VISION 20006/2015
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Verwandelt, wenn er am Altar stand

Artikel drucken In memoriam Erzbischof Georg Eder (Ignaz Steinwender)

Von den Medien meist unfair behandelt und von „aufgeklärten“ Christen belächelt, wurde der Dienst des Salz­burger Alt­erz­bischofs Eder vielfach ver­kannt. Im Folgenden der Nachruf seines ehemaligen Chauffeurs, der heute Priester ist.
Die Todesnachricht von Alterzbischof Georg (+ am 19. September 2015) haben in mir viele Erinnerungen wachgerufen: an seine Ernennung, an viele Ereignisse und Begegnungen als Bischofschauffeur, als Seminarist, Pfarrer – und an manche Gespräche an seinem Alterssitz in Mattsee.
Als ich am 5. März 1989 als Chauffeur bei Erzbischof Eder begann, da kannte ich von den Medien ein fast ausschließlich negatives Bild: Er sei konservativ, unnachgiebig und rückständig. Als kritischer Medienbeobachter war ich gar nicht so überrascht, einen ganz anderen Erzbischof kennenzulernen: einen demütigen, gütigen, einfachen, bescheidenen, sehr humorvollen Geistlichen, der ein tiefes Bewusstsein darüber ausstrahlte, wer er als Bischof war.
Was mir, der ich damals schon den Gedanken im Herzen trug, Priester zu werden, am meisten auffiel, war die Art, wie der Erzbischof die Messe feierte. Wirkte er im Gespräch mit Journalisten oder Politikern eher schüchtern, ja fast unbeholfen, so war er wie verwandelt, wenn er das Messgewand anzog: Dann war er sou­verän, wortgewaltig, feurig, ein Zeuge, identisch mit dem, was er verkündete. In den Messfeiern mit ihm spürte ich, was der Priester ist, was eine heilige Handlung ist, was der Unterschied zwischen bloß menschlichem Tun und dem Wirken Gottes ist. Mir wurde in seiner Gegenwart bewusst, was ein „mysterium fascinosum“ und ein „mysterium tremendum“ ist.
Auffallend war für mich auch seine klare Linie. Beim Erzbischof spürte ich, dass es im Glauben nicht um eine beliebige Meinung geht, sondern um eine Überzeugung. Nie hatte ich den Eindruck, dass er ankommen wollte. Beifall war ihm geradezu unangenehm. Er war ein Zeuge. Leidenschaftlich trat er ein für die Ehrfurcht in der Liturgie, die Würde des Priestertums, die unverkürzte Wahrheit des Evangeliums.
Wenn er monatlich ins Priesterseminar kam, spürte man als Seminarist, dass das Seminar für ihn das Herz der Diözese ist. Bei jeder Gelegenheit bat er, um gute Priester zu beten, bei Priesterweihen erlebte man einen vor Freude strahlenden Erzbischof. Ganz direkt bat er den seligen Kaspar Stangassinger um neue Seminaristen – und wurde erhört. Der damalige Aufschwung im Priesterseminar hat mit ihm zu tun. Der Erzbischof achtete jeden Priester, alle waren seine Priester. Erfuhr er, dass ein Priester krank war, war es das Selbstverständlichste, ihn sofort zu besuchen. Ich konnte einmal erleben wie er mit einem tödlich erkrankten Priester über die Eucharistie als Opfer sprach und ihn ermutigte, sich mit dem Opfer Christi zu vereinen.
Seine direkte, authentische Art erlebte ich bei seinem Umgang mit Kindern. Wenn er in eine Schulklasse kam, gab es sofort einen lebendigen Dialog. Genauso direkt, humorvoll, ermutigend und tröstend wirkte er auf Kranke.
Wenn es um theologische Fragen ging, geriet der Erzbischof nicht selten in Konflikte. Intuitiv hatte er erkannt, dass der Relativismus zum Verlust der christlichen Identität, des Glaubens und des Menschseins führt. Er schätzte Theologen wie Ratzinger, Scheffczyk oder Brandmüller, wurde jedoch von zeitgeistigen Theologen belächelt. Seine Hirtenbriefe waren direkt, klar, fordernd und prophetisch.
Vorausschauend richtete er, die Theologie des Leibes von Johannes Paul II. kennend, mit viel Mühe und trotz heftiger Widerstände ein neues Familienreferat ein, ein einmaliger Fortschritt der Familienpastoral im deutschen Sprachraum.
Erzbischof Eder war ein tiefer Beter. Er hat oft, viel und ganz tief gebetet und wirklich auf die Macht des Gebetes vertraut. Bei allen möglichen Gelegenheiten hat er zum Gebet ermutigt und aufgerufen.
Die tiefste Seite des Erzbischofs war sein Leiden, das im Ruhestand noch bedrängender wurde. Er sagte mir einmal – bezugnehmend auf sein schweres Leiden: „Ich weiß nicht warum, aber Er weiß es.“ Und dann fügte er hinzu: „Ich muss es ja gar nicht wissen, es genügt, wenn Er es weiß.“ Und ich bin überzeugt, dass er sein Leiden für die Diözese, für seine Priester etc. aufgeopfert hat. Als Leidender hat er seine Diözese weiter mitgetragen.
Ich habe mich oft gefragt: Warum wurde und wird (auch post mortem) diese großartige Priesterpersönlichkeit in der Öffentlichkeit und innerkirchlich so sehr abgelehnt und ein negatives Bild von ihm gezeichnet? Der tiefere Grund liegt darin, dass er schon als Dechant Fehlentwicklungen nach dem Konzil aufgezeigt hatte und dass er ganz im Sinne von Johannes Paul II. eine Neuevangelisierung anstrebte. Diese Wende wurde entschieden und konsequent bekämpft. Der Prophet, der kein Mann der Mitte war, galt nichts in seiner Heimat.
Oft hat mich die Frage beschäftigt, wie der Erzbischof in Güte und Liebe so viele Angriffe ausgehalten, dem Gewissensdruck standgehalten, Leiden geduldig ertragen hat. Ich fand darauf zwei Antworten. Die erste: Im erzbischöflichen Palais wurde am meisten im 2. Stock gelacht, denn der Humor des Erzbischofs war sprichwörtlich. Zweitens: Der Erz­bischof erzählte einmal, dass er eigentlich eher eine furchtsame Natur war. Als er einmal bei einer Straßenunterführung im Flachgau die Aufschrift „Eder –  ans Kreuz mit ihm“ gelesen habe, da habe er die Menschenfurcht endgültig abgelegt.
Ja, Erzbischof Eder war am Kreuz und ist den Kreuzweg gegangen. Er ist sich, dem Papst und dem Gewissen treu geblieben. Für mich hatte er gewisse Ähnlichkeiten mit seinem Lieblingstheologen, dem Apostel Paulus: Er hatte einen Stachel im Fleisch, eher schüchtern im Disput, aber machtvoll in der Predigt und im Schreiben, er war stark, wenn er schwach war, wurde oft gesteinigt. Ein Zwang lag auf ihm, das Evangelium zu verkünden, und er sehnte sich danach, aufzubrechen und beim Herrn zu sein. Als ein Pfarrer ihn einige Tage vor dem Sterben fragte, ob er etwas für ihn tun könne, antwortete er: „Ich brauche nur Gott!“

Der Autor ist Pfarrer in Zell am Ziller in Tirol.

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