VISION 20003/2011
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Nachlese

Artikel drucken (Helmut Hubeny)

Die Seligsprechung unseres Papstes Johannes Paul II haben meine areligiösen Freunde mit Gelassenheit, viele meiner christlichen Freunde mit Begeisterung, einige aber mit großen Vorbehalten verfolgt. Ich gestehe, daß auch mich manche Äußerlichkeit um „Petrus“ herum immer wieder nachdenklich macht.
Aus gegebenem Anlaß habe ich alle 14 Enzykliken Johannes Pauls gelesen, teils wiedergelesen. Ich bin beeindruckt von der Redlichkeit und Sachlichkeit der Argumentation, von der spürbaren Glaubenstiefe. Ich freue mich über die Stimmigkeit zwischen dem lebendigen Christus „in mir“ und dem, der in den Rundschreiben des Petrus auf mich zukommt, auch dann, wenn ich meine Meinung neu überdenken muß.
VISION 2/2011 hat mir bewußt gemacht, wie dieser starke Papst von Anfang an bereit war, die Kirche ins dritte Jahrtausend zu führen: „ Der Erlöser des Menschen, Jesus Christus, ist die Mitte des Kosmos und der Geschichte“, daher wird „für die Kirche und das Volk Gottes … das Jahr 2000 ein wichtiges Jubiläum darstellen“ (Redemptor Hominis 1979).
Die Bitte des Papstes hat mich tief berührt: „daß die Einheit zwischen allen Christen der verschiedenen Konfessionen bis hin zur Erlangung der vollen Gemeinschaft wachsen möge“ (Tertio millenium adveniente 1994).
In einer Bibelrunde erlebe ich immer wieder die Einheit in Christus mit evangelischen Freunden. Bei meinen Besuchen Israels und der besetzten palästinensischen Gebiete entdeckte ich schmerzlich, daß dort ein Häuflein von 200.000 Christen, zersplittert auf 13 Konfessionen, inmitten von 6 Millionen Juden und 5 Millionen Muslimen ums Überleben kämpft.
Verbunden damit ist eine Sehnsucht nach Einheit, dankbar erlebt zuletzt beim Trauergottesdienst der koptischen Kirche Wien für die ägyptischen Märtyrer, beim Schweigemarsch für die verfolgten Christen, in unserem monatlichen Mirjam-Gebet um gerechten Frieden im Nahen Osten, bei der ökumenischen Vesper am Ostermontag in Wien…
Johannes Paul war sich als Bischof von Rom der „Schwierigkeit für den Großteil der anderen Christen, deren Gedächtnis durch gewisse schmerzliche Erinnerungen gekennzeichnet ist“ bewußt, bat um Verzeihung und erinnerte, daß „nach Jahrhunderten erbitterter Polemik die anderen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften zunehmend mit einem neuen Blick Untersuchungen an diesen Dienst an der Einheit anstellen“.
Er stand zu seiner „besonderen Verantwortung, … eine Form der Primatsausübung zu finden, die zwar keineswegs auf das Wesentliche ihrer Sendung verzichtet, sich aber einer neuen Situation öffnet“ (Ut unum sint 1995).
In seiner letzten Enzyklika (Ecclesia de Eucharistia 2003) wiederholte Johannes Paul II, „nach dem Ziel der vollen eucharistischen Gemeinschaft mit allen Brüdern und Schwestern zu streben, mit denen uns die allgemeine Taufe verbindet“.
2005 bekannte sein Nachfolger Benedikt XVI in seiner ersten Botschaft die vorrangige Verpflichtung zur „Wiederherstellung der vollen und sichtbaren Einheit aller Jünger Christi“, die Notwendigkeit des theologischen Dialogs und die der „Reinigung des Gedächtnisses“. Ich bete und hoffe, daß uns diese Einheit geschenkt wird.

Helmut Hubeny

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