VISION 20004/2018
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Christus als Zentrum der Schule

Artikel drucken Ein Gymnasium, das die Schüler mit den großen Fragen des Lebens konfrontiert

Die öffentlichen Schulen stehen unter einem wachsenden Druck der ideologischem Druck, was in Fächern wie Deutsch, Geschichte, vor allem aber in der Sexualaufklärung zum Ausdruck kommt. Daher wird es für Christen immer wichtiger, an die Gründung eigener Schulen zu denken. Im Folgenden ein Gespräch mit dem Gründer eines erfolgreichen Schulmodells.

Was war die Grund-Intuition für das Projekt „Schola Thomas Morus“?
Prof. Christiaan Alting von Geusau: Vor etwa sieben Jahren haben meine Frau und ich – wir sind beide im Bildungsbereich tätig, bzw. tätig gewesen – begonnen, darüber nachzudenken, wohin unser ältester Sohn ins Gymnasium gehen sollte. Wir haben uns alles im Großraum Wien angeschaut. Da gab es zwar viele gute Schulen, aber keine war so, wie wir das für unsere Kinder erhofften. Ich hatte viele Schulen im Ausland besucht. Im englisch-sprachigen Raum, in Polen, in Frankreich entdeckte ich, dass katholische Eltern auf die bewährte Tradition zurückgegriffen hatten, neue Schulen zu gründen. Zwei Merkmale haben diese Projekte: einen wirklich gelebten katholischen Glauben als Kernanliegen sowie eine Wiederbelebung der klassischen Bildungsidee.
 
Was kennzeichnet diese?
Geusau: Junge Menschen zu befähigen, selbständig zu denken und zu begreifen, selbständig zu lernen. In den drei erwähnten Ländern gibt es viele Schulen, die auf Glauben und klassischer Bildung aufbauen. Das wollten wir für unsere Kinder. Wir standen vor der Entscheidung: In eines dieser Länder zu übersiedeln oder zu versuchen, eine Schule zu gründen. Wir sind letztendlich zu der Überzeugung gelangt: Es ist unsere Berufung, hier eine solche Schule zu gründen.
 
Ihr habt dies im Gebet als Berufung empfunden?
Geusau: Absolut. Ohne das hätten wir es nicht getan. Ohne eine Berufung wäre es auch nicht gegangen. Und dass es eine Berufung war und ist, hat sich von Anfang an gezeigt. Ein Satz von Papst Benedikt XVI. hat mich besonders betroffen gemacht. Er erklärte vor katholischen Erziehern, jede katholische Bildungseinrichtung müsse ein Ort sein, um dem lebendigen Gott, der in Jesus Christus Seine Liebe und Wahrheit offenbart, zu begegnen. Dieser Satz war für mich entscheidend.
 
Entscheidend ist also den Auftrag für ein solches Projekt zu haben. Aber, wie viel Know-how braucht man dafür?
Geusau: Wir müssen zwei Ebenen des Know-how unterscheiden. Das Wichtigste ist zu erkennen, was junge Menschen als Christen in dieser Welt wirklich brauchen, um in diese Welt ent­sandt werden zu können.
 
Und worum geht es da?
Geusau: Um die Frage: Wie können wir eine Schule schaffen, die junge Menschen wirklich stärkt? Die Antwort: Sie mit den großen Fragen des Lebens zu konfrontieren: Was heißt es, Mensch zu sein? Warum bin ich auf Erden? Wie sieht die Wirklichkeit rund um mich aus? Wie kann ich diese Wirklichkeit durchdringen, verstehen? Sich diesen Fragen zu stellen, ist heute besonders dringlich, weil wir in einer Welt leben, in der die Wirklichkeit zur Seite geschoben wird. Der Mensch will selbst Gott sein und alles nach eigenen Vorstellungen gestalten. Daher forcieren wir die Auseinandersetzung mit dieser Wirklichkeit. Und das geht nur mit Christus, weil Er der Herr ist. Er muss daher das Zentrum der Schule sein. Daher auch die erste Abbildung auf unserer Webseite: eine Ikone von Christus mit der Aufschrift: Nur einer ist euer Lehrer, Christus. Wir brauchen Ihn nämlich, um die Wirklichkeit des Menschen erforschen und verstehen zu können.
 
