VISION 20006/2015
« zum Inhalt Schwerpunkt

Mission: ein Ganztagsjob

Artikel drucken Jesu letztes Gebot: Alle Menschen zu Jüngern zu machen (P. Alain Bandelier)

Aufbrechen zu einer neuen Evangelisation – gut und schön, aber wie geht man es an? Im Folgenden ein paar Hinweise, die vom Leben Jesu, der ja der Missionar schlechthin war, inspiriert sind.

Johannes Paul II. hat viel von der neuen Evangelisation gesprochen. Hat diese Früchte erbracht? Und: Was kann man tun, damit sie nicht nur ein Schlagwort bleibt? Sicher: Man soll den Baum nach seinen Früchten beurteilen. Aber genau da liegt das Problem. Einerseits kann man die (jedenfalls in den westlichen Ländern) nach unten weisenden Statistiken ins Treffen führen: weniger Berufungen, weniger Gottesdienstbesuch, weniger Einfluss auf das gesellschaftliche Leben. Andererseits gibt es weitverbreitet Zeichen eines nicht zu leugnenden Aufbruchs. Wer kann da das Maß der Gnade Gottes erfassen?
Andererseits geht es mehr denn je darum, das letzte Gebot des Herrn zu beherzigen: „Macht alle Menschen zu meinen Jüngern!“ Das heißt: Ermöglicht allen eine Begegnung mit Jesus Christus, damit sie die Gabe Gottes empfangen. Das Evangelium ist Glückseligkeit, deren Logik es ist, dass man sie teilt: „Wir schreiben dies, damit unsere Freude vollkommen ist.“ (1Joh 1,4)
Der Missionsruf, über den der heilige Matthäus am Ende seines Evangelium berichtet, enthält nur einen Befehl: „Macht zu Jüngern!“ Alle anderen Zeitwörter stehen im Partizip der Gegenwart: gehend, taufend, lehrend. Der Herr hat nicht „Geht!“ gesagt, als wollte er uns zu einem bestimmten Ort, einer bestimmten Mission schicken. Er hat vielmehr gesagt: Wenn ihr auf dem Weg, wenn ihr unterwegs seid – also auf euren Wegen im Alltag. Der Heilige Geist wäre schon ein merkwürdiger Personalchef, wenn er einen Eskimo auf Reisen einsetzen würde, um meinen Wohnungsnachbarn zu evangelisieren!
Gut, mag man mir nun antworten, aber wie soll man evangelisieren? Wie wäre es also, wenn wir uns ansähen, wie Jesus selbst, der Gesandte des Vaters, evangelisiert hat?
Jesus beginnt Seine Mission mit 30 Jahren verborgenen Lebens. Obwohl Er so viel zu sagen und zu tun hätte, unterscheidet Er sich in keiner Weise. Keine Reden, keine Wunder. Sein erstes Apostolat ist das Seiner Anwesenheit. Das ist für uns eine wertvolle Lehre: Man evangelisiert nicht auf Distanz und nicht im Vorübergehen. Das stimmt mit dem „weltlichen“ Stand der Laien überein: Sie sind in der Welt, ohne von der Welt zu sein. Ihre vorrangige Mission ist es, die Welt zu heiligen.
Einfach nur anwesend zu sein, ist allerdings nicht automatisch auch schon missionarisch. Anwesenheit allein genügt nicht. So wie es bei Christus der Fall war, geht es hier um eine wahre Präsenz, voller Aufmerksamkeit und Mitgefühl. Es ist eine durchstrahlte Anwesenheit, von der Jesus sagt: „Wer mich sieht, sieht den Vater.“ So sollte auch der Christ sagen können: „Wer mich sieht, sieht Christus.“ Daher beginnt jedes Apostolat auf den Knien, verwurzelt in der Anbetung und im Gebet.
Seine Mission setzt Jesus durch drei Jahre Leben in der Öffentlichkeit fort. Das ist nun das Apostolat durch Zeugnis-Geben. Zeugnis durch Worte und Geste, beides unzertrennlich. Daher muss auch die Kirche sowohl handeln wie auch verkünden. Das sollte uns eine Warnung sein, nicht das eine gegen das andere auszuspielen. Worte, denen keine Taten entsprechen, sind Geschwätz. Handeln, ohne auf Jesus hinzuweisen, ist Sozialdienst.
Nebenbei bemerkt: Es ist nicht die primäre Aufgabe der Laien, sich um die Pfarre und deren Aktivitäten zu kümmern: Sie sollen das Evangelium in ihrer konkreten Umwelt verkünden und vergegenwärtigen.
Der Höhepunkt der Mission Christi sind die drei Passionstage. Menschlich gesehen ein Scheitern; tatsächlich jedoch der Höhepunkt des Werkes, das Ihm der Vater aufgetragen hatte. Ähnlich ist es bei uns: Man meint, die Mission sei in schwierigen Zeiten beendet. Und dabei geht sie gerade da weiter, in vertiefter Weise. Hier setzt das Apostolat des Gebets und der Hingabe ein. Es macht alles andere fruchtbar. Es ist so wichtig, das den alten, kranken, ans Bett gefesselten Menschen zu sagen: Sie leben nicht in Zeiten des Demissionierens, sondern des Missionierens. Gerade auf diese Weise sind viele die wahren Stützen der Kirche und tragen zu deren Fruchtbarkeit bei.
Die höchste Hingabe ist das Martyrium. Wer sich selbst Tag für Tag hingibt, ist Träger der Gnade und bildet sie auf demütige und kostbare Weise ab.
Famille Chrétienne v. 10.6.06

© 1999-2024 Vision2000 | Sitz: Hohe Wand-Straße 28/6, 2344 Maria Enzersdorf, Österreich | Mail: vision2000@aon.at | Tel: +43 (0) 1 586 94 11