VISION 20004/2011
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Nachlese

Artikel drucken (Helmut Hubeny)

Durch den Aufruf „Europas Wurzeln neu beleben“ in VISION 3/11 hat sich diese für mich seit Jahren wichtige Frage zugespitzt: Wie soll denn der Heilige Geist Europa erneuern, wenn wir europäischen Christen die eigenen Wurzeln verleugnen? Was kann Christus mit uns anfangen, wenn wir uns ständig in interne Positionskämpfe verstricken? Bleibt uns da noch „Kapazität“ für die katholischen Kirchen anderer Riten, die orthodoxen und altorientalischen Schwesterkirchen, die Schwester„gemeinden“ der Reformation (Luther übersetzt das Wort ekklesia ausschließlich mit „Gemeinde“), für die „Welt“?
Ich habe mir vor drei Jahren aus dem Fischer Weltalmanach eine Statistik zusammengestellt (Sie wissen: jede Statistik lügt, außer man hat sie selbst gemacht).
Demnach sind in der derzeitigen 27er-EU nominell 76,8 % Christen (51,6 % katholische, 13,2% protestantische, 8,2 % orthodoxe, 3,8% anglikanische), 20,1 % Konfessionslose, 2,7 % Muslime, 0,2 % Juden, 0,2 % Sonstige.
Sechsundsiebzigkommaacht Prozent Christen! Einundfünfzigkommasechs Prozent Katholiken!
Zugegeben, die Zahlen stehen nur auf dem Papier und sind tendenziell rückläufig. Trotzdem würde jede politische Partei in Jubel ausbrechen über derartige „absolute“ Mehrheiten. Wir aber fürchten uns, schämen uns, schweigen und verkriechen uns. Ich auch. Wie Recht hat doch Obiora Ike: „Heute gilt es, Farbe zu bekennen – gerade auch in Europa“!
Dies ist nun kein Aufruf, aus lauter ängstlicher Hilflosigkeit den „linientreuen“ oder „kritischen“ Mitchristen unserer Konfession – je nach eigenem Standpunkt – den Marsch zu blasen. Im Gegenteil!
Im Neuen Testament kommt der Begriff „einander“ 62 Mal (!) vor. Ich habe mir die Aussagen zusammengefasst und möchte sie in meine tägliche Stille einbeziehen. Eine berührende Predigt zum Dreifaltigkeitssonntag hat mich darin bestärkt: Liebe ist gelungenes Miteinander.
Das Erlebnis des gelingenden Miteinanders in meiner Kirche schenkt mir Freude. Schwieriger ist der Konfliktfall. Ich nehme mir daher für diesen recht häufigen Fall vor, mich noch mehr um das persönliche Gespräch zu bemühen. Meiner Erfahrung nach führt das liebevolle mit-einander Aus-einander-setzen immer zur eigenen Vertiefung und zu mehr gemeinsamer Offenheit für eine höhere Sicht.
Erst gegenseitiges Verstehen in „wertschätzender Akzeptanz“ – so ein versachlichender Ausdruck für „Liebe“ – gibt dem Gelingen des Miteinanders eine Chance. Ich sehe darin die Hoffnung auf das Wirken des Geistes, unseres „Beistands“, um Europas Wurzeln neu zu beleben.
Helmut Hubeny

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