VISION 20004/2011
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Der heilige Damian de Veuster

Artikel drucken Botschaftan uns (Dom Antoine Marie, OSB)

Der 2009 heiliggesprochene Damian de Veuster wurde 1840 in Tremelo in Flämisch-Brabant (Belgien) geboren und auf den Namen Jef (Josef) getauft. Sein Vater betrieb einen Bauernhof und eine Kornhandlung, so dass die große Familie mit acht Kindern in relativem Wohlstand leben konnte. In diesem christlichen Haus, aus dem vier Kinder später einem Orden beitraten, war es undenkbar, gegen die Gebote Gottes und der Kirche zu verstoßen. Sonntags waren sogar Näharbeiten verboten.

Obwohl sein Lehrer ihn für begabt hielt, verließ Jef auf Wunsch der Eltern mit 13 die Schule und arbeitete auf dem Bauernhof mit. 1858 nahm er an einer Gemeindemission teil und empfing dabei seine Berufung. „Ihr wisst“, schrieb er an seine Eltern, „dass wir uns, um ewig glückselig zu werden, alle für den Stand entscheiden sollen, den Gott für uns vorbestimmt hat; daher könnt ihr euch nicht über meine Berufung grämen.“ Seine Wahl fiel auf die „Kongregation von den Heiligsten Herzen Jesu und Mariens“.
Er lernte in sechs Monaten selbständig Latein und zeigte sowohl Neigung als auch Begabung zum Studieren; so wurde er von seinem Vorgesetzten zum Studium zugelassen. 1860 legte Bruder Damian seine ewigen Gelübde ab. Danach setzte er sein Studium in Paris und Leuven fort. 1863 stand sein Bruder kurz davor, sich nach Ozeanien einzuschiffen, wurde jedoch krank und konnte nicht fahren. Damian ergriff die Gelegenheit und bat den Generaloberen um die Erlaubnis, an Stelle seines Bruders reisen zu dürfen, obwohl seine Ausbildung noch nicht abgeschlossen war.
Am 30. Oktober 1863 bestieg eine Gruppe von Missionaren, darunter auch Damian, ein Schiff nach Hawaii, wo Damian zum Priester geweiht wurde. Er bekam den Bezirk Puna zugewiesen, in dem eine Menge Arbeit auf ihn wartete: Seit acht Jahren gab es dort keinen Pfarrer mehr. Im März 1865 musste Kamiano, wie er auf Hawaianisch hieß, den riesigen Bezirk Koala übernehmen und bürdete sich dadurch eine Aufgabe auf, die zehn Missionare erfordert hätte. Dank seiner robusten Konstitution konnte er schnell Erfolge erzielen. Er brachte christliche Gemeinden zum Blühen, sorgte für Gebetshäuser, predigte, nahm Beichten ab, besuchte Kranke und fungierte als Architekt, Zimmermann und Maurer beim Bau von Kirchen und Schulen. Er drang in die entlegensten Regionen vor und nahm dafür gefährliche Kletterpartien und Flussüberquerungen auf sich, bei denen er mehrfach beinahe ertrank.
1865 beschloss die Regierung die Isolierung der Leprakranken. Sie wurden auch gegen ihren Willen in ein Lepralager auf der Halbinsel Kalawao im Norden der Insel Molokai verschleppt. Es handelte sich um eine 17 km2 große trostlose Landzunge. Die Regierung sorgte für Nahrung und Bekleidung, doch die Aussätzigen hatten keinen Unterschlupf außer ein paar elenden Hütten, in denen sie im Dreck zusammengepfercht lebten. Zur Lepra, die den Körper zerfraß, kamen alle psychischen und moralischen Gebrechen hinzu, die mit Verzweiflung und Müßiggang einhergehen. Die meisten Kranken betranken sich, zwangen die Frauen zur Prostitution und feierten Orgien vor den Altären der Göttin Laka, der Venus der Kanaken.
P. Damian wusste, worum es ging, als er sich 1873 als Freiwilliger für die Betreuung der Leprakranken meldete. Am 10. Mai landete er, begleitet von seinem Bischof, mit seinem Brevier als einzigem Gepäck in Kalawao. „Bislang wart ihr allein und verlassen, meine Kinder“, sagte Bischof Maigret. „Das wird nun anders. Hier kommt jemand, der euer Vater sein wird. Er liebt euch so sehr, dass er nicht zögert, um eures Glückes und um das Heil eurer unsterblichen Seele willen einer von euch zu werden und mit euch zu leben und zu sterben.“ Die Kranken konnten ihre Rührung nicht verbergen.
Die erste Zeit war hart: Nachts hatte P. Damian kein anderes Dach über dem Kopf als einen Baum neben der Kapelle. Am schwersten zu ertragen waren der Anblick der Aussätzigen und der faulige Geruch, den ihre zerfressenen Gliedmaßen verströmten. Doch „sie haben eine Seele, die durch das kostbare Blut unseres göttlichen Erlösers losgekauft wurde“, schrieb er. „Ich kann sie zwar nicht heilen wie der Herr, doch ich kann sie zumindest trösten.“ Er machte sich um Christi willen ihre Belange zueigen und betrachtete sich als einen von ihnen: „Wenn ich predige, sage ich immer: ‚Wir Aussätzigen’. Könnte ich sie doch alle für Christus gewinnen!“
