VISION 20003/2010
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Die Priester daran erinnern, wer sie sind

Artikel drucken Wie die Selige Mutter Teresa den Priester gesehen hat

Der Mißbrauchsskandal hat in den Medien weitverbreitet den Ruf nach Abschaffung des Zölibats laut werden lassen. Der Weisheit letzter Schluß? Erneuerung ja, aber in welche Richtung? Diese Frage stellten wir dem langjährigen Begleiter der Seligen Mutter Teresa, dem heutigen Nationaldirektor von „missio austria“.


Wie soll man verstehen, daß gerade im Priesterjahr diese arge Mißbrauchs-Geschichte aufbricht? Macht diese Katastrophe deutlich, daß es der Erneuerung des Priesterstandes bedarf?
P. Leo Maasburg:
Die schlimme Tragödie der Mißbrauchsfälle stellt uns auch vor folgende wichtige Frage: Was ist ein Priester nach dem Herzen Christi eigentlich? Das wird meist ganz oberflächlich beantwortet. In einer Kirche, die seinerzeit eng mit staatlichen Strukturen verbunden war, sich dann zwar auf eine neue politische Realität umgestellt hat, aber immer noch eng am Staat orientiert blieb, ist die Gefahr groß, daß Priester zu Beamten werden: versichert, mit fixem Gehalt, Pensionsanspruch, geregelten Dienstzeiten… Die Versuchung, sich da als Beamter zu fühlen, der eben verwalten muß, was es an „Kapital“ gibt, ist groß. Die Dinge so zu sehen, ist aber eine tödliche Gefahr für den Priester.


Und die Alternative?
Maasburg
: Die Antwort auf die Frage, was der Priester eigentlich ist, ist letztlich ganz einfach, aber sehr herausfordernd: Er ist, wie der lateinische Ausdruck sagt, ein „alter Christus“ - ein zweiter Christus: Christus ist das Licht, und der Priester muß Träger des Lichts in der Welt von heute sein. Wenn ich mit dieser Welt aber zu sehr verwoben bin, kann es passieren, daß ich ein „Glühwürmchen der Welt“ werde, statt ein strahlendes Licht Christi zu sein. Meiner Ansicht nach will uns Christus heute an das erinnern, was schon Papst Johannes XXIII. zur Eröffnung des Zweiten Vatikanischen Konzils gesagt hat: Daß die Kirche dringend ein ,aggiornamento’ braucht. Aber was haben wir daraus gemacht? Eine Vereinnahmung der Kirche durch die Welt!

Vom mangelnden „aggiornamento“, dem Fehlen von Reformen, sprechen doch fortwährend alle Kirchenkritiker…
Maasburg:
Da ist zu unterscheiden: Die Kirche hätte – wie Johannes Paul II. es uns zugerufen und vorgemacht hat – die Tore weit öffnen sollen, um in die Welt hinauszugehen und sie zu missionieren. Was ist stattdessen geschehen? Die Tore wurden aufgemacht, aber kaum jemand ist hinausgegangen! Dafür ist die ganze Welt mit ihren weltlichen Sichtweisen in die Kirche eingedrungen. Das hat auch uns Priester getroffen und deshalb sind die Priester in Gefahr, ihre eigentliche Berufung zu verfehlen.

Worauf zielt der Appell nun ab?
Maasburg: Darauf, daß Priester Christi auch Priester Christi bleiben sollen und die priesterlichen Tugenden erhalten bleiben müssen. Da stehen wir vor der Frage: Woran erkennt sich der Priester selbst als Priester? Darf ich das exemplarisch für mich selbst beantworten? Ich habe mich am meisten als Priester im Spiegel einer bescheidenen alten Frau, der Seligen Mutter Teresa, erkannt. Sie hatte einen enormen Respekt vor allen Priestern. Gleichzeitig aber war ihr stets bewußt, daß die Priester auch nur Menschen sind. Sie hat es geschafft, im Priester Christus und gleichzeitig den schwachen Menschen zu sehen. So verstand ich immer mehr, daß der Priester vom Abbild des wahren Menschen auch zum Abbild des „alter Christus“ kommen muß. Dazu gibt es viele Hilfen: Eine systematische Seminarausbildung, das Beispiel und die Ratschläge von großen Heiligen, lebenslange Begleitung durch den Bischof, prägende pastorale Erfahrungen usw. Um sich formen zu lassen, braucht der Priester eine ständige Bereitschaft zur Veränderung und ein waches und gebildetes Gewissen, das ihm sagt, ob er auf dem Weg zu Christus ist oder nicht. Ein Priester muß sich anstrengen in seiner Weiterbildung, seiner spirituellen Vertiefung, in seinem „charity planning“ (Planung konkreter Liebes?taten), der Vertiefung seiner Liebesfähigkeit, um nur einiges zu nennen. Sobald jemand beginnt, nur mehr zu verwalten, bleibt er nicht nur in seiner Entwicklung stehen, sondern er fällt zurück. Dafür gibt es Alarmzeichen: Wenn das Gebet weniger wird und periodenweise aufhört, wenn die tägliche Hl. Messe „unbedeutend“ wird, wenn im eigenen Herzen der Friede nicht mehr ausreichend stark ist, daß man ihn auch weitergeben kann, wenn man schon bei geringen Irritationen ein Pulverfaß ist, die Umgebung also nicht mit Liebe, sondern mit Hochspannung verbrennt.

