VISION 20006/2009
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Treue und Klugheit

Artikel drucken Worte des Papstes über das Wesen des Priestertums

Die erste Eigenschaft, die der Herr vom Knecht verlangt, ist die Treue. Ihm ist ein großes Gut anvertraut, das ihm nicht gehört. Die Kirche ist nicht unsere Kirche, sondern Seine Kirche, die Kirche Gottes. Der Knecht muß Rechenschaft ablegen, wie er mit dem Gut umgegangen ist, das ihm anvertraut wurde.
Wir binden die Menschen nicht an uns; wir suchen nicht Macht, Einfluß, Ansehen für uns selber. Wir führen die Menschen zu Jesus Christus und so zum lebendigen Gott. Damit führen wir sie in die Wahrheit und in die Freiheit, die aus der Wahrheit kommt.
Die Treue ist Selbstlosigkeit und gerade so befreiend für den Diener selbst und für die ihm Anvertrauten. Wir wissen, wie die Dinge in der weltlichen Gesellschaft und nicht ganz selten auch in der Kirche darunter leiden, daß viele, denen Verantwortung übertragen ist, für sich selbst statt für das Ganze, für das Gemeinwohl arbeiten. Der Herr zeichnet mit wenigen Strichen ein Bild des schlechten Knechtes, der Gelage hält und die Untergebenen schlägt und so das Wesen seines Auftrags veruntreut.
Im Griechischen fällt das Wort Treue mit dem Wort Glauben zusammen. Die Treue des Knechts Jesu Christi besteht gerade auch darin, daß er nicht versucht, den Glauben nach den Moden der Zeit zurechtzuschneiden. Nur Christus hat Worte ewigen Lebens, und die müssen wir zu den Menschen bringen. Sie sind das kostbare Gut, das uns anvertraut ist. Solche Treue hat nichts Steriles und nichts Statisches an sich. Sie ist schöpferisch. Der Herr tadelt den Knecht, der das übergebene Gut vergraben hatte, damit ihm nichts geschehe. Mit dieser scheinbaren Treue hat er in Wirklichkeit das Gut des Herrn weggelegt, um nur noch seine eigenen Dinge betreiben zu können. Treue ist nicht Angst. Sie ist inspiriert von der Liebe und ihrer Dynamik.
Der Herr lobt den Knecht, der sein Gut gemehrt hat. Der Glaube will weitergegeben werden: Er ist uns nicht nur für uns selbst, für unser eigenes Seelenheil, sondern für die anderen übergeben, für diese Welt und unsere Zeit. Wir müssen ihn hineinstellen in diese Welt, damit er lebendige Kraft in ihr werde. Damit in ihr Gottes Gegenwart wachse.
Die zweite Eigenschaft, die Jesus vom Knecht verlangt, ist die Klugheit. Hier gilt es, gleich zu Beginn einem Mißverständnis zu wehren. Die Klugheit ist etwas anderes als Schlauheit. Klugheit ist nach der griechischen philosophischen Tradition die erste Kardinaltugend. Sie bedeutet den Primat der Wahrheit, die durch die „Klugheit“ Maßstab unseres Handelns wird.
Klugheit verlangt die demütige, zuchtvolle und wache Vernunft, die sich nicht von Vorurteilen blenden läßt; nicht nach Wünschen und Leidenschaften urteilt, sondern die Wahrheit sucht, auch die unbequeme Wahrheit. Klugheit bedeutet, nach der Wahrheit zu suchen und zu handeln. Der kluge Knecht ist zuallererst ein Mensch der Wahrheit, der redlichen Vernunft. Gott hat uns durch Jesus Christus das Fenster der Wahrheit weit geöffnet, das uns von unseren eigenen Kräften her oft schmal und nur teilweise durchsichtig bleibt.
Er zeigt uns in der Heiligen Schrift, im Glauben der Kirche die wesentliche Wahrheit über den Menschen, die unserem Handeln die rechte Richtung gibt. (…) Nicht durch das kleine Fenster unserer eigenen Schlauheit lassen wir uns leiten, sondern durch das große Fenster auf die ganze Wahrheit hin, das Christus uns aufgetan hat, schauen wir die Welt und die Menschen an und erkennen so, worum es im Leben wirklich geht.

Auszug aus der Predigt im Petersdom anläßlich der Bischofsweihe am 12.9.09.

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