VISION 20005/2019
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Die Gottesgebärerin

Artikel drucken Der biblische Ursprung der Marienverehrung

Es ist ein weitverbreitetes Vorurteil, die Marienverehrung habe erst mit dem Konzil von Ephesus im Jahre 431 begonnen, als Maria für alle Gläubigen verbindlich als „Got­tesgebärerin“ definiert wurde. Doch Dogmen sind keine Erfindungen von kreativen Theologen oder Päpsten, sondern die lehramtlichen Bestätigungen jahrhundertealter Glaubenswahrheiten. So gehen auch die Mariendogmen auf theologische Erwägungen und Traditionen der ers­ten Jahrhunderte zurück.
Tatsächlich ist die Marienverehrung so alt wie die Kirche. Daran erinnert auch Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., in seinem Marienbuch Die Tochter Zion, ,,dass das Evangelium selbst Marienverehrung prophezeit: Siehe, von nun an werden mich selig preisen alle Geschlechter (Lk 1,48) – dies ist ein Auftrag an die Kirche, dessen Niederschrift durch Lukas voraussetzt, dass es die Marienpreisung in der Kirche seiner Zeit schon gibt und dass er sie zum Auftrag der Kirche auf alle Geschlechter hin rechnet.“
Dabei wird Elisabeth von Lukas als die erste Marienverehrerin portraitiert, die damals in Ain Karem – vom Heiligen Geist erfüllt, wie der Evangelist ausdrücklich feststellt – ausrief: ,,Gesegnet bist du mehr als alle anderen Frauen...“ und ihre jungfräuliche Nichte „Mutter meines Herrn“ (Lk 1, 42-43) nannte.
Wenn man weiß, dass es für eine gläubige Jüdin nur einen Herrn gab, nämlich Gott, dann hat der erste Marientitel, Gottesgebärerin oder Got­tesmutter, hier seinen eigentlichen Ursprung. Auch an dieser Stelle deutet Lukas eine frühe Verehrung Mariens an, wenn er „eine Frau aus der Menge“ mit den Worten zitiert: ,,Selig die Frau, deren Leib dich getragen und deren Brust dich genährt hat.“
In die Reihe der frühen Marienverehrer lässt sich auch der Apostel Paulus einordnen. Im Galaterbrief, der als ältestes Schriftzeugnis überhaupt gilt, räumt er Maria in seiner Kurzversion der Heilsgeschichte einen entscheidenden Platz ein: ,,Als aber die Zeit erfüllt war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einer Frau und dem Gesetz unterstellt…“ (Gal 4,4).
Der Apostel und Evangelist Johannes, der seine Visionen um das Jahr 95 auf der Insel Patmos niederschrieb, zeigt Maria jetzt nicht mehr nur als die Magd aus Nazareth und Mutter des Herrn, sondern längst als die Verkörperung des wahren Israel, in dem das Gottesvolk des Alten und Neuen Bundes (d.h. Israel und die Kirche) eins ist. Als solche wird sie zum apokalyptischen „Zeichen am Himmel“ – ,,Eine Frau, mit der Sonne bekleidet; der Mond war unter ihren Füßen und ein Kranz von zwölf Sternen auf ihrem Haupt.“ (Offb 12,17)

Aus: Der Ruf – Mitteillungsblatt der Türkischen Katholiken in Österreich Juli/August 2019

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