VISION 20006/2020
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Gottes Rüstung anziehen

Artikel drucken In der Konfrontation mit bedrohlichen Umständen: (P. George Elsbett LC)

Wir erleben stürmische Zeiten. Irgendwie gerät vieles, was sicher erschien ins Wanken, vertraute Sicherheiten brechen weg: durch Wegfall des Arbeitsplatzes, Ausfall von vertrauten Begegnungen, verdunkelte wirtschaftliche Perspektiven… Für Christen die Herausforderung, nach der wahren Geborgenheit zu suchen, um halbwegs mit den eigenen Anfechtungen zurecht zu kommen.
 
Weit weg ist es noch, das gewaltige Gewitter. Und doch deutlich zu erkennen: eine, zwei … sogar fünf dunkle Trichterwolken drehen sich bedrohlich aus ihm auf die Erde zu. Ich stehe oben auf einer kleinen, aber sehr steilen Anhöhe. Vor mir eine weite Ebene, ähnlich wie ich sie von der Prärie in Kanada kenne. Tornados hatte ich bis jetzt nur einmal live erlebt. Und das hat gereicht. So etwas aber habe ich noch nicht einmal in Filmen gesehen. Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich gerade in Sachen Gewitter auf der vorsichtigen Seite stehe. Ein fast traumatisches Erlebnis auf einem Berggipfel in der Schweiz hatte dafür gesorgt.
Aber heute kann ich nicht anders. Ich greife in meine Hosentasche und hole mein Handy raus. Das muss man gefilmt haben! Verflixt! Irgendwie funktioniert der Filmmodus nicht. Auch Bilder kann man nicht machen. Vielleicht sollte ich das Handy rebooten. Warum dauert dieser Reboot so lange? Ich schaue wieder auf die Ebene. Die Wirbelwolken sind jetzt noch viel deutlicher zu erkennen. Gerade eine davon wirft sich willkürlich hin und her, wie ein gewaltiger Finger, der nicht genau weiß, was er zunächst ertasten soll. Noch immer funktioniert das Handy nicht.
Zwischen mir und dem Unwetter befindet sich jetzt nur noch der vielleicht eineinhalb Kilometer entfernte Nachbarhof. Oh Gott! In einigen Sekunden würde das erste Gebäude aufgrund des Druckunterschieds explodieren … In meiner Vorstellung sehe ich dessen Trümmer von diesem riesigen Staubsauger emporgefegt … Und dann bin ich aufgewacht. Das war vergangenen Mittwoch.
Normalerweise erinnere ich mich nicht an meine Träume. Und nein, ich bin kein großer Fan der Traumdeutung. Und trotzdem ist dieser Traum für mich ein gutes Bild dafür, was es meines Erachtens in den nächsten Wochen und Monaten zu beachten gilt. Alle, die vergangenen Donnerstag (29. Oktober) bei einer Messe waren, werden diesen Gedanken von Paulus gehört haben: „Werdet stark durch die Kraft und Macht des Herrn. Zieht die Rüs­tung Gottes an …“ (Eph 6,10-11) Und im Evangelium (Lk 13,31-35) sprach Jesus über den König Herodes und über Jerusalem, die irgendwie nicht gecheckt hatten, was gerade los war und worum es eigentlich ging. Etwa so wie ich mit meinem Handy und den fünf Tornados. Nett. Machen wir eine Videoaufnahme oder wenigstens ein gutes Foto, wie gerade alles verwüstet wird. Statt zu überlegen, wie ich mich und die Leute, die bei mir waren, noch irgendwie retten könnte.
Ich weiß nicht, wie deine Tornados heißen. Und während des zweiten Lockdowns werden wahrscheinlich einige auf uns zukommen. Aber ich meine nicht so sehr die äußeren, sondern die im Inneren. „Denn wir haben nicht gegen Menschen aus Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern gegen die Fürsten und Gewalten.“ (Eph 6,12) Ich vermute mal, dass es während des Lockdowns vor allem die Tornados sein werden, die uns gegen die göttliche Tugend der Hoffnung verfehlen lassen. Äußere Umstände, die an unserer inneren Verfassung nagen. Äußere Umstände, die zuerst die negativen Gefühle, aber dann die noch viel gefährlicheren Gedanken mit sich ziehen. Lebenslügen über uns selbst, über Gott, über unsere Umwelt. Man verliert die Verankerung in Gott.
Und das zieht vieles nach sich: Verzweiflung, Frust, Ärger, Wut auf Gott und die Welt, Gereiztheit, Disziplinlosigkeit, Sich-gehen-Lassen, Apathie, mangelnde Sensibilität gegenüber der Not anderer, Suchtverhalten in verschiedenen Formen, Lustbefriedigung bis hin zum Glaubensverlust. Aber die Wurzel liegt im Herausfallen aus der Hoffnung, aus der Geborgenheit in ihm, aus dem Leben aus seiner Gnade.

Auszug aus Newsletter des Regnum Christi Österreich v. 31.10.20

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