Wie aber setzt man das in der Schule um?
Geusau: Durch die Fächer, die wir haben und die Weise, wie wir an den Stoff herangehen. Wir haben einen eigenen Lehrplan. Da gibt es die Fächer, die auch in anderen Schulen unterrichtet werden. Unsere Schüler müssen letztendlich ja die Matura machen. Aber wir haben eine größere Zahl von Fächern. Ein Beispiel: Bei uns ist neben Deutsch Literatur ein eigenes Pflichtfach über alle acht Jahre.
 
Warum?
Geusau: Weil Literatur einer der besten Wege ist, sich mit der Wirklichkeit auseinanderzusetzen. Da lesen wir über Menschen, die sich in der Welt bemühen, mit der Wirklichkeit des Lebens zurechtzukommen – und sich dabei auch oft schwertun. Wir lesen also große literarische Werke und analysieren die Texte genau.
Da wird diskutiert, die Texte werden vertieft, damit wir so etwas über das Menschsein lernen. Und das fasziniert die Schüler. Wir hatten letzte Woche einen Mittelalter-Tag. Eine Wissenschaftlerin der Universität Wien kam und sprach zwei Stunden lang mit den Schülern über alte Texte. Am Ende des Tages hat sie uns gesagt, das Niveau der Analyse-Fähigkeit der Schüler unserer fünften Klasse hätten nicht einmal viele ihre Studenten im ersten Studienjahr.
 
Welche weiteren Unterschiede gibt es?
Geusau: Latein ab dem ersten Schuljahr. Es ist die Grundlage vieler Sprachen. Es ist aber auch eine Kultursprache und eröffnet den Zugang zu unserer Geschichte. Kunstgeschichte ebenfalls acht Jahre lang.
 
Und wie ist dieser Lehrplan entstanden?
Geusau: Den habe ich entworfen und mich dabei von Schulen im Ausland inspirieren lassen. Und das hat auch in die Grundintention des Schulgesetzes in Österreich gepasst. Dort wird ja formuliert, Aufgabe der Schule sei es, Verständnis für das Gute, Wahre und Schöne zu vermitteln.
 
Eine Schule zu gründen erfordert offensichtlich nicht nur ein Grundkonzept, sondern auch das Zurechtkommen mit einer Fülle von einschlägigen Bestimmungen, Verwaltungs- und Finanzierungsaufgaben. Wie ist es Dir damit gegangen?
Geusau: Da haben Experten geholfen. Schon in den frühesten Stadien haben wir mit den Schulbehörden Kontakt aufgenommen. Dort habe ich unseren Plan vorgelegt. Das Faszinierende: Vom ersten Moment an sind wir großer Begeisterung begegnet. Wir wurden wirklich unterstützt und gut in rechtlichen Fragen beraten. Außerdem ist sehr bald ein sehr kompetenter erster Schulleiter, Hofrat Friedrich Wally, ehemals Direktor im Schottengymnasium, zu uns gestoßen.
 
Wie hat das Team, das heute die Schule leitet, zusammengefunden?
Geusau: Das war die Vorsehung. Ich sollte eigentlich einmal ein Büchlein schreiben, das von den Wundern berichtet, die wir erleben durften: Was unser erstes Schulgebäude anbelangt, das jetzige wunderschöne neue Gebäude, wie wir Dr. Wally für die ersten zwei Jahren als Schulleiter und viele andere Mitarbeiter engagiert haben…
Von Anfang an haben wir ein paar rote Linien gezogen. Eine dieser Linien, eine besonders wichtige: Wir stellen nur Lehrer an, die wirklich bewusst ihren Glauben leben, eine persönliche Beziehung zu Jesus Christus haben. Da machen wir keine Ausnahme. Die Lehrer sind ja die wichtigsten Vermittler der Botschaft.
 
Und die findet man?
Geusau: Ja, und viele. Die stehen fast Schlange bei uns – unterschiedlich nach Fächern natürlich. Viele aktiv Gläubige zieht es offenbar in den Lehrberuf.
 
