VISION 20003/2019
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Zunehmend unter Druck

Artikel drucken Christen erleben im Westen eine „höfliche Form der Verfolgung“ (Von Martin Kugler)

Langsam aber sicher macht sich in der westlichen Welt ein Phänomen breit, das Politik und Medien so gut wie nie thematisieren: eine subtile Diskriminierung und Ausgrenzung von Christen. Im Folgenden die Gedanken eines Experten, der die Entwicklung seit vielen Jahren beobachtet und dokumentiert:


Von Christchurch über Paris bis Sri Lanka, eine schlechte Nachricht jagt die andere. „Nichts Neues unter der Sonne,“ könnte jemand das Buch Kohelet kalmierend zitieren. Und ja klar: inmitten  von „bad news“ über verheerende Ereignisse, wie sie rund um Ostern vor allem uns Christen weltweit mit schockierender Wucht (be)trafen, gibt es ständig auch „good news“, in diesem Fall das österliche Evangelium.
Das Kreuz, Widerstände,  ja sogar Verfolgung gehören zum christlichen Leben ebenso wie Erlösung und Auferstehung. Selbstmitleid ist also auch angesichts einer zunehmend glaubensfeindlich herrschenden Kultur nicht angebracht. Trotzdem sollten europäische Christen endlich mehr wissen über das Schicksal ihrer bedrängten Geschwister: einerseits in Regionen der existentiellen Bedrohung und andererseits in Ländern, wo es um „höfliche Formen der Verfolgung“ (Papst Franziskus), um subtile Diskriminierung oder Ausgrenzung geht. Dieser Artikel will Europa und die „westliche Welt“ in den Blick nehmen. Zunächst einige Beispiele und Zahlen:
Auch wenn der katastrophale Brand von „Notre Dame“ in Paris nach bisherigem Informationsstand Folge einer Panne war, wurden dadurch andere Fakten einer größeren Öffentlichkeit bekannt: alleine in den Jahren 2017 und 2018 waren in Frankreich jeweils über 1.000 Kirchen und Kapellen das Ziel von Vandalismus, entwürdigenden Aktionen und gelegten Bränden. Seit 2008 stieg diese Zahl um 235%.
Die französische Organisation „Observatoire de la Christianophobie“ berechnete für das erste Quartal 2019 eine Zunahme solcher Vorfälle in christlichen Gotteshäusern um 53% im Vergleich zum Vorjahr. Der März dieses Jahres sei überhaupt der schlimmste Monat gewesen, seitdem es dazu Aufzeichnungen gibt. So war z.B. die katholische Kirche Houille in der Nähe von Paris innerhalb einer Woche im Februar gleich dreimal betroffen. Unbekannte drangen ein und beschädigten eine Christus- und eine Marienstatue. Innerhalb von sieben Tagen wurden weitere Kirchen angegriffen, in Dijon und Nimes waren sogar der Tabernakel, konsekrierte Hostien und generell der Altarbereich Gegenstand der Attacke.
Am Sonntag, dem 17. März wurde die zweitgrößte Kirche von Paris, Saint-Sulpice von einem gelegten Brand schwer beschädigt. Der Schaden beträgt etwa 1 Mio. Euro, die Polizei sucht noch nach den Tätern. In derselben Woche waren noch elf weitere französische Kirchen von Vandalismus betroffen.  Das Thema ist nicht neu, wurde aber bisher außerhalb Frankreichs kaum wahrgenommen, obwohl es – wenn auch in geringerem Ausmaß –  ebenso Länder wie Spanien und Deutschland betrifft.
Warum nehmen solche Vorfälle dramatisch zu? Woher dieser Hass?
Das in Wien ansässige „Observatory on Intolerance and Discrimination against Christians in Europe“ dokumentiert seit über 10 Jahren jährlich hunderte Fälle dieser Art, aber auch ganz unterschiedliche Ereignisse, die auf eine gesellschaftliche oder gar rechtliche Einschränkung der Religionsfreiheit hinauslaufen. In der westlichen Welt wird die Lage für Menschen, die ihren Glauben ernst nehmen, schwieriger.
