VISION 20001/2013
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Die heilige Anna Schäffer

Artikel drucken Botschaft an uns (Von Bettina Rahm)

Als junge Frau schwer verunglückt, verbrachte Anna Schäffer den Rest ihres Lebens ans Bett gefesselt, weit entfernt von ihrem Jugendtraum, in die Mission zu gehen und sie starb schließlich nach 25-jährigem schwerem Leiden. So oder so ähnlich würde sich wohl eine Lebensbeschreibung der im Oktober von Papst Benedikt XVI. heiliggesprochenen Anna Schäffer anhören, wenn ihr Leben nur nach dem äußerlich Sichtbaren, nur nach den Maßstäben unserer Leistungsgesellschaft betrachtet würde. In dieser Sichtweise fehlt jedoch allzu oft der Blick auf das Wesentliche und vor allem die Zuversicht, dass auch in Krankheit und Leiden Sinn und Hoffnung liegen.
Die „Schreiner Nandl“, wie sie in ihrer Heimat Mindelstetten in Bayern genannt wurde, erblickte am 18. Februar 1882 als drittes Kind einer armen Schreinerfamilie das Licht der Welt. Sie war eine sehr gute Schülerin und fiel bereits in jungen Jahren durch intensives Gebetsleben auf. Ab dem Schulalter zog sie sich immer wieder zurück, um allein mit Jesus sprechen zu können.
Anlässlich ihrer ersten heiligen Kommunion schrieb Anna ein Versprechen an Jesus nieder: „O lieber, guter Jesus. Heute bei meiner ersten heiligen Kommunion weihe und opfere ich dir mein Herz und meine Seele. Verlass mich nicht und mach mit mir, was du willst. Ich will dir, o guter Papa Jesus Sühne leisten und wenn du willst, lass mich ein Sühneopfer werden für alle Unehre und Beleidigungen, welche wider dich, o guter Jesus, geschehen.“
Gott nahm Anna Schäffer beim Wort, jedoch auf andere Weise als sie es sich vorgestellt hatte. Als Mädchen träumte sie davon, in die Mission zu gehen. Die für den Ordenseintritt notwendige Mitgift wollte sie als Dienstbotin bei wohlhabenden Familien verdienen. In einer Christusvision wurde dem jungen Mädchen seine Berufung angedeutet. Anna wurde gesagt, sie werde noch vor ihrem 20. Geburtstag sehr leiden und dass sie ein langes Leiden zu erwarten habe.
Bei einer Forstmeisterfamilie in Stammham fand Anna eine gute Anstellung und war unter anderem auch für die Wäsche zuständig. Diese wurde in einem großen Kessel mit siedender Lauge gewaschen. Bei einem Unfall am 4. Februar 1901 stürzte Anna Schäffer in die Lauge und verbrühte sich die Beine bis über die Knie. An dem Tag begann ein 25-jähriges Martyrium.
Trotz der Bemühungen der Ärzte blieben ihr Füße steif, ihr wurden die Beine gebrochen, doch unter dem Gips entzündeten sich die Wunden schwer. Der Arzt, der den Gips abnehmen sollte, sägte ihr zu allem Überfluss ins Bein. Insgesamt verbrachte Anna Schäffer eineinhalb Jahre im Spital und musste 30 Operationen über sich ergehen lassen – ohne Erfolg. Sie blieb für den Rest ihres Lebens ans Bett gefesselt.
Nachdem ihr klar geworden war, dass es keine Hoffnung auf Genesung gab, musste sie ihren Missionswunsch aufgeben und sich auf die neue Situation einstellen: ein Leben mit ständigen Schmerzen, bei allem stets auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Nachdem sie ihr Schicksal angenommen hatte, ging sie gemäß ihrem Kommunionvorsatz fortan den Kreuzweg mit Jesus in Liebe und Hingabe.
