VISION 20005/2016
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Dem Herrn gehört die Erde, und was sie erfüllt

Artikel drucken Perspektiven der Hoffnung für eine rat- und trostlose Zeit (Christof Gaspari)

„Wir  schaffen das!“  – ein Ausspruch der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel, der in die Geschichte ein­gehen wird. Geäußert  im Hinblick auf die Integration einer Million außereuropäischer Flüchtlinge ist dieser Satz programmatisch für die Art, wie heute in Wirtschaft und Politik entschieden wird: „Wir  schaffen das!“ – und bauen eine menschengemachte Welt.

Noch wird das Konzept von den Eliten hochgehalten, wird Wirtschaftswachstum in Aussicht gestellt, internationaler Konsens in wichtigen Fragen beschworen, werden wissenschaftliche Durchbrüche verheißen, Lösungen von umstrittenen Fragen erwartet… Aber die Botschaft überzeugt den Normalverbraucher immer weniger. Die Kluft zwischen der Sichtweise der Eliten aus Politik, Finanz, Kultur sowie Leitmedien und jener des „kleinen Mannes“ wird größer. „Weltweit herrscht Politikverdruss. Auch anderen Eliten misstrauen die Menschen massiv, wie eine weltweite Umfrage belegt,“ hielt die FAZ (19.1.16) anlässlich des Weltwirtschaftsforums in Davos fest. Und: „ In mehr als 60% der Länder, die von Edelman in die Befragung einbezogen wurden, ist das Vertrauen der breiten Masse in Politik, Wirtschaft, Nichtregierungsorganisationen und Medien aber sogar unter einen Wert von 50 Prozent gefallen.“
Das Misstrauen artikuliert sich auch in Wahlergebnissen, in Internetforen, in privaten Gesprächen. Unsicherheit greift um sich – aus vielfältigen Gründen: wegen der massenhaften Zuwanderung von Menschen aus anderen Kulturräumen, wegen hoher Arbeitslosenzahlen (besonders bei Jugendlichen), wegen der steigenden Kriminalität und der sich häufenden Attentate, wegen der erkennbaren Ratlosigkeit der Entscheidungsträger…
In privaten Gesprächen wird all das immer öfter thematisiert, man erzählt einander von dieser oder jener beunruhigenden Meldung, analysiert, klagt, bringt seine Sorgen zum Ausdruck. Wie soll das weitergehen? Man tauscht Lösungsansätze aus, die man da und dort aufgeschnappt hat – aber ohne wirkliche Überzeugung, dass sich etwas ändern könnte. Schließlich tröstet man sich mit der Aufmunterung: „Seien wir froh, dass es uns noch so gut geht…“ – und geht zur Tagesordnung über.
Aber gibt es einen Ausweg? Einen wirksamen Ansatz zu einer zukunftsträchtigen Neuorientierung?
Die Umweltproblematik, die uns mittlerweile seit Jahrzehnten begleitet, wäre eigentlich eine Chance gewesen, sich auf wesentliche Fragen zu besinnen. Ab den frühen siebziger Jahren war erkennbar, dass unsere Art zu wirtschaften auf Dauer nicht durchzuhalten sein würde, weil sie unseren Lebensraum durch Eingriffe massiv verändert und dadurch gefährdet. Keine Frage: In den letzten Jahrzehnten hat der Gedanke des Umweltschutzes auch Eingang in die Politik gefunden. Internationale Konferenzen haben sich des Themas angenommen, Umweltministerien wurden eingerichtet, technische Entwicklungen haben in manchen Bereichen (Schutz der Ozonschicht, Kampf gegen das Waldsterben) Erfolge gezeitigt.
Aber ein grundsätzlicher Wandel blieb aus. Er hätte vorausgesetzt, dass sich die Menschheit für eine Wahrheit öffnet, die im Psalm 24 ausgedrückt wird: „Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und seine Bewohner.“ Unsere Umwelt ist Werk eines Größeren, sie ist Gottes Schöpfung – und wir durchschauen nur einen Bruchteil der lebensträchtigen Vorgänge, die in ihr grundgelegt sind. Demut wäre die Alternative.
Das gilt es zu verkünden. Papst Franziskus hat es in seiner Enzyklika ausgesprochen: „Von „Schöpfung“ zu sprechen ist für die jüdisch-christliche Überlieferung mehr als von Natur zu sprechen, denn es hat mit einem Plan der Liebe Gottes zu tun, wo jedes Geschöpf einen Wert und eine Bedeutung besitzt. Die Natur wird gewöhnlich als ein System verstanden, das man analysiert, versteht und handhabt, doch die Schöpfung kann nur als ein Geschenk begriffen werden, das aus der offenen Hand des Vaters aller Dinge hervorgeht…“ (76)
Ja, wir haben es mit Gottes Schöpfung zu tun. Sie ist ein Geschenk, ein kostbares, mit dem wir sorgsam und vorsichtig umzugehen haben. Leider, aber erwartungsgemäß sind Aussagen wie diese trotz der positiven Aufnahme der Enzyklika unter den Tisch gefallen. Gerade sie aber wären der Angelpunkt der notwendigen Neuausrichtung: Wir dürfen Gott nicht aus unseren irdischen Überlegungen und Betrachtungen ausschließen und weiter nach dem Motto handeln: „WIR schaffen das!“
Nicht nur für den Bereich der Umwelt wäre diese Einsicht wahrlich not-wendend. Es trifft auch auf andere Bereiche zu. Denn, wir haben es im Psalm 24 gehört: „Dem Herrn gehört die Erde und was sie erfüllt, der Erdkreis und seine Bewohner.“ Und seine Bewohner!