Mit wie vielen habt Ihr im ersten Jahr angefangen?
Geusau: Da hatten wir elf Lehrer für unsere zwei Schüler. Sie waren natürlich nur Teilzeit beschäftigt. Mittlerweile haben wir 16 Lehrer für 43 Schüler. Und nächstes Jahr werden es etwa 70 Schüler sein.
 
Zahlt der Bund den Gehalt Eurer Lehrkräfte?
Geusau: Obwohl wir dies in Anspruch nehmen könnten – wir sind eine Statutschule in freier Trägerschaft –, bezahlen wir sie selbst. Wir finanzieren das über Schulgeld und Spenden. Wir wollen damit in aller Freiheit unsere eigene Schulphilosophie umsetzen können. Mag sein, dass wir das in der Zukunft ändern.
 
Wie habt Ihr das mit der Finanzierung gemacht?
Geusau: Wir bekommen viele Spenden. Es gibt begeisterte Unterstützer des Anliegens – alles Privatpersonen. Wir sind auch keine diözesane Schule, gehören keiner Bewegung, keinem Orden an. Dadurch kommt auch der ganze Reichtum der katholischen Kirche bei uns zum Ausdruck. Wir haben Lehrer, die aus der Pfarrtätigkeit kommen, andere von der Gemeinschaft Emmanuel, Communione e Liberazione, Legio Mariae… Dass das mit der Finanzierung so klappt, bringt zum Ausdruck, dass die Schule ein Werk Gottes ist. Wir haben nur den Auftrag, daran mitzuwirken. Solange wir diesen treu erfüllen und alles tun, was wir tun müssen, wird auch das Finanzielle abgedeckt sein. Dazu ist noch zu sagen: Die Schule ist bis zum Ende des nächsten Schuljahres vorfinanziert – ein Zeichen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
 
Verstehe ich Dich richtig: Das wichtigste ist also die Berufung?
Geusau: Ja, das ist wirklich  das Allerwichtigste.
 
Ich denke, dass es künftig immer wichtiger werden wird, solche Schulen ins Leben zu rufen. Was würdest Du Leuten raten, die Ähnliches in ihrem Herzen tragen?
Geusau: Übrigens, wir werden schon jetzt gefragt. Jedenfalls muss sich der Gründer dazu berufen wissen. Wichtig ist, dass es einer ist, der die Berufung erfährt, das Projekt zu führen. Das ist wesentlich. Ich habe genügend Projekte gesehen, die entweder gar nicht zustande gekommen sind oder nur mit enormer Verzögerung, weil da zwar eine begeisterte Gruppe war, aber keiner, der die letzte Verantwortung übernommen hätte. Der Berufene ist klarerweise darauf angewiesen, dass „Teilberufene“ sich einbringen.
Bei unserer Schule war eben ich der Berufene. Und dieser muss genau wissen, dass es sich um ein Werk Gottes handelt, nicht um seines. Das ist von entscheidender Bedeutung. In der Schulkapelle bete ich daher regelmäßig: „Herr, sorge dafür, dass diese Schule Dein Werk bleibt.“ Diese Sichtweise erleichtert einem andererseits das Leben. Denn in schwierigen Zeiten – und die hatten wir selbstverständlich – ist man dann auch „entlastet“ im Vertrauen, dass du nicht selbst letztverantwortlich bist, nur Gott. Das schenkt innere Ruhe.
 
Interessierte Personen könnten sich also an Dich wenden?
Geusau: Ja, gerne. Ich würde gern andere ermutigen. Denn ich bin überzeugt, dass wir in einer Phase der Kirche leben, in der besonders katholische Paare, Familien berufen sind, Aufträge Gottes im Bildungsbereich zu übernehmen.
 
Dr. Christiaan Alting von Geusau ist Schulleiter der „Schola Thomas Morus“. Kontakt: Schloss­gasse 18-20, A-2521 Trumau, Tel: +43 2253 215 89, office@schola
thomasmorus.at. Das Gespräch führte Christof Gaspari.

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