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Ein Lied für Nagasaki

Artikel drucken Über das Leben von Takashi Nagai (Christof Gaspari)

Nagasaki – eine Hafenstadt, ganz im Süden von Japan gelegen, weltbekannt geworden 1945 nach dem Abwurf der zweiten Atombombe durch die USA. Er hatte die bedingungslose Kapitulation Japans zur Folge und somit das Ende des Zweiten Weltkriegs. 36.000 der rund 200.000 Bewohner starben sofort und 140.000 Todesopfer infolge von Verletzungen und Strahlenschäden zählte man bis 1950. Einer der Bewohner, die den Bombenabwurf überlebte, war Takashi Nagai – er starb am 1. Mai 1951 ebenfalls an der Strahlenkrankheit. Ein Wissenschafter, ein großer, tief im katholischen Glauben verankerter Mann, der durch sein Wirken und seine Schriften wesentlich zum Wiederaufbau Japans nach dem Zweiten Weltkrieg beigetragen hat.
Ihm ist das Buch "Ein Lied für Nagasaki" gewidmet. Eine spannende Lebensgeschichte, einfühlsam von P. Paul Glynn, der 25 Jahre als Priester in Japan gewirkt hat, geschrieben. Der Leser spürt die Liebe des Autors für dieses Volk, das in vieler Hinsicht so ganz anders ist als wir Europäer, und die große Hochachtung, die er für Takashi Nagai empfindet.
Dieser wird in die Familie eines japanischen Arztes geboren, der seinen streng in der Tradition des Shintoismus aufgewachsenen Sohn zum Medizinstudium nach Nagasaki schickt. Takashi, sein Name bedeutet „Vornehmheit“, ist intelligent, ehrgeizig, eloquent – und lebenslustig. Er kommt in seinen Studien rasch voran – und interessiert sich für europäische Literatur. Blaise Pascal hat es ihm besonders angetan.
Dieser öffnet Nagais Denken erstmals für christliches Gedankengut. Wirklich konfrontiert wird er mit der Botschaft Christi, als er sich bei einer tiefgläubigen Familie in Urakami, einem Vorort von Nagasaki, einquartiert. Diese gehört zu jenen Familien, die über Jahrhunderte hinweg trotz Verfolgung und ohne priesterlichen Beistand den von den Jesuiten im 16. Jahrhundert nach Japan gebrachten, dann aber massiv unterdrückten Glauben bewahrt hatten.
Nach Beendigung seines Studiums verschreibt sich Nagai der Radiologie, einem damals an der Universität von Nagasaki neu eingeführten, aber nicht besonders angesehenen medizinischen Fach und geht bald ganz in seiner Tätigkeit auf. Als die Tochter des Hauses, Midori, knapp vor einem Blinddarmdurchbruch steht, rettet sie das entschlossene Handeln Nagais. Er schleppt sie durch den Schnee ins Spital, wo er telefonisch schon alles für die notwendige Operation hatte vorbereiten lassen.
Midori, die er später heiraten wird, ist es dann, die wesentlich zur Bekehrung des jungen Arztes beitragen wird. 1934 findet Takashi Nagais Taufe statt, Folge einer schwer errungenen Entscheidung: „Er wusste, dass er ,Satan und all seinen Verlockungen des Bösen widersagen’ musste. Plötzlich schienen die Konsequenzen dieses Versprechens fast unmenschlich zu sein. Wie konnte er sich von Dingen lossagen, die er die meiste Zeit seines Erwachsenenlebens getan hatte…? Wie konnte er versprechen, dass er nur noch ein halber Mann, ein halber Japaner sein würde?“
Ein neues Leben beginnt: Familie, berufliches Engagement bis zur Erschöpfung und karitativer Einsatz in der Vinzenzgemeinschaft füllen ihn aus. Militärdienst im Krieg gegen China konfrontiert ihn mit dem schrecklichen Leiden und Sterben von Freund und Feind, das er sich mit großem Einsatz als Arzt und viel Gebet zu bewältigen bemüht.
Und dann der Atombombenabwurf: Nagai überlebt im massiv gebauten Spital. Selbst schwer verletzt, organisiert er – fast ohne Mittel – erste Hilfsmaßnahmen mitten im unfassbaren Chaos und in der totalen Zerstörung rund um ihn, ermutigt die wenigen überlebenden Helfer. Von seinem Haus ist nichts übrig, von seiner Frau nur Knochenreste und ein zerschmolzener Rosenkranz…
Bettlägerig und vom Tod gezeichnet widmet er den Rest seines Lebens der Verkündigung des Glaubens, der Friedensarbeit und der Ermutigung seiner Mitbürger durch die Veröffentlichung zahlreicher Schriften und die Begegnung mit Hilfesuchenden, die sich um sein einfaches Bettlager drängen…
Obwohl ich viel zu tun hatte, habe ich dieses Buch kaum aus der Hand legen können. So sehr hat es mich angesprochen. Ich kann es nur empfehlen und wundere mich, dass dieser Mann noch nicht seliggesprochen worden ist.

Ein Lied für Nagasaki – Über das Leben von Takashi Nagai. Von Paul Glynn S.M., Media Maria, 314 Seiten, 18,95 Euro.

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