VISION 20005/2016
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Es gibt sie, die junge Kirche

Artikel drucken Rückblick auf den Weltjugendtag 2016 in Krakau

Zugegeben: Die Medien haben über den Weltjugendtag im polnischen Krakau berichtet – aber doch eher zurückhaltend. Und dabei hatte das Ereignis alle Merkmale für eine Topmeldung: 1,8 Millionen junge Leute aus aller Herren Länder   ver­sammeln sich um den Papst:  keine Kra­walle, keine Schlägereien, keine Zerstörungen, keine Drogen- oder Alkoholexzesse, sondern ein  Zusammenkommen, um einander fröhlich und friedlich zu begegnen, zu nächtlicher Stunde anzubeten, heilige Messe zu feiern… Diese Tage im Juli sind eine Herausforderung für die Kirche, nicht in Resignation zu ver­sinken, sondern diesen Aufbruch der Jugend zu stützen und zu begleiten. Im Folgenden Worte des Papstes und Zeugnisse.


Gott will mit Dir die Welt aufbauen

Von Papst Franziskus

Das Empfinden, dass in dieser Welt, in unseren Städten, in unseren Gemeinschaften kein Raum mehr ist, um zu wachsen, zu träumen, schöpferisch zu sein, auf Horizonte zu schauen, letztlich: um zu leben, ist eines der schlimmsten Übel, die uns im Leben – und besonders in der Jugend – geschehen können. Die Lähmung lässt uns die Lust verlieren, uns über die Begegnung und die Freundschaft zu freuen, die Lust, gemeinsam zu träumen, unseren Weg mit den anderen zu gehen. Sie entfernt uns von den anderen, hindert uns, einander die Hand zu reichen, wie wir [in der Choreografie] gesehen haben: Alle in diese kleinen Glashäuser eingeschlossen.
Doch im Leben gibt es eine weitere, für die jungen Menschen noch gefährlichere und oft schwer zu erkennende Lähmung. Ich nenne sie gerne die Lähmung, die aufkommt, wenn man das Glück mit einem Sofa/Kanapa verwechselt! Ja, zu glauben, dass wir, um glücklich zu sein, ein gutes Sofa brauchen.
Ein Sofa, das uns hilft, es bequem zu haben, ruhig und ganz sicher zu sein. Ein Sofa – wie jene modernen, die es jetzt gibt, sogar mit einlullenden Massagen – die uns Stunden der Ruhe garantieren, um uns in die Welt der Videospiele zu begeben und Stunden vor dem Computer zu verbringen. Ein Sofa gegen jede Art von Schmerz und Furcht. Ein Sofa, das uns innerhalb unserer vier Wände bleiben lässt, ohne uns abzumühen und uns Sorgen zu machen.
Das „Sofa-Glück“ ist wahrscheinlich die lautlose Lähmung, die uns am meisten schaden kann, die der Jugend am meisten schaden kann.  
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Die Wahrheit ist eine andere: Liebe junge Freunde, wir sind nicht auf die Welt gekommen, um zu „vegetieren“, um es uns bequem zu machen, um aus dem Leben ein Sofa zu machen, das uns einschläfert; im Gegenteil, wir sind für etwas anderes gekommen, wir sind gekommen, um eine Spur zu hinterlassen. Es ist sehr traurig, durchs Leben zu gehen, ohne Spuren zu hinterlassen. Aber wenn wir die Bequemlichkeit wählen, und das Glück mit dem Konsum verwechseln, dann ist der Preis, den wir bezahlen, sehr, sehr hoch: Wir verlieren die Freiheit. Dann sind wir nicht frei, um Spuren zu hinterlassen. Wir verlieren die Freiheit: Das ist der Preis.
