklärung der oberösterreichischen Dechanten, der Resignation des designierten Weihbischofs, dem Brief der österreichischen Bischöfe, den Kritiken führender Politiker am Papst war da zunächst eine große Enttäuschung. Dann das Bedürfnis, mit Gleichgesinnten zu klagen - und die wiederkehrende Versuchung, jene, die meinen Erwartungen nicht entsprochen hatten, innerlich zu verurteilen. Immer wieder die Gedanken: Jetzt reicht's! Auch wir werden uns zu Wort melden, das lassen wir uns nicht gefallen! Im Geiste formulierte ich polemische Bonmots und griffige Pointen.

Nach einer Stunde Anbetung vor dem ausgesetzten Allerheiligen in der Pfarrkirche aber war mir klar: Stop! Schluß mit diesem reaktiven Verhaltensmuster. Gedanken von P. Leo Maasburg, dem Nationaldirektor von “missio austria" klärten die Lage weiter. In einem Zenit-Interview stellte er nämlich fest:

“Der Sinn des Kreuzweges ist es, die eigenen Leiden in ähnlicher Art zu ,bewältigen' wie Christus selbst. Wenn man sich fragt, wie er seine Qualen denn ,bewältigt' hat, ist die Antwort sehr erstaunlich: Er hat trotz aller Ungerechtigkeit und Folter auch nicht einen Augenblick lang gehaßt - weder seine Henker, die Hohenpriester, seine Versager-Apostel, noch die Welt, die ihn nicht angenommen hat. ,Vater vergib ihnen, denn sie wissen nicht was sie tun': Wie aus einem glühenden Vulkan bricht die Kraft der Liebe durch und berührt alle, die eine Antwort, Trost oder Sinn in ihren eigenen Leiden dieser Welt suchen."

Plötzlich war mir klar: Warum klagst Du? Es geschieht heute, was immer schon geschehen ist. Als Christen sind wir mitten in einen Kampf gestellt, den wir selbst nicht gewinnen können und in dem wir uns hüten müssen, klare Grenzen zu ziehen zwischen den Guten und den Bösen. Denn der Kampf spielt sich ebenso im eigenen Herzen ab, wie ich es ja in diesen Tagen deutlich erleben konnte.

Eine Stelle, die mir beim Aufschlagen der Heiligen Schrift geschenkt wurde, war eine weitere wichtige Wegweisung. Gott sagt zum Haus Israel: “Ihr dürft nicht vor ihnen zurückweichen und dürft euch nicht vor ihnen fürchten. Der Herr, euer Gott, der euch vorangeht, wird für euch kämpfen..." (Dt 1,29f)

Erste Lehre also: Fürchtet euch nicht! Wie oft hat Papst Johannes Paul II. uns diese Worte zugerufen! Fürchtet euch nicht, öffnet die Tore für Christus! Angst ist ein schlechter Ratgeber. In wem also die Besorgnis hochkommt, die Kirche sei drauf und dran, zur Sekte zu werden, ins Ghetto zu flüchten, an öffentlichem Ansehen einzubüßen, den Herausforderungen der Zeit nicht mehr gewachsen zu sein, der möge die Tore weit für Jesus Christus öffnen. “Kommt alle zu mir, die ihre euch plagt und schwere Lasten zu tragen habt. Ich werde euch Ruhe verschaffen." (Mt 11,28)

Zweite Lehre: Es gilt, die Ruhe zu bewahren. Papst Benedikt kann uns diesbezüglich ein Vorbild sein: keine Anklage, keine eilig einberufene Pressekonferenz, ruhige Fortsetzung des Weges... Es ist vernünftig, die Ruhe zu bewahren, weil wir ja darauf vertrauen dürfen, daß Gott den Kampf für uns führt.

Dabei kann es natürlich geschehen, daß Er uns in der Auseinandersetzung einsetzt: in einem Gespräch Stellung zu beziehen, einer Diskussion nicht auszuweichen, einen Irrtum aufzuklären... Aber all das nicht in der Haltung, daß wir unsere Sache durchfechten müssen, sondern möglichst im Vertrauen auf das Wirken des Heiligen Geistes.