Kamen anfangs noch die Nachbarn und Dorfbewohner um Anna zu besuchen und zu trösten, war es schon bald um­gekehrt: Die Menschen erbaten Trost und Rat bei der Leidenden. Der damalige Pfarrer von Mindelstetten, Karl Rieger, nahm sich besonders um Anna an. Er wurde ihr geistlicher Begleiter, versorgte sie mit Literatur, gab ihr Ratschläge und brachte täglich die heilige Kommunion. Schon bald war sie landauf, land­ab als Fürbitterin bekannt, verbrachte viel Zeit im Gebet und schloss die Anliegen, die man ihr vortrug, gerne ein.
Ihr größtes Anliegen war es, Jesus zu gefallen und Seelen zu retten. So betete sie: „Heiligstes Herz Jesu, schenk mir recht viele Seelen, besonders jene, die sich vor Verzweiflung kaum mehr helfen können; jene, die dem Abgrund nahe sind und der Gnade am meisten bedürfen. Heiligstes Herz Jesu, vermehre meine Leiden und schenk mir dafür Seelen, die ich für dich retten kann! Heilige Schmerzensmutter, verleihe mir stets einen brennenden Durst, am Heil der unsterblichen Seelen zu arbeiten, für sie zu beten und zu leiden!“
Außerdem entwickelte sich ein reges Briefapostolat. Aus dem gesamten deutschsprachigen Raum, aber auch aus Übersee erhielt Anna Schäffer bald Briefe, die sie ausführlich beantwortet. 175 dieser Briefe sind erhalten. Sie schrieb auch an die Frontsoldaten im Ersten Weltkrieg. Oft bekam Anna Besuch von Kindern, die sich um ihr Bett drängen und sie sehr verehren und lieben.
Ihre Freizeit, also die Zeit, die sie nicht mit Gebet, Schreiben oder Besuchen verbringt, widmete sie der Handarbeit. Sie stickte mit großer Freude, vor allem christliche Motive. Sie sagte: „Ich habe drei Himmelschlüssel: Der größte von ihnen ist von schwerem Gewicht – das ist mein Leiden, der zweite ist mein Federhalter und der dritte ist die Nadel.“
Ab 1910 trug Anna Schäffer die Wundmale Jesu. Von diesem Zeitpunkt an berichtete sie auch immer wieder von Schauungen. Vor ihrem Tod am 5. Oktober 1925 verschlimmerte sich ihr Zustand zusehends. Die letzten Tage war Anna nicht mehr bei Be­wusst­sein. Viele Dorfbewohner kamen noch einmal, um Abschied zu nehmen. In den wenigen wachen Momenten sagte sie meist „Mein Herr und mein Gott“. Ihr letztes Wort: „Jesus, dir leb ich“.
5000 Menschen nahmen an der Beerdigung Anna Schäffers teil, ins Kondolenzbuch schrieb der Pfarrer, der sie so lange begleitet hatte, mit Bleistift „Sancta“, Heilige. 1972 genehmigte der Bischof die Übertragung der Gebeine in die Pfarrkirche von Mindelstetten, es war dies der Beginn des Seligsprechungsverfahrens. Am 7. März 1999 wurde Anna Schäffer seliggesprochen. Am 26. Juli wird seither der Anna Schäffer Gebetstag begangen.
Insgesamt sind bei der zuständigen Stelle für die Selig- und Heiligsprechung 23.000 Ge­bets­erhörungen auf Fürbitte der Schreiner Nandl aus Mindelstetten eingegangen. Am 21. Oktober 2012 erfolgte die Heiligsprechung. Das Vertrauen der Pilger und Verehrer ist nach wie vor ungebrochen, wie der große Zustrom zur Kirche in Mindelstetten beweist. Vielleicht kann uns der Blick auf Anna Schäffer wieder den unschätzbaren Wert von Sühne, Buße und Opferung bewusst machen. Neben einer umfassenden Biografie, welche anlässlich der Heiligsprechung erschienen ist, bietet das Bistum Regensburg eine Auswahl von Kleinschriften, Andachtsgegenständen und Bildern der Heiligen an. (www.bistumregensburg. de)
Eines der schönsten Zitate von Anna Schäffer lautet: „Die Sonne meines Lebens ist Jesus im Allerheiligsten Sakrament!“


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