VISION 20002/2010
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Vom Kopf bis zu den Zehenspitzen verschieden

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In der menschlichen Partnerschaft geht es darum, in Freiheit die Unterschiede aufeinander abzustimmen, und nicht darum, sie abzuschaffen. Jeder hat seine eigene Persönlichkeit, seine Identität und natürlich sein eigenes Geschlecht. Und diese Partnerschaft ist ein Bund! Da geht es nicht um Entfremdung, um Unterwerfung des einen unter den anderen, obwohl dies leider vorkommt, wenn einer der Partner den anderen erdrückt.


Wir erkennen uns zunächst als Mann oder als Frau, weil wir körperlich unterschiedlich sind, vom Kopf bis zu den Zehenspitzen! Das kleine Kind spürt einfach schon bei der Berührung, am Geruch, am Klang ihrer Stimme, daß Vater und Mutter verschieden sind. Die Fülle der Verschiedenartigkeit von Mann und Frau – und deren Ergänzung – ist daher keineswegs auf die Geschlechtsmerkmale beschränkt. Sie ist weit umfassender. Nur eines von vielen Beispielen: Daß es in der Kirche Männer- und Frauenorden gibt, ist vor allem darauf zurückzuführen, daß es auch im Bereich der Spiritualität – (zuunrecht) als am wenigsten körperbezogen angesehen – unterschiedliche Wege zum Einswerden mit Gott gibt, je nachdem, ob man Frau oder Mann ist. Im Leben der Heiligen tritt deren Geschlecht niemals in den Hintergrund. Die heilige Therese von Avila begegnet Gott als Frau, der heilige Johannes vom Kreuz hingegen als Mann.


Bestimmte Ideologen vertreten ein prometheisches Konzept. Sie erliegen jener Versuchung, von der die Bibel spricht: „Ihr werdet sein wie Gott“.
Diesen Ideologen zufolge soll der Mensch sein eigenes Maß sein. Sie verlangen, daß er sein Schicksal ganz in die eigenen Hände nimmt, ja er soll seine eigene Identität erzeugen. Der Leitgedanke: Der Mensch ist vollkommen frei, er hat sich Tag für Tag neu zu erfinden, indem er sich von allem Vorgegebenen – sei es körperlich oder sonstwie – befreit. Gibt es aber keine Natur, keine Grenzen, keine Gesetze mehr, dann kann es auch keine soziale und politische Ordnung geben. Dann aber setzt sich der Starke durch.

Philippe Oswald

Der Autor ist Chefredakteur von „Famille Chrétienne“, seine Aussagen sind einem Gespräch in der Ausgabe vom 28.10.06 der Zeitschrift entnommen.

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