VISION 20001/2012
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„Mein Herr und mein Gott“

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Die Jünger haben erkannt, dass Jesus in keine der geläufigen Kategorien passte, dass Er mehr und anderes war als „einer der Propheten“. Von der Bergpredigt an wie im Angesicht Seiner Machttaten, Seiner Vollmacht, Sünden zu vergeben; von der Souveränität Seiner Verkündigung wie seinem Umgang mit den Traditionen des Gesetzes – von alledem aus erkannten sie, dass Er mehr war als einer der Propheten. Er war jener „Prophet“, der wie Mose mit Gott als Freund von Angesicht zu Angesicht redete; Er war der Messias und war es doch anders als im Sinn eines bloßen Beauftragten Gottes.
In Ihm waren die großen messianischen Worte auf eine bestürzende und unerwartete Weise wahr: „Mein Sohn bist du, heute habe ich dich gezeugt“ (PS 2,7). In großen Augenblicken spürten die Jünger erschüttert: Das ist Gott selbst. All das konnten sie nicht zu einer fertigen Antwort zusammensetzen. Sie gebrauchten – zu Recht – die Verheißungsworte des Alten Bundes: Christus – der Gesalbte, Sohn Gottes, Herr.
Es sind die Kernworte, in denen sich ihr Bekenntnis konzentrierte, das doch immer noch tastend unterwegs blieb. Seine volle Gestalt konnte es erst finden in dem Augenblick, in dem Thomas, die Wundmale des Auferstandenen berührend, ergriffen ausrief: „Mein Herr und mein Gott“ (Joh 20,28).
Aber im Letzten bleiben wir immer unterwegs mit diesem Wort. Es ist so groß, dass wir es nie fertig erfasst haben, und es bleibt uns immer voraus. Ihre ganze Geschichte hindurch pilgert die Kirche immer neu in dieses Wort hinein, das uns nur in der Berührung mit den Wunden Jesu und in der Begegnung mit Seiner Auferstehung fassbar werden kann und uns dann zur Sendung wird.
Papst Benedikt XVI.

Aus: Jesus von Nazareth. Von Benedikt XVI. Herder-Verlag, S. 351f.

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