Gelassenheit also - und einen offenen Blick für all das, was Gott wirkt. Kritiker, die nach neuen Strukturen und Spielregeln in der Kirche rufen und uns den bevorstehenden Untergang voraussagen, übersehen nämlich, wie viele Zeichen der Hoffnung es in unserer Kirche gibt und wie viele Aufbrüche - auch und gerade in unserem Land.

Erinnert sei an die vielen Hunderttausende, ja Millionen von Jugendlichen, die der Einladung der Päpste zu Weltjugendtagen gefolgt sind und die dort gebeichtet, mit Interesse Katechesen gehört und in der Anbetung zur Stille gefunden haben. Für unzählig viele waren diese Erfahrrungen der Beginn eines neuen Lebens, eines persönlichen Glaubenslebens mit Jesus Christus. Und wie zahlreich sind die Initiativen, die aus dieser Umkehr entstanden sind! Und: Wer kann denn weltweit sonst so viele junge Leute mobilisieren: 4 Millionen in Manila, 2 Millionen in Rom, eine Million in Köln...?

Erinnert sei auch an die Millionen Menschen, die zu den Generalaudienzen von Benedikt XVI. und zum sonntäglichen Angelus auf dem Petersplatz in Rom kommen. Rekordzahlen wurden in diesem Pontifikat registriert. Erinnert sei auch an die Anerkennung, ja Begeisterung, die der Papst bei seinen Auslandsreisen erregt. Und das obwohl ihm von Medien mit großer Regelmäßigkeit ein totales Fiasko vorhergesagt wird: in der Türkei, in den USA, in Frankreich...

Die Gelassenheit, um die wir uns bemühen sollten, ist nicht zuletzt auch deswegen begründet, weil wir aus der Geschichte der letzten 150 Jahre erkennen können, daß uns der Herr eine ununterbrochene Reihe von herausragenden Päpsten geschenkt hat: vom seligen Pius IX. bis zu Benedikt XVI., fraglos die große geistige Autorität unserer Tage.

Seinen Wegweisungen und Entscheidungen darf man getrost vertrauen - und die verschiedenen Kritiken gelassen zur Kenntnis nehmen. Das gehört quasi zum Geschäft. Papst und Kirche würden nicht geprügelt werden, wenn sie unbedeutend wären. Die Welt reibt sich an ihnen, weil sie Ihre Aussagen als Stachel im Fleisch empfindet.

Im Johannes-Evangelium sagt der Herr seinen Jünger ja keineswegs einen Spaziergang durch die Geschichte voraus. Er warnt sie vielmehr: “Wenn die Welt euch haßt, dann wißt, daß sie mich schon vor euch gehaßt hat. Wenn ihr von der Welt stammen würdet, würde die Welt euch als ihr Eigentum lieben..." (Joh 15, 18f)

Wirft diese Aussage nicht sogar die Frage auf: Könnte nicht Medienapplaus auch ein Alarmsignal für allzu große Annäherung an den Zeitgeist sein?

Und noch etwas möchte ich in Erinnerung rufen, was medial gänzlich unterbelichtet ist: die vielen Aufbrüche lebendigen Glaubens in unserer Kirche. Wenn mir jemand erzählen will, die Kirche in unserem Land sterbe langsam vor sich hin, kann ich nur lachen. Ja, sie verändert ihr Aussehen, vieles, was dürr geworden ist, bröckelt ab - aber wie viele frische Triebe gibt es doch auch, die zu großer Hoffnung berechtigen!

Ohne den geringsten Anspruch auf Vollständigkeit möchte ich nur das aufzählen, was ich persönlich an neuer Blüte in der Kirche - vor allem auch unseres Landes - erlebt habe:

Loretto-Gemeinschaft, Johannes-Brüder, Jüngergemeinschaft der Kalasantiner, die Betlehem-Schwestern, die Schwestern vom Lamm, die Schwestern der Jüngersuche, die Gemeinschaft der Seligpreisungen, Jugend für das Leben, Gemeinschaft Emmanuel, die Zisterzienser in Heiligenkreuz, die Jugend- und Jungfamilientreffen in Pöllau, das Geschehen in Paray le monial, in Medjugorje, sowie die von dort inspirierte Gebetsinitiativen wie Oase des Friedens, die Weltjugendtreffen und Stadtmissionen, Radio Maria, die Gemeinschaft Cenacolo, die vielen Müttergebetsrunden... Welche Schar von Gläubigen mit einer großen Liebe zu Jesus Christus!

