VISION 20005/2016
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Junge Leute klopfen an die Kirchentüren

Artikel drucken Bekehrung in China: ein Zeugnis (Régis Anouil)

In Schanghai wie anderswo in China finden zahlreiche Bekehrungen statt. Im Folgenden das Zeugnis einer jungen Frau, die kürzlich getauft worden ist.

Ich bin in einer Familie zur Welt gekommen, in der beide Eltern Mitglieder der Kommunistischen Partei sind.“ Maria, Anfang 30, erzählt von ihrem Lebensweg, der sie von einer „total atheistischen“ Erziehung zur Bekehrung geführt hat.
Als sie 15 oder 16 ist, betritt sie eines Tages mit einer Freundin eine Kirche ihrer Stadt. „Einfach aus Neugierde.“ Eine „sehr alte“ Nonne drückt ihr ein Evangelium in die Hand – „mein erster Kontakt mit dem Wort Gottes“. Später, als sie zum Studium an einer Universität der Ostküste aufgenommen wird, belegt sie zwar naturwissenschaftliche Fächer, entdeckt aber in einer Literatur-Vorlesung Gedichte von Goethe.
Da wird ihr bewusst, dass diese Poesie von einer Spiritualität geprägt ist, die sie nicht gekannt hatte. Im Gefolge beginnt die Studentin, das Evangelium zu lesen. „Auf dem Campus lerne ich dann Studenten kennen, Christen, Protestanten. Ihnen sage ich, ich sei schon Christin. Sie sind keineswegs dieser Ansicht und meinen, ich müsste mich ihrer Gemeinschaft anschließen.“
„Ich schätzte diese sehr, die Warmherzigkeit unseres Austausches, ihre Kenntnis der Heiligen Schrift – dennoch spüre ich, dass etwas nicht passt: ihre zum Teil sehr heftige Kritik an anderen Religionen, inklusive der katholischen.“ So begibt sie sich auf die Suche und entdeckt die Kathedrale. „Am Sonntag betrete ich sie. Es wird Messe gefeiert. Ich höre, wie der Priester sagt: ,Der Friede sei mit euch!’ Eine Frau kommt auf mich zu und spricht mir den Frieden Christi zu. Das hat mich berührt, ja erschüttert – etwas in mir hat sich verändert.“
„An diesem Tag habe ich – so glaube ich zumindest – eine mystische Erfahrung gemacht,“ erklärt Maria. Und fügt hinzu, dass die Katholiken vielleicht die Bibel weniger gut kennen als die Evangelischen, aber „ein offenes Herz“ haben.
Bis dahin war Taufe für sie etwas „rein Äußerliches. Dann aber wird mir klar, dass mit der Taufe eine Beziehung zwischen mir und Christus begründet wird; ich erkenne, dass ich mit der Taufe auch in Beziehung zu den anderen trete. Sie sind ja meine Brüder und Schwestern in Christus.“
Die Eltern können ihre Bekehrung in keiner Weise nachvollziehen. In diesem Land, in dem den 86 Millionen Mitgliedern der Kommunistischen Partei jede religiöse Betätigung verboten ist, eröffnet nämlich die Parteizugehörigkeit, wie für alle Parteimitglieder, einen unvergleichlichen Karriereweg. Katholisch zu werden, konnte der Karriere ihres Kindes jedoch nur schaden. „Sie haben dennoch meine Entscheidung akzeptiert.“
20.000 Personen wurden heuer in der Osternacht in China getauft. Für eine Nation von 1,3 Milliarden Menschen erscheint das nicht viel. Aber es ist beachtlich für eine Kirche, die sich in einem ebenso raschen Wandel befindet wie das gesamte Land. Wo bisher großteils der ländliche Raum für Berufungen zum Priestertum und zum Ordensleben sorgte, sind es jetzt die städtischen Gemeinschaften, die den Ton angeben. Zwar gibt es weniger Berufungen, aber so wie Maria klopfen nun viele junge Leute an die Kirchentüren.
Von diesem Land, in denen es weniger als ein Prozent Katholiken gibt und schätzungsweise fünf bis sechs Prozent Protestanten, kann sich Maria nicht vorstellen, dass es bald christlich werden könnte. Dafür aber erklärt sie: Die Neubekehrten stellen sich großzügig und mit viel Engagement in den Dienst ihrer Gemeinschaften – ihrer „neuen Familien“, wie sie oft sagen.

Famille Chrétienne v. 21.-27.5.16

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