Fühlen sich nicht viele Priester heute von der enormen Fülle ihrer Aufgaben überfordert?
Maasburg: Es gibt unterschiedliche Formen der Überforderung: sind es administrative Aufgaben, so befindet sich der Priester in der erwähnten Situation des Beamten. Es gibt eine zweite Form der Überforderung, die alle Heiligen erlebt haben: Sie waren von der Liebe Christi angetrieben und daher menschlich tatsächlich überfordert. Daß sie es trotzdem „überlebt haben“, war auf ihre Christusnähe zurückzuführen. Wir Priester müssen uns fragen, unter welcher Art der Überforderung wir jeweils leiden. Jemand meinte einmal: Ein Priester, der regelmäßig sein Brevier betet, der erlebt kein „Burnout“. Ein Mindestmaß von eineinhalb Stunden Gebet pro Tag, zusätzlich zur täglichen Heiligen Messe, schützt vor falschen Formen der Überforderung.

Hat Mutter Teresa präzise Vorstellungen von der Erneuerung des Priesterdienstes entwickelt?
Maasburg: Sie hat den Priestern vor allem in Erinnerung gerufen, wer sie sind. Sie sagte: „Wie rein müssen eure Hände sein, damit sie den Leib Christi berühren können, wie rein eure Lippen, um das Blut Christi zu trinken!“ Diese Art von Ermutigung, die implizit eine Anfrage war, gab sie uns. Aber sie war sich auch der Schwächen bewußt. Einmal hat sie zu einem Priester gesagt: „Father, if you continue this way, you will go to hell!“ (Wenn Sie so weitermachen, landen sie in der Hölle) – übrigens ganz leise und freundlich. Meist aber hat sie die Priester vor allem durch ihre praktische Liebe und Verehrung für sie gelehrt zu erkennen, wer und was sie selber sind. Wie groß dieser Respekt war, wurde mir deutlich, als ein Mitbruder mir einmal sagte, wir müßten uns gut überlegen, welche Ratschläge wir Mutter Teresa gäben, weil: „Sie macht ja tatsächlich, was ich ihr sage!“.

Ist diese Art des Umgangs mit Priestern ein Modell auch für uns Laien?
Maasburg: Mich hat eine Geste meiner Mutter nach meiner Priesterweihe sehr beeindruckt: Sie hat mir die Hände geküßt anstatt ich ihr – wie es mir von klein auf beigebracht worden war. Damit machte sie mir das Besondere deutlich, das nicht in meiner Persönlichkeit oder meinem Charakter, sondern in der Weihe begründet ist.
Viele werden darauf antworten: So kultiviert man einen ungesunden Klerikalismus…
Maasburg: Das stimmt: Als Mensch kann der Priester in Versuchung geraten, den Weihrauch zu genießen und zu glauben, daß er ihm als Mensch gelte. Sobald er sich zu überheben anschickt, bedarf er da auch der Korrektur. Katherina von Siena hat uns das vorgelebt. Diese Heilige hat sogar den Papst kritisiert. Aber nicht, was seine hierarchische Stellung und theologische Autorität anbelangt, sondern in seinem Verhalten als getaufter Christ. Sie nannte es eine Korrektur „von Schaf zu Schaf“.

Mutter Teresa hat eine Priesterbewegung gegründet. Gibt es da zukunftsträchtige Wegweisungen aus der jetzigen Krise?
Maasburg: Ja, die von Mutter Teresa gegründete Corpus Christi Bewegung! Sie ist für Priester gedacht, die nicht in einer Ordens- oder sonstigen Priestergemeinschaft eingebunden sind. Sie finden dort eine Gemeinschaft und innere Orientierung als Priester. Mittelpunkt der Spiritualität dieser Bewegung ist die Heilige Messe und ihr zentraler Platz im priesterlichen Leben. Auch der Eucharistischen Anbetung wird eine besondere Bedeutung beigemessen. Die Bewegung hilft den Priestern, so wie Mutter Teresa selbst, in den Ärmsten der Armen Christus zu sehen, und ihm in ihnen zu dienen. Für einen Priester wird das vielfach die Hinwendung zu jenen bedeuten, die seelisch besonders arm sind. Noch ein besonderes Geschenk bietet die Bewegung: Eine der Schwestern der Missionarinnen der Nächstenliebe zu „adoptieren“ und regelmäßig für sie in der Heiligen Messe zu beten. Im Gegenzug opfert die Schwester ihre Gebete und Leiden für den Priester auf. So entsteht eine spirituelle Gemeinschaft. Letztere wird auch durch die regelmäßigen Treffen unter den Priestern gepflegt. Bei solchen Treffen bekomme ich Klarheit, Freude, Bestärkung. Ich erfahre: Die anderen haben dieselben Freuden und kämpfen mit ähnlichen Schwierigkeiten. Damit ist auch das Problem der Einsamkeit so vieler Priester gelöst. Ich bin Teil eines Netzes von Priestern, die ich mittrage und die mich mittragen. Das war auch für Mutter Teresa so wichtig, daß sie noch drei Wochen vor ihrem Tod eigens nach Rom geflogen ist, um von Johannes Paul II. die Anerkennung dieser Bewegung zu erwirken. Sie sah in ihrer letzten Gründung, der Corpus Bewegung, ein Geschenk das „directly from the heart of Jesus“ (direkt aus dem Herzen Jesu) kommt, wie sie sagte. Und dieses Geschenk ist sicher wegweisend für uns Priester!

Msgr. Dr. Leo-M. Maasburg ist Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke (www.missio.at) und Vizemoderator der Corpus Christi Bewegung. Mit ihm sprach CG.
Webtipp: http://www.corpuschristimovement.org

 

 

 

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