VISION 20004/2011
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Das Gefühl: Als Maßstab kaum zuverlässig

Artikel drucken (Bettina Rahm)

Folge deinem Gefühl – so oder so ähnlich hören wir es immer wieder in diversen Filmen, Büchern oder Ratgebern in Frauenzeitschriften. Das Gefühl scheint heute das Maß aller Dinge zu sein. Allein die eigene Befindlichkeit entscheidet…

So mancher hat diese Aufforderung vielleicht unbewusst bereits verinnerlicht – steter Tropfen höhlt ja bekanntlich den Stein. In Wahrheit ist es längst schon zu einer völligen Überbewertung und Überbetonung des Gefühls gekommen. Medienmacher wissen: Nur die Emotion zählt!
Selbst wer den Medien kritisch gegenüber steht, ist nicht vor den Illusionen der großen Gefühle, die uns Tag für Tag aufgetischt werden, gefeit. Ich selbst kam zum Beispiel zum Nachdenken, als ich eine Studie über den Einfluss von Liebesfilmen auf die eigene Beziehungszufriedenheit gelesen habe. Die Ergebnisse sind hochinteressant.
Die Untersuchung wurde an Studenten, die in festen Beziehungen leben, durchgeführt. Zu Beginn der Studie mussten alle einen Fragebogen zur Erhebung ihrer Beziehungszufriedenheit ausfüllen. Danach wurden die Studierenden in zwei Gruppen aufgeteilt, von denen die eine angewiesen wurde, so wenig wie möglich fernzusehen, romantische Filme strikt zu meiden und den Fernsehkonsum ausschließlich auf Nachrichten oder Dokumentarfilme zu beschränken. Die andere Gruppe sollte hingegen täglich mindestens einen Liebesfilm „konsumieren“.
Schon nach einem Monat unterschied sich die Zufriedenheit mit der eigenen Partnerschaft in der Liebesfilm-Gruppe signifikant von den ursprünglichen Angaben. Die in Filmen vermittelte Illusion von Romantik und Emotion führte zu einer übersteigerten Erwartungshaltung, die zwangsläufig zu Enttäuschung und zu einer sinkenden Zufriedenheit mit der eigenen, realen Beziehung führte. Folge deinem Gefühl würde für die Unzufriedenen wohl bedeuten, sich nach einem neuen Partner umzusehen, ohne die Ursachen der eigenen Gefühle zu hinterfragen.
Gott hat dem Menschen Gefühle gegeben. Gefühle sind wichtig, sie sind wunderbar, sie gehören zu uns und auch auf sie bezieht sich das Wort Gottes über den Menschen: Gott sah, dass es sehr gut war.
Gefühle brechen jedoch oft über uns herein und wir können sie manchmal nicht direkt beeinflussen. Dennoch soll der Mensch seine Gefühle beherrschen und nicht umgekehrt! Der Psychiater und Psychotherapeut Univ. Doz. Raphael Bonelli meint sogar, dass der Mensch, wenn er sich von seinen Gefühlen, die ja kein Gradmesser der Richtigkeit oder Wahrheit sind, aber als zwingend empfunden werden, leiten lässt, seine Entscheidungsfreiheit verliert.
Deshalb brauchen wir den Verstand und den Willen, die Gott uns geschenkt hat, sehr notwendig. Der Verstand dient dazu, das Gefühl richtig einzuordnen. Der Wille hilft uns, das langfristige Ziel, z. B. den Bestand der Ehe nicht aus den Augen zu verlieren.
Denn in jeder Ehe gibt es Zeiten ohne große Emotionen, Zeiten der Dürre, Zeiten des Opfers. Aber Liebe ohne Opfer gibt es nicht. Wer anderes behauptet, ist der Schein-Romantik der Liebesfilme auf den Leim gegangen.
Bettina Rahm

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