VISION 20005/2022
« zum Inhalt Schwerpunkt

Als Christ in der Welt sichtbar werden

Artikel drucken Eine dringende Aufgabe für unsere Zeit: (Anna Diouf)

Seit langem wird Neuevangelisierung als Auftrag der Christen in unseren Tagen propagiert. Und dennoch entfernt sich un­sere Gesellschaft immer mehr vom Glauben. Was tun? Dasselbe wie die ersten Christen: Ein­fach anders leben, im Alltag an der Hand Gottes gehen, damit das Umfeld erahnen kann, dass dies der Schlüssel zum erfüllten Leben ist.

Bist du katholisch?“ Eine Frage, die unweigerlich aufkommt, wenn man mit Freunden im Restaurant sitzt und vor dem Essen betet. Oder wenn, obwohl alle wissen, wie gern man Fleisch isst, beim Grillen am Freitag Grillzucchini auf dem Teller landen statt Steak. Wenn der Blick des Kollegen, der einen zum ersten Mal besucht, am Kruzifix oder Haussegen hängen bleibt.
Es kann stressig sein, unangenehm und mittlerweile sogar gefährlich für das soziale Wohlergehen, sich zu seinem Glauben zu bekennen. Dabei leben wir in einer Welt, in der es zwar ausgesprochene Feindseligkeit gegenüber Religion gibt, in der aber andererseits Spiritualität durchaus mit Wohlwollen betrachtet wird: Ob Yoga oder Meditation, Fasten oder Pilgern zur Selbstfindung, ja, selbst abergläubische und okkulte Praktiken wie Tarot, Horoskope, Traumfänger und Engelrufen haben Konjunktur.
Nur eine Spiritualität hat offenbar keinen Platz in der Riege der Weltanschauungen: Die christliche. Solange das gelebte Christentum lediglich in sozialem Engagement aufgeht, sich um fairen Handel und Umweltschutz bemüht, mag es noch angehen. Ansonsten aber soll es sich im privaten Raum abspielen.
Ein eindrückliches und leider typisches Beispiel für diese Haltung waren die Reaktionen auf die Jungfrauenweihe von Ber­nadette Lang, die am 15. August 2022 in Salzburg stattgefunden hat. Die neue Braut Christi stammt aus der Loretto-Gemeinschaft, die für eine eher untypische, sehr moderne mediale Präsentation sorgte: Selbst Der Standard berichtete. Dementsprechend war auch das Echo in den Sozialen Medien größer und breiter, als dies sonst der Fall ist.
Ein Kommentar war: „Soll sie doch ins Kloster gehen, wenn sie nur für ihren Gott leben will.“ Ähnliche Äußerungen, feindselig und zum Teil sehr aggressiv, waren häufig anzutreffen. Was man als Nonne darf, nämlich nur für Gott leben, soll man gefälligst unterlassen, wenn man „in der Welt“ bleibt. Man kann das privat praktizieren, aber bitte nicht so, dass es jemand mitbekommt.
Diese unverhältnismäßige Aggression gegenüber einer harmlosen Lebensweise – geweihte Jungfrauen tun niemandem etwas, nehmen niemandem etwas, leben größtenteils als verborgene Säulen der Kirche in ihrer jeweiligen Diözese und zeichnen sich weder durch Aktionismus noch durch Agitation aus – zeigt, dass hier offensichtlich ein Nerv der Gesellschaft getroffen ist: Frauen, die für den Herrn in Armut, Keuschheit und Gehorsam leben und dabei in ihrem Beruf und sozialem Umfeld verbleiben, sind ein Anstoß.
Denn die üblichen Klischees und Erklärungsmuster einer Gesellschaft, die Gott leugnet, greifen hier nicht: Weder sind sie „wunderliche“, „introvertierte“ Frauen, die sich scheinbar nur hinter dicken Klostermauern wohlfühlen, noch ist geweihtes Leben so etwas wie ein dauerhafter Mittelaltermarkt, wo man einen pseudohistorischen Spleen ausleben kann mit geheimnisvollen Gemäuern, alten Gesängen und wallenden Gewändern.
Geweihte Jungfrauen tun säkularen Menschen nicht den Gefallen, aus dem Blickfeld zu verschwinden, wenn der eigene Horizont sich zu erweitern droht.
Das gilt für alle Christen! Auch wir dürfen der Welt nicht den Gefallen tun, unsichtbar zu sein, aus dem Weg zu gehen, wenn Menschen Gott aus dem Leben verbannen. Es geht nicht so sehr darum, lautstark seine Meinung zu sagen, wann immer sich die Gelegenheit bietet. Vielmehr müssen wir uns bemühen, uns zu einem ganz selbstverständlichen, vertrauten Umgang mit Gott, der Muttergottes, den Heiligen und allem Sakralen zu „erziehen“. Wir wollen ja unseren Glauben nicht darstellen, sondern leben.
Wenn er das Selbstverständlichste in unserem Leben ist, sind wir auch automatisch glaubwürdige Zeugen, ganz gleich, in welchem Beruf oder Stand. Und diese Vielfalt ist ungemein wichtig: Niemand muss geweiht sein, Jungfrau, Nonne, Priester oder Papst, um heilig zu werden. Heiligkeit ist eine Frucht des Lebens mit Gott, die uns eine tiefe Freude schenken kann, die wir weitergeben dürfen.