Wie viele Menschen kenne ich, die sich bewußt für ein Leben mit Jesus Christus entschieden haben, oft nach langen, leidvollen Umwegen und denen es ein tiefes Herzensanliegen ist, anderen von ihrer neu gefundenen Freude an einem Leben mit Jesus Christus zu erzählen!

Weiters denke ich an die vielen Priester in unserem Land, die von einer tiefen Verehrung der Eucharistie geprägt sind, die die unterschiedlichsten missionarischen Initiativen ins Leben rufen, Beichte hören, sich bis ins hohe Alter in den Dienst der Gläubigen stellen und an die zahllose Pfarren, in denen Anbetung, Familienrunden, Wallfahrten, Caritas-Initiativen und vieles mehr blühen und gedeihen...

Gerade heute war ich in der Frühmesse in Maria Enzersdorf: Herz-Jesu-Feier mit Orgelmusik, 80 bis 90 Mitfeiernde, Aussetzung des Allerheiligsten zur Anbetung den ganzen Tag, wie schon am Tag davor.

Noch etwas: Jahrzehnte war ich in der Wiener Innenstadt tätig und habe dort regelmäßig Wochentagsmessen besucht. Fast jede Stunde gibt es eine Eucharistiefeier in einer der vielen Kirchen. Und fast alle sind gut besucht, nicht nur im Dom, der Touristen anzieht. Dort wird übrigens von früh bis spät eucharistische Anbetung angeboten: Immer sind Beter in der Seitenkapelle anzutreffen. Rund um die Uhr auch Anbetung in St. Rochus...

Ich belasse es bei dieser Aufzählung. Sie macht deutlich: Es stimmt einfach nicht, daß Österreichs Kirche existentiell bedroht ist. Sie regeneriert sich, sie wird sich zunehmend ihres missionarischen Auftrags bewußt, sie versammelt sich um den eucharistischen Herrn, sie vertraut auf den Beistand der Gottesmutter, sie steht hinter dem Papst und folgt ihm gern. Das sind nämlich die entscheidenden Merkmale, der Erneuerung, die in unserer Kirche stattfindet und die Einheit schafft. Das ist die Haltung, in der die wirklich tragfähige “Basis" der Kirche ihr Leben zu gestalten versucht.

Ich habe erst als Erwachsener zum Glauben gefunden und darf bezeugen, welche Befreiung es darstellt, festen Boden unter die Füße zu bekommen, in einer Welt, die sich nach Moden (auch wissenschaftlichen) und Meinungsumfragen, nach schwankenden Konjunkturdaten und Börsenberichten orientiert, die von einem medialen Aufreger zum nächsten hetzt. Wie dankbar war ich für die Lehre der Kirche, den sicheren Orientierungspunkt und für den Dienst des Petrus, den Garanten dafür, daß ich nicht in die Irre gehe in einer verwirrten Zeit. Auch wenn ich mit mancher Lehre meine Probleme hatte, über kurz oder lang erkannte ich deren tiefe Sinnhaftigkeit.

Sich dem Hirtendienst des Petrus anzuvertrauen, ist ein wesentliches Merkmal des katholischen Glaubens. Die “heißen Eisen", die uns seit Jahrzehnten als Diskussionsstoff hingeworfen werden, sind allesamt - nach langen ausführlichen Debatten und “Dialogen" - vom Lehramt beantwortet worden. Sie wieder aufzuwärmen, bringt keinen Erkenntnisgewinn, gefährdet aber die Einheit, an der die Welt erkennen könnte, daß Jesus von Nazareth der Sohn Gottes ist. CG

Christof Gaspari

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