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Meine Freunde, Jesus ist der Herr des Risikos, er ist der Herr des immer „darüber hinaus“. Jesus ist nicht der Herr des Komforts, der Sicherheit und der Bequemlichkeit. Um Jesus zu folgen, muss man eine gewisse Dosis an Mut besitzen, muss man sich entscheiden, das Sofa gegen ein Paar Schuhe auszutauschen, die dir helfen, Wege zu gehen, die du dir nie erträumt hast und die du dir nicht einmal vorstellen konntest: Wege, die neue Horizonte eröffnen können, die fähig sind, Freude zu übertragen – jene Freude, die aus der Liebe Gottes hervorgeht, die Freude, die durch jede Geste, durch jede Haltung der Barmherzigkeit in deinem Herzen verbleibt.
Auf Wegen gehen und dem „Irrsinn“ unseres Gottes folgen, der uns lehrt, ihm zu begegnen im Hungrigen, im Durstigen, im Nackten, im Kranken; im Freund, mit dem es schlecht ausgegangen ist, im Gefangenen, im Flüchtling und im Migranten, im einsamen Nachbarn. Auf den Wegen unseres Gottes gehen, der uns auffordert, politisch Handelnde, Denker, gesellschaftliche Vorreiter zu sein; der uns anregt, eine solidarischere Wirtschaft zu ersinnen, als diese.
Die Liebe Gottes fordert uns auf, in alle Bereiche, in denen ihr euch befindet, die Frohe Botschaft zu tragen und das eigene Leben zu einem Geschenk an Gott und an die anderen zu machen. Und das bedeutet, mutig zu sein, das bedeutet, frei zu sein!
Ihr könnt mir sagen: Pater, aber das ist nicht etwas für alle, es ist nur für einige Erwählte! Ja, das stimmt, und diese Erwählten sind alle, die bereit sind, ihr Leben mit den anderen zu teilen. In der gleichen Weise, in der der Heilige Geist am Pfingsttag das Herz der Jünger verwandelte – sie waren gelähmt –, hat er es auch mit unseren Freunden getan, die ihre Zeugnisse mit uns geteilt haben. (…) Gott erwartet etwas von dir. Habt ihr verstanden? Gott erwartet etwas von dir, Gott will etwas von dir, Gott wartet auf dich. Gott kommt, um unsere Verschlossenheit aufzubrechen, er kommt, um die Türen unseres Lebens, unserer Ansichten, unserer Blicke zu öffnen. Gott kommt, um alles zu öffnen, was dich einschließt. Er lädt dich ein zu träumen, er will dich sehen lassen, dass die Welt mit dir anders sein kann. So ist das: Wenn du nicht dein Bestes gibst, wird die Welt sich nicht verändern.
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Die Geschichte verlangt heute von uns, dass wir unsere Würde verteidigen und nicht zulassen, dass andere über unsere Zukunft entscheiden. Nein! Wir selbst müssen unsere Zukunft entscheiden, ihr selbst eure Zukunft! Wie an Pfingsten möchte der Herr eines der größten Wunder vollbringen, das wir erleben können: Er möchte bewirken, dass deine Hände, meine Hände, unsere Hände sich in Zeichen der Versöhnung, der Gemeinschaft, der Schöpfung verwandeln. Er will deine Hände, um mit dem Aufbau der Welt von heute fortzufahren. Er will sie mit dir aufbauen.
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Du wirst mir sagen: Pater, aber ich bin sehr eingeschränkt, ich bin ein Sünder, was kann ich schon tun? Wenn der Herr uns ruft, denkt er nicht an das, was wir sind, an das, was wir waren, an das, was wir getan oder unterlassen haben. Im Gegenteil: In dem Moment, in dem er uns ruft, schaut er auf all das, was wir tun könnten, auf all die Liebe, die wir übertragen können. Er setzt immer auf die Zukunft, auf das Morgen. Jesus versetzt dich an den Horizont, niemals ins Museum.
Darum, lieber Freund, liebe Freundin, lädt Jesus dich heute ein, Er ruft dich, deine Spur im Leben zu hinterlassen, eine Spur, die die Geschichte kennzeichnet, die deine Geschichte und die Geschichte vieler kennzeichnet.
Aus der Ansprache bei der Gebetswache mit den Jugendlichen am Campus Misericordiae am 30.7.16

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