VISION 20002/2010
« zum Inhalt Zeugnis

Wenigstens bis Weihnachten leben…

Artikel drucken Eine Familie, die schon lange mit dem Tod der jungen Mutter rechnen mußte (Von Peter Ungar)

Svetlana Ungar (siehe Zeugnis 4/09) ist Ende 2009 gestorben. Seit Jahren hatte sie mit einer Krebserkrankung gekämpft, die sich zunehmend in ihrem Körper ausbreitete. Im folgenden das Zeugnis ihres Mannes über ihren heroischen Heimgang.
Unsere drei Jungs (Sascha und Raphael 14 und Jan 6 Jahre) waren immer in den Krankheitsverlauf eingebunden. Wir erlebten in diesen Jahren ein Wechselbad der Gefühle. Nach der Bekehrung unserer Familie im Jahr 2007 und dem Einzug des Glaubens in unser Leben, erhielten wir große Gnaden und viel Freude. Wir gingen diesen Glaubensweg zu fünft, lernten Radio Maria kennen, wurden Mitglied der Gemeinschaft Immaculata, gründeten einen Kindergebetskreis, ich machte die Ausbildung zum Lektor und Kommunionsspender …
Svetlana, ein lebensfroher, humorvoller Mensch, hatte immer ein offenes Ohr für die Sorgen ihrer Mitmenschen. Wenn jemand zu ihr kam, ließ sie alles liegen und stehen und widmete all ihre Aufmerksamkeit dieser Person, auch wenn sie noch so viel Arbeit im Haushalt hatte, die konnte warten.
Ende September 2009 wurde bei einer gynäkologischen Kontrolluntersuchung im Unterbauch ein weiterer Tumor, der eine Operation erforderlich machen würde, diagnostiziert. Im weiteren Verlauf verschlechterte sich ihr Gesundheitszustand sehr. Am 26. Oktober waren die Leberwerte so hoch, daß uns die Ärzte mitteilten, Svetlana werde sterben. Wir konnten es kaum glauben, daß jetzt alles aus sei.
Unsere großen Jungs waren zur dieser Zeit mit 40 anderen Kindern in Assisi bei einer Wallfahrt der Gemeinschaft Immaculata. Am 27. Oktober hatten wir die schwere Aufgabe, unsere Kinder über den Zustand ihrer Mutter zu informieren. Magdalena, eine sehr gute Freundin, und Br. Philemon (beide Firmpaten von Raphael und Sascha) standen uns dabei zur Seite. Wir weinten viel und Svetlana versuchte, uns Hoffnung durch ihr tiefes Gottvertrauen zu machen. In der Krankenhauskapelle setzten wir uns vor Jesus. Beim Gebet kamen wir alle zu Ruhe.
Svetlana wurde operiert. Vorher scherzte sie mit den Ärzten, sie sollten keinen Pfusch machen, weil Jesus ihnen auf die Finger schaut. Der postoperative Verlauf war zunächst zufriedenstellend und sie kam heim. Aber am 26. November mußte Svetlana wieder im Krankenhaus aufgenommen werden. Zwei Tage zuvor hatte sie noch ihren 36. Geburtstag „gefeiert“.
Am nächsten Tag rief mich eine Ärztin an, ich sollte meine Kinder holen, da Svetlana ihrer Meinung nach heute oder in den nächsten Tagen sterben werde. Ich fuhr also am Nachmittag mit unseren drei Burschen ins Krankenhaus. Svetlana hatte keine Angst, obwohl doch ihr Tod so nahe schien. Sie wollte nochmals beichten und die Krankensalbung empfangen. Ich rief ihre Eltern an, damit sie sich auch von ihnen verabschieden konnte. Außerdem wünschte sie sich, daß einige sehr gute Freunde zu ihr ins Krankenhaus kommen. Im Laufe des Nachmittages füllte sich das Krankenzimmer. Svetlana war glücklich, daß sie alle gekommen waren. Im Zimmer war keine Traurigkeit zu spüren. Die zwei anwesenden Ärzte waren tief beeindruckt vom Lobpreis für den Herrn und der Kraft die Svetlana ausstrahlte. Ich dachte mir: So wie sie aussieht, stirbt man nicht, nicht jetzt. An diesem Tag sollte ich rechtbehalten.
Die Ärzte ermöglichten mir, auch in der Nacht bei Svetlana zu bleiben. Wir hatten ein Zwei-Bett-Zimmer und ich konnte 24 Stunden in ihrer Nähe sein. In den Tagen nach der Krankensalbung fühlte sich Svetlana besser, sie konnte morgens sogar eine Kleinigkeit essen. Jan, unser Jüngster, schlief fast jeden zweiten Tag bei uns im Krankenhaus. Sascha und Raphael, die ein Internat besuchen, wurden von der Schule freigestellt und hatten ebenfalls die Möglichkeit, oft bei ihrer Mama zu bleiben. Die Besucherströme rissen nicht ab, da Svetlana sich von allen Freunden verabschieden wollte. Im Krankenzimmer war Liebe und Hoffnung spürbar. Viele, die verständlicherweise traurig und betroffen kamen, gingen mit neuer Hoffnung weg und bewunderten Svetlana, mit welcher Liebe sie jedem einzelnen Trost spendete.