Die Benachteiligung im beruflichen und öffentlichen Leben ist ein wachsendes Phänomen, das zumeist subtil und oft im Namen der „Toleranz“ beginnt. Zum Teil geschieht dies durch Gesetze oder Verordnungen, die auf den ersten Blick neutral erscheinen, bei ihrer Anwendung aber diskriminierende Auswirkungen gegen Christen haben.
Am Beispiel Frankreich sieht man deutlich, dass ein radikaler Laizismus oder Akteure der Genderideologie medialen und politischen Druck auf christliche Initiativen ausüben. Schrittweise kann dies zu einer Gesetzgebung führen, welche die Meinungsfreiheit bestimmter Gruppen, z.B. der Lebensschutzbewegung massiv einschränkt. 2017 hat die Nationalversammlung in Paris ein Gesetz gegen das „Verbreiten von irreführenden Informationen“ zur Abtreibung verabschiedet, genauer gesagt gegen Informationen, die Frauen davon abhalten könnten. Verstöße, z.B. Artikel über das Post-Abortion-Syndrom, sind mit Strafen bis zu 30.000€ belegt.
Weniger in die Augen springend, aber nicht weniger beunruhigend als eine brennende Kirche ist ein Phänomen, das eine Schweizer Wochenzeitung dieser Tage beschreibt: in öffentlichen Debatten, aber auch in populären Filmen oder Serien werden glaubenstreue Christen oft als rückständig und intolerant  dargestellt. Und die Medien würden den „Marsch fürs Läbe“ in der Schweiz oft mit verblendeten „Abtreibungshassern“ gleichsetzen. Ein Marsch, den der Kanton Zürich für dieses Jahr sogar verboten hat.
„Da passt es ins Schema“, so der Schweizer Journalist Giuseppe Gracia, „wenn in Schweden eine sozialdemokratische Politikerin 2017 kein Problem damit hat, Dschihadisten mit Abtreibungsgegnern zu vergleichen, während in Deutschland der ZDF-Moderator Claus Kleber den Katechismus der katholischen Kirche auf die gleiche Stufe wie die Scharia stellt. Das fördert ein Klima, in dem Christen, die einen Job zu verlieren haben, sich hüten, öffentlich zu ihrem Glauben zu stehen oder entsprechende Artikel auch nur zu liken.“ (Weltwoche 18/2019)
Angesichts eines in vielen Ländern de facto gewährten „Rechts“ auf freien Zugang zu einer Abtreibung müssen sich Ärzte oder Hebammen tatsächlich zwischen ihrem Gewissen und ihrer beruflichen Zukunft entscheiden.
Papst Franziskus hat also das, was in Teilen Europas passiert, eine „höfliche Christenverfolgung, quasi mit Samthandschuhen“ genannt. Es gehe dabei um die Einschränkung der Gewissensfreiheit von Christen oder um Politiker und „Regierungen, die angeprangert werden“, wenn sie den Schutz christlicher Werte, wie zum Beispiel von Ehe und Familie, bewahren wollen.
Wenn Christen sehen, dass sie kaum die Möglichkeit haben, selbstbewusst und kraftvoll in der Öffentlichkeit aufzutreten, ohne Nachteile in Kauf nehmen zu müssen, ziehen sie sich oft zurück. In ihrem Zuhause, im Kirchenraum oder im katholischen Vereinsleben fühlen sie sich relativ sicher und geschützt.
Das Problem daran: Sie geben es auf, aus ihrer christlichen Verantwortung heraus die Zivilgesellschaft mitzugestalten. Dabei sollte es doch möglich sein, den eigenen Glauben ohne Naivität und Minderwertigkeitsgefühle authentisch zu leben. Und die Verbundenheit mit so vielen wegen ihres Glaubens verfolgten Menschen zu bezeugen. Der Brand von Notre Dame könnte für uns jedenfalls ein Weckruf sein.

Der Autor gründete mit seiner Frau Gudrun das „Observatory on Intolerance and Discrimination against Christians in Europe“ (OIDAC) mit einem umfassenden Dokumentationsarchiv auf:  
https://www.intoleranceagainstchristians.eu


Quellenangabe:
https://www.intoleranceagainstchristians.eu/index.php?id=12&case=2791
https://international.la-croix.
com/news/four-churches-in-france-vandalized-over-the-past-week/9442
https://www.weltwoche.ch/ausgaben/2019-18/artikel/hofliche-verfolgung-die-weltwoche-ausgabe-18-2019.html

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