Jeder Mensch wird mit einer Berufung durch Gott geboren. Er gehört Gott. Seine eigentliche Heimat ist der Himmel. Dorthin ist er unterwegs. Alles müsste darauf angelegt sein, ihm den Weg dorthin zu weisen und zu erleichtern. Dazu ist Jesus Christus Mensch geworden, dass Seine Jünger ihre Mitmenschen auf diese alles entscheidende Wahrheit aufmerksam machen. Er sagt es uns ja klar und deutlich: „Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf der Erde. Darum geht zu allen Völkern, und macht alle Menschen zu meinen Jüngern…“
Und wie sieht die Realität aus? Die meisten Christen haben resigniert. Sie kämpfen zwar tapfer, um in einem feindlichen Umfeld nicht den Glauben zu verlieren, aber öffentlich wirkt die Kirche, jedenfalls im deutschsprachigen Raum, sehr angepasst. Und dabei leben wir in einer Welt, in der es drunter und drüber geht, eine Welt, in der viele in Gefahr sind, den Weg in die Heimat, den Himmel zu verfehlen: eine Welt, in der Abtreibung, mit Einsatz aller politischen Tricks zum Menschenrecht gemacht werden soll und in der jetzt bereits jeder zweite Mensch weltweit durch Abtreibung umgebracht wird (S. 27); eine Welt, in der im Internet mit pornographischen Darstellungen das größte Geschäft gemacht wird; eine Welt, in der man Kindergarten- und Volksschulkindern beibringt, wie man Geschlechtsverkehr – auch mit Menschen desselben Geschlechts – praktiziert; eine Welt, in der man Sterbenden bei lebendigem Leib Organe entnimmt, um sie auf andere zu übertragen…
Auch dahinter steckt das selbstherrliche Modell von „Wir schaffen das!“ Denn alle diese Untaten wurden als Konzept für ein fortschrittliches, selbstbestimmtes Leben vorausgedacht, „wissenschaftlich“ begründet, medial propagiert und schließlich von Gesetzen gedeckt.
Allerdings sind wir auch auf diesem Sektor mit derselben Tatsache konfrontiert: Weil der heute propagierte Lebensentwurf nicht schöpfungskonform ist, produziert er viel Elend: Depressionen und Massenansturm bei Psychotherapeuten, Süchte jeder Art (Alkohol-, Drogen-, Kauf-, Pornographiesucht…), gescheiterte Beziehungen, Einsamkeit, Selbstmord…
Papst Benedikt XVI. hat es in seiner Ansprache vor dem Deutschen Bundestag gesagt: „Es gibt auch eine Ökologie des Menschen. Auch der Mensch hat eine Natur, die er achten muss und die er nicht beliebig manipulieren kann. Der Mensch ist nicht nur sich selbst machende Freiheit. Der Mensch macht sich nicht selbst. Er ist Geist und Wille, aber er ist auch Natur, und sein Wille ist dann recht, wenn er auf die Natur achtet, sie hört und sich annimmt als der, der er ist und der sich nicht selbst gemacht hat.“
Wohl aus Rücksicht auf die zum Großteil weltlich gesinnten Abgeordneten und um besser verstanden zu werden, hat der Papst davon gesprochen, dass der Mensch auch „Natur“ sei. Genaugenommen ist er allerdings vor allem Geschöpf Gottes: jeder besonders geliebt, besonders wertvoll, einmalig, mit einer besonderen göttlichen Berufung – und einer letzten Bestimmung: Heimat im Himmel zu finden.
Als Christen sollte uns nichts wichtiger sein, als diese beglückende Sichtweise tief in uns zu verankern und unser Leben von ihr prägen zu lassen. Dann aber gilt es, die Botschaft auch ins Gespräch einzubringen, nicht nur zu klagen, sondern Perspektiven zu eröffnen. Dazu hat Papst Franziskus uns ausdrücklich in seinem Apostolischen Schreiben „Evangelii gaudium“ aufgerufen:
„Ich lade jeden Christen ein, gleich an welchem Ort und in welcher Lage er sich befindet, noch heute seine persönliche Begegnung mit Jesus Christus zu erneuern oder zumindest den Entschluss zu fassen, sich von Ihm finden zu lassen, Ihn jeden Tag ohne Unterlass zu suchen. Es gibt keinen Grund, weshalb jemand meinen könnte, diese Einladung gelte nicht ihm, denn ‚niemand ist von der Freude ausgeschlossen, die der Herr uns bringt’.“ (3)
Und: „Alle haben das Recht, das Evangelium zu empfangen. Die Christen haben die Pflicht, es ausnahmslos allen zu verkünden, nicht wie jemand, der eine neue Verpflichtung auferlegt, sondern wie jemand, der eine Freude teilt, einen schönen Horizont aufzeigt, ein erstrebenswertes Festmahl anbietet. Die Kirche wächst nicht durch Prosyletismus, sondern ,durch Anziehung’.“ (9)
Machen wir uns auf, den Kreis der Sorge, Angst und Verzagtheit, die um sich greifen, zu durchbrechen und Perspektiven zu eröffnen, die über die scheinbaren Sachzwänge unserer Zeit hinausweisen. Diese Sichtweise erfordert aber einen festen Standpunkt außerhalb unseres irdischen Systems, eben eine Heimat im Himmel. Denn von dort her wirkt der, dem alle Macht gegeben ist, im Himmel und auf Erden – und Er kennt Wege aus jeder Sackgasse.



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