Einmal fragte sie jemand woher sie diese Kraft habe? Sie antwortete: „Ich vertraue Jesus, und vor einiger Zeit wurde mir bei dem Vaterunser-Satz „Dein Wille geschehe“ bewußt: Herr ich übergebe mich Dir, wenn es Dein Wille ist, nimm mich zu Dir. Ich vertraue auf Dich. Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“!
Svetlana ging, wenn es ihr möglich war, mehrmals am Tag in die Kapelle, um zu beten und erhielt täglich die heilige Kommunion durch Br. Franz, den Krankenhausseelsorger. In der Nacht hatten wir beide Zeit für Gespräche über die Zukunft, wie ich mein Leben ohne sie weiterleben könne. Svetlana sagte auch, wie sie sich ihr Begräbnis vorstellte. Sie wies eindringlich darauf hin, keine schwarze Kleidung zu tragen. Wir sollen nicht traurig sein, sie würde ja zum Herrn gehen…
Ich hatte immer sehr große Angst um Svetlana, da ich mir nicht vorstellen konnte, wie mein Leben ohne sie weiter gehen könnte. Sie war immer voller Zuversicht und Glauben und sagte zu mir: „Peter, wenn du nur zehn Prozent meines Vertrauen hättest, dann hättest du auch keine Angst.“ In diesen Tagen konnte ich ihr dann sagen: „Ich glaube, ich habe die zehn Prozent erreicht…“
Svetlana ließ mich ihre tiefe Liebe, die sie für mich empfand, immer wieder spüren. Die letzten Worte, die sie mir bei vollem Bewußtsein in der Nacht zum 13. Dezember sagte, waren: „Peter, ich will nur, daß es dir gut geht. Ich liebe dich, mein Schatzi.“ Diese Worte höre ich noch immer und sie geben mir Lebensfreude.  
Der Bewusstseinszustand begann sich von da an rapide zu verschlechtern.  Weil sie unbedingt nach Hause wollte, nahmen wir Svetlana am 16. Dezember zu ihrer großen Freude heim. Bald war auch das Sprechen unmöglich.
Jan wollte unbedingt, daß die Mama wenigstens bis Weihnachten lebt. Er sagte: „Wenn die Mama schon stirbt, dann soll sie zu Weihnachten sterben.“ Er erklärte mir seinen Wunsch so: „Wenn die Mama zu Weihnachten stirbt, können wir die Geburt Jesu auf der Erde und die Geburt der Mama in den Himmel an einem Tag feiern.“  
Es kam der 21. Dezember. Ich brachte Jan zu einer Weihnachtsfeier in die Schule. Auf der Heimfahrt hörte ich die Heilige Messe für ehrenamtliche Mitarbeiter von „Radio Maria“, die Programmdirektor Andreas Schätzle feierte. In seiner Predigt sagte er, auch der 21. 12., der Tag, an dem es wieder heller wird, an dem die Finsternis besiegt wird, sei etwas Ähnliches wie Weihnachten. Denn Jesus ist das Licht, und das Licht kommt in die Dunkelheit der Welt…
Zu Hause setzte ich mich zu meiner Frau ans Bett. Sie atmete nur mehr sehr flach. Mir war klar, Svetlana werde in den nächsten Stunden sterben. Im Schlafzimmer hörten wir die Messe weiter. Es war mittlerweile die Gabenbereitung. P. Andreas bat vor dem „Vater unser“ die Hörer, um ihr Gebet für Peter und Svetlana. In dieser Sekunde atmete Svetlana aus und nie wieder ein. Sie starb in der Gegenwart Jesu auf dem Altar von Radio Maria um 18 Uhr 25.
Ich verspürte keine Traurigkeit, sondern einen tiefen inneren Frieden, eine Freude, daß Svetlana nun vereint mit Jesus ist. Als Jan und Sascha heimkamen, war Jan traurig, daß seine Mama nicht bis Weihnachten gelebt hatte. Ich konnte ihm aber von der Predigt erzählen, worauf er sagte: „Die Mama ist ja doch zu Weihnachten gestorben, nächstes Jahr feiern wir auch am 21. Er zeichnete einen Engel und schrieb darauf: MAMA, JANS MUTTER. Die Zeichnung legte er Svetlana auf den Bauch. Und Sascha schenkte seiner Mama zu ihren „Weihnachten“ eine Barbiepuppe, die sie als Kind nie bekommen hatte, und legte sie in ihre Arme.
So bunt wie Svetlanas Leben war, so bunt bemalten wir auch ihren Sarg. Er soll für uns auch den Glauben, die Hoffnung und die Liebe von Svetlana zu Jesus ausdrücken. Der Tod meiner Frau hat mich bis heute kein einziges Mal zweifeln lassen. Unser Glaube wurde durch ihren Tod gestärkt.
Das ist auch der Grund, warum ich diesen Artikel geschrieben habe: Euch Hoffnung und Mut zu machen, dass der Tod eines geliebten Menschen nicht das Ende, sondern der Beginn einer neuen Beziehung im Geiste des Herrn und Ihrer Lieben ist.
Liebe, die über den Tod hinaus besteht…

© 1999-2024 Vision2000 | Sitz: Hohe Wand-Straße 28/6, 2344 Maria Enzersdorf, Österreich | Mail: vision2000@aon.at | Tel: +43 (0) 1 586 94 11