Die Ankunft Kamianos war ein Hoffnungsschimmer für die rund 800 Ausgestoßenen. Jede Woche besuchte er alle Hütten, ohne zwischen Gläubigen und Ungläubigen, Protestanten und Katholiken zu unterscheiden. Um Seelen zu retten, bemühte er sich, körperliche Leiden zu lindern und Vertrauen zu gewinnen. Er war Krankenpfleger, Zimmermann, Ingenieur, Totengräber, Anwalt, Kapellmeister. P. Damians heldenhafter Einsatz löste eine wahre Spendenlawine aus.
Wo vor kurzem noch das Gesetz des Dschungels geherrscht hatte, gedieh nun eine Gemeinschaft, in der auch der Schwächste einen Platz hatte: den ersten Platz! Als 1884 ein amerikanischer Professor 16 Jahre nach seinem ersten Besuch wieder nach Molokai kam, traute er seinen Augen nicht. Die Siechstation hatte zwei hübschen Dörfern mit weißen, von Blumen- und Gemüsegärten umgebenen Häuschen Platz gemacht, mit Zufahrtsstraße und Wasserleitung. Es gab ein Krankenhaus, Waisenhäuser mit fröhlichen Kindern, zwei volle Kirchen, einen schönen Friedhof. Mit Fanfaren angekündigte Feste, Umzüge und Pferderennen sorgten für Abwechslung. Nur demütige Liebe hatte solche Veränderungen bewirken können.
Woher bezog P. Damian diese Liebe und diese  Kraft zu so vielen schönen Initiativen? Sein Herz schlug im gleichen Takt wie die Herzen Jesu und Mariens und übernahm deren Gefühle, Freuden und Schmerzen. Er hatte sich dem Heiligsten Herzen Jesu in der eucharistischen Anbetung geweiht. „Ohne die ständige Präsenz unseres göttlichen Meisters in meiner armen Kapelle“, schrieb P. Damian, „hätte ich nie bei meinem Entschluss bleiben und das Schicksal der Aussätzigen teilen können.“ Er lebte von der Eucharistie. „Mit unserem Herrn an meiner Seite bleibe ich stets fröhlich, zufrieden und arbeite eifrig zum Wohle dieser unglücklichen Armen.“ Er führte, sobald er konnte, die ewige Anbetung in Kalawao ein.
Ob P. Damian alle notwendigen Hygienemaßnahmen ergriff? Die strengsten Vorschriften hatte er schnell über Bord geworfen. Es war unmöglich, nach Krankenhausregeln zu leben. Wie sollte man für diese armen Leute Vater sein, ohne ihnen nahezukommen, ohne sie zu berühren, ohne ihre Einladungen anzunehmen, ohne sich mit der Hand aus der gemeinsamen Schüssel der Familie zu bedienen? Er hatte sich dafür entschieden, mit ihnen zusammenzuleben, um sie zu retten. „Damit setzte er sich der Krankheit dieser Menschen aus“, sagte Benedikt XVI. bei seiner Heiligsprechung.
Der Gedanke an den Tod schreckte P. Damian nicht: „Der Friedhof und die Hütte der Sterbenden sind meine schönsten Andachtsbücher“, pflegte er zu sagen. 1885 hatte er bereits 1.800 Aussätzige beerdigt, durchschnittlich 3 pro Woche. Er hatte sie wie ein Vater gepflegt, ihnen die Beichte abgenommen und in ihrem Todeskampf beigestanden. Da entdeckte er die ersten Symptome der Lepra an sich. Im Oktober informierte er seinen Provinzial: „Es steht für mich außer Zweifel, dass ich die Lepra habe: Gesegnet sei der liebe Gott!“
Doch P. Damian ließ sich nicht unterkriegen: Er war „immer fröhlich und lächelte“, berichtete ein Zeuge. 1887 schrieb er an seinen Bruder: „Die Freude und die Zufriedenheit des Herzens, die mir die heiligsten Herzen Jesu und Mariens bescheren, machen mich in meinen Augen zum glücklichsten Missionar der Welt.“ Zur großen Freude P. Damians gesellte sich 1888 ein zweiter belgischer Missionar, P. Conrady, zu ihm. Im selben Jahr zogen auch drei Franziskanerinnen in die Leprakolonie. Gott gewährte ihm an seinem Lebensabend den Trost, dass er das von ihm begonnene Werk fortgeführt sah.
Bald verschlimmerte sich seine Krankheit und befiel auch innere Organe. Am 9. März 1889 trat der P. zum letzten Mal an den Altar. Am Ostermontag, dem 15. April 1889, verschied er im Alter von 49 Jahren, von denen er 16 im Dienste der Leprakranken verbracht hatte, mit einem Lächeln auf den Lippen, wie ein Kind in den Armen seiner Mutter einschlummert.
Bei der Heiligsprechung P. Damians sagte Papst Benedikt XVI.: „In der Nachfolge des hl. Paulus ruft uns der hl. Damian auf, den heiligen Kampf zu wählen (vgl. 1 Tim 1,18), nicht den, der zur Spaltung führt, sondern den, der zusammenführt. Er lädt uns ein, unsere Augen für alle Arten von Lepra zu öffnen, die das menschliche Antlitz unserer Brüder entstellen und die auch heute nicht nur an unsere Großzügigkeit, sondern vielmehr an unseren liebenden, dienenden Beistand appellieren.“
Auszug aus Lettre du 1. Mars 2010 der AbbayeSaint-Joseph de Clairval.

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