VISION 20006/2009
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Menschen, die irrtümlich leben?

Artikel drucken Gedanken zum wegbrechenden Lebensschutz in unseren Tagen

Durch die Freigabe der Abtreibung in den 70er Jahren wurden die ehemals bestehenden Gesetze zum Schutz des ungeborenen menschlichen Lebens zu Fall gebracht. Seitdem haben sich die Tötungen ungeborener Kinder in Westeuropa und Nordamerika verfünfzehnfacht.

Was aus dem Mutterleib abgetrieben wird, ist in den Augen vieler kein Mensch, sondern irgendetwas auf dem Weg dahin, und ein „Irgendetwas“ ist logischerweise auch nicht wert, geschützt zu werden. Wir haben aus dem Selbstbestimmungsrecht ein Recht auf Tötung eines andern gemacht. Das setzt voraus, daß dem Lebensrecht des Todgeweihten, das heißt des Ungeborenen, keinerlei Bedeutung zukommt. Eine Befugnis zur Tötung unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht kommt aber nach aktueller Rechtslage nicht einmal bei Tieren in Betracht. Umso weniger kann das Selbstbestimmungsrecht einen Grund darstellen, ein ungeborenes Kind zu töten bzw. töten zu lassen. Das zeigt in aller Deutlichkeit: Abtreibung ist kein Recht, sie ist ein großes Unrecht.
Zweifellos ist der Marsch durch die Institutionen, inklusive Parteien, den die 68er-Generation uns versprochen hat, mit Erfolg durchgezogen worden. Die über Jahrtausende gewachsene jüdisch-christliche Sexualmoral als Fundament der Familie wurde verworfen. Sämtliche Hindernisse, die der Triebbefriedigung im Wege standen, wurden beseitigt, sowohl in der Politik, in den Medien, als auch in der Rechtssprechung: das Pornographieverbot, die Erleichterung der Scheidung, die Befreiung der rechtswidrigen Abtreibung von der Strafe, die gleichgeschlechtliche Ehe, die Anerkennung der Prostitution als normaler Beruf. Als nächstes wird folgen: die Legalisierung der Pädophilie (Unzucht mit Kindern), der Polygamie und die Aufhebung des Inzestverbots. Was früher Kinderschändung hieß, wird heute „Intergenerationale Intimität“ genannt. Auch für Abtreibung hat man einen schönfärberischen Begriff gefunden: Abtreibung heißt nach neuer Lesart „reproduktive Gesundheit“.
Die Abtreibungsmentalität hat den Blick auf die Würde und Heiligkeit des ungeborenen Lebens so zerstört, daß die Grenze zum geborenen Kind immer aggressiver überschritten wird. Was denken sich die Richter, wenn sie ein Kind in bestimmten Fällen als „unzumutbare Belastung für die Frau“ oder gar als „Schadensfall“ deklarieren? Die logische Schlußfolgerung ist doch, daß auch das geborene Kind der Hilfe und des Schutzes von Vater und Mutter nicht mehr sicher ist.
Bei ihren Diskussionen um die Abtreibung haben Politiker die Tötung ungeborener Kinder im Mutterleib mit verschwommenen Begriffen wie Schwangerschaftsabbruch oder -unterbrechung, Zellhaufen oder himbeerartiges Gewebe belegt und damit den Tatbestand des Tötens eines Menschen verschleiert. Wie kommen Verantwortungsträger zu solchen Formulierungen? Jede Frau spricht doch davon, daß sie ein Kind erwartet, und nicht einen Zellhaufen!
Wenn ein Gerichtsbeschluß in Bezug auf den Unterhaltsanspruch der Eltern davon spricht, daß „der Unterhaltsaufwand für ein behindertes Kind einen Schaden darstellt“, weil die Mutter das Kind sicher abgetrieben hätte, wenn die Behinderung erkannt worden wäre, mehr noch: „daß in einem solchen Fall die Entscheidung für die Tötung des Kindes auch wegen der erheblichen finanziellen Aufwendungen, die ein behindertes Kind erfordert, gerechtfertigt werden kann“, dann muß man sich fragen: „Gibt es Menschen unter uns, die eigentlich irrtümlich leben, weil man sie versehentlich nicht abgetrieben hat? Darf man einem Menschen sagen, daß man ihn sicher pränatal getötet hätte, wenn man gewußt hätte, daß er so ist wie er nun einmal ist?“ - z.B. geistig oder körperlich behindert.
Durch dieses Urteil ist zu befürchten, daß die Ärzte schwangere Frauen zu möglichst umfangreichen Untersuchungen drängen „und im Zweifel von einer Behinderung des ungeborenen Kindes ausgehen werden - auch um sich selbst und ihr Krankenhaus gegen allfällige Schadensersatzforderungen abzusichern.“
Es ist schon mehr als einmal vorgekommen, daß Ärzte im Ultraschall glaubten eine Behinderung am Ungeborenen festgestellt zu haben, das Kind jedoch gesund zur Welt gekommen ist. Die Mutter hätte also ein gesundes Kind töten lassen, wenn sie auf den Rat der Ärzte gehört und abgetrieben hätte. Es ist eine Tragödie, daß die sogenannten christlichen Parteien weiterhin an einem Gesetz festhalten, das jährlich hunderttausenden ungeborenen Kindern den Tod bringt.
Was vor Gott nicht erlaubt ist, darf der Politiker auch nicht in der Ausübung seines Berufes als erlaubt betrachten, das sogenannte „Kleinere Übel“ bleibt ein Übel.

Inge Thürkauf

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