Und es ist doch paradox: Obwohl unsere Gesellschaft keineswegs arm ist an Unterhaltungs- und Vergnügungsangeboten, ist kaum etwas seltener geworden als eine echte, tiefe, ungetrübte Freude. Wohin man sieht, herrschen Überdruss, Ersatzbefriedigung und Leere. Im Heiligen Geist aber sind Friede und Freude, und das können Menschen durchaus an unserem Lebenswandel ablesen.
Wir schulden unser Zeugnis nicht nur Christus. Wir schulden es den Menschen. Zum einen jenen, die arrogant und laut ihr relativistisches Weltbild propagieren. Denn diese Menschen leben offensichtlich in einer Lüge: Sie behaupten Toleranz, wo sie andere niederschreien, Mitgefühl, wo sie Frauen drängen, ihre Kinder töten zu lassen, Achtsamkeit, wo sie alles materiellen Anforderungen unterordnen, usw.
Wir Christen können diese inneren Widersprüche offenlegen, Faktenwissen vermitteln und die Realitätsferne dieser Haltungen aufzeigen. Und wichtiger: Wir können vorleben, dass es eine Alternative gibt zu Zynismus, Miss­trauen und Gleichgültigkeit.
Zum anderen helfen wir durch unser Zeugnis allen, die ein gu­tes Leben anstreben, dabei aber allein auf ihr Gewissen geworfen sind. Ich habe schon oft, wenn ich in Sozialen Medien einen katholischen Standpunkt beherzt vertreten habe, an­schließend neben Häme auch dankbare Rückmeldungen bekommen. Von Menschen, die nicht katholisch waren, die aber nach Argumenten, nach Schlüssigkeit dürsteten. Wir sollten nicht vergessen, dass diese Menschen auch deshalb so unsicher sind, weil die Kirche ihren Führungsanspruch und -auftrag oft nicht mehr wahrnimmt.
Denn Wissen lässt sich leicht aneignen. Um zu erkennen, dass Gott personal ist, dass wir eine wirkliche, echte, lebendige Beziehung zu ihm haben dürfen, brauchen wir jedoch die Offenbarung, die die Kirche übermitteln soll. Und Kirche, das sind eben auch wir. Wenn wir uns davor fürchten, das Evangelium zu verkünden, dann oft nicht einmal aus Bequemlichkeit, sondern weil wir uns scheuen, uns eine solche Aufgabe „anzumaßen“.
Darf ich schon wieder auffallen? Schon wieder den angenehmen linksliberalen Konsens torpedieren? Darf ich, selbst gequält von Zweifeln und Sünden, anderen von der Liebe Gottes erzählen? Dies sind wichtige Einwände, damit wir nicht hochmütig und selbstherrlich werden! Aber sie müssen sich der Einsicht unterordnen, dass wir uns diese große Aufgabe nicht selbst zugeschanzt haben. Wir haben sie bei unserer Taufe und Firmung als Auftrag erhalten.
Und es ist wahrhaft eine große Aufgabe: Schaffen wir es, Glauben und Denken miteinander zu verbinden, so dass wir glaubwürdige Zeugen sind? Können wir so selbstverständlich, wie wir sonntags in die Messe gehen, verbal einschreiten, wenn menschenverachtend über Migranten gesprochen oder Abtreibung zum Menschenrecht erklärt wird? Können wir so natürlich, wie wir vor dem Essen das Kreuz­zeichen schlagen, einen Menschen, der in seinem zerstörerischen Lebenswandel gefangen ist, in den Arm nehmen, ihm die Liebe Got­tes zusagen? Die Menschen brauchen die Botschaft Christi, und niemand wird sie ihnen bringen, wenn wir es nicht tun.

Anna Diouf ist Redakteurin bei EWTN.TV.


Heiligkeit – Weg der Evangelisation

Das ist es, was ich uns allen brennend wünsche: die Heiligkeit. Wo Heiligkeit fehlt, da fehlt alles. Mangel an persönlicher Heiligkeit ist die Ursache aller Krisen und Übel in der Kirche. Wir reden zu viel über Mittel und Methoden, mit denen wir diese und jene Mängel, Unzulänglichkeiten und Misserfolge beseitigen wollen. Zum Beispiel: Evangelisation.
Was brauchen wir für eine gute, richtige Evangelisation? Nur heilige Menschen. Mehr nicht. Weil wir aber solche nicht leicht und nicht in ausreichender Menge finden können, greifen wir nach neuen, neueren und neuesten Methoden und Mitteln. Aber das bringt nichts. Heiligkeit kann durch nichts ersetzt werden.
P. Miljenko Steko OFM
Auszug aus einem Interview, das Maximilian Domej für „Medjugorje 2/2022 geführt hat.







© 1999-2024 Vision2000 | Sitz: Hohe Wand-Straße 28/6, 2344 Maria Enzersdorf, Österreich | Mail: vision2000@aon.at | Tel: +43 (0) 1 586 94 11