VISION 20003/2015
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Unerschrockener Zeuge der Wahrheit

Artikel drucken Interview-Buch mit Bischof Komarica (Von Christoph Hurnaus)

Rechtzeitig vor dem Besuch von Papst Franziskus in Sarajevo legt Bischof Franjo Komarica der Öffentlichkeit ein aufrüttelndes Buch vor, in dem er über Krieg und Vertreibung in seiner Diözese Banja Luka spricht. Das Buch, das den Titel Liebe. Macht. Erfin­derisch trägt, entstand während vieler Gespräche mit dem deutschen Journalisten Winfried Gburek, der Komarica Jahre hindurch in Banja Luka besuchte.
Bischof Komarica führte Gburek zu verletzten, traumatisierten und Not leidenden Menschen, zu Minenfeldern, zerstörten Kirchen – aber auch zu Projekten des Friedens und der Versöhnung.
Dieses sehr lesenswerte Buch berichtet über die Hintergründe eines Stellvertreterkrieges internationaler Mächte auf dem Gebiet des heutigen Staates Bosnien-Herzegowina. In den Gesprächen mit dem Autor gibt der Bischof schockierende Einblicke in die Mechanismen der internationalen Politik.
Vor dem Krieg lebten in der Diözese Banja Luka etwa 120.000 Katholiken, nach den ethnischen Säuberungen durch die serbischen Machthaber sind es heute gerade einmal etwas mehr als 30.000. Und 20 Jahre nach dem Krieg gibt es in der sogenannten Srpska Republika (Serbische Republik) immer noch kein Rückkehrrecht für die vertriebenen Flüchtlinge, obwohl dies im Friedensvertrag von Dayton garantiert wird.
Schon während der harten Zeit des Krieges kämpfte der Bischof wie ein Löwe, um seine Gläubigen vor Willkür, Vertreibung und Mord zu schützen. Seine Appelle und Hilferufe aus jener Zeit füllen ganze Bücher. 231 Tage stand der Bischof unter Hausarrest der serbischen Polizei. Dass er überlebte, grenzt heute an ein Wunder.
Franjo Komarica reiste durch die ganze Welt, um den Mächtigen ins Gewissen zu reden. In New York, Paris, London und Berlin schlug ihm jedoch meist blanker Zynismus entgegen. Während des Krieges appellierte der Bischof an seine kroatischen Landsleute, Böses nicht mit Bösem zu vergelten. Dass die Kroaten aus der Region Banja Luka während all dieser Jahre niemals Waffen gegen andere gerichtet haben, ist ein Verdienst dieses Friedensapostels.
Franjo Komarica wurde 2005 mit dem Franz-Werfel-Menschenrechtspreis ausgezeichnet und für den Friedensnobelpreis vorgeschlagen. Bei der Werfel-Preis-Verleihung sprach der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck in seiner Laudatio davon, dass Komarica ein Zeuge gewesen sei, der „Mord Mord und Folter Folter“ genannt habe, trotz der Bedrohung des eigenen Lebens: „Sein Bleiben ist ein Zeichen der Hoffnung.“
Als dieses Buch in der Fertigstellung stand, wurde bekannt, dass Papst Franziskus am 6. Juni 2015 nach Bosnien-Herzegowina reisen würde. Komarica und Gburek meinen, das Anliegen der Papstreise, „bei der Konsolidierung des Friedens zu helfen“ decke sich mit dem des Buches. Auch hofft der Bischof, dass durch den Papstbesuch die vielfältige Not der bedrängten Katholiken in Bosnien-Herzegowina neu ins Bewusstsein der Weltöffentlichkeit dringt.

Liebe. Macht. Erfinderisch. Von Franjo Komarica & Winfried Gburek, epubli Verlag Hardcover-Ausgabe, 21,95 Euro

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