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Benedikt XVI. – Unser letztes Gespräch

Artikel drucken Manfred Lütz und Markus Lanz: (Christian Dick)
 
   

Es ist äußerst schwierig, einen hochgeistigen Intellektuellen, einen der größten Theologen des 20. Jahrhunderts wie Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. in all seinen Facetten zu beleuchten und ihm dabei gerecht zu werden. Man müsste ganze Bände füllen. Ein Gegenbeispiel liefert das Buch Benedikt XVI. – Unser letztes Gespräch, das auf der letzten persönlichen Begegnung von Manfred Lütz und dem Fernsehmoderator Markus Lanz mit dem Papst em. Benedikt XVI. basiert. Das Buch besticht durch die komprimierte Darstellung und seinen lebendigen, äußerst unterhaltsamen Sprachstil. Der Leser fühlt sich fast so, als wäre er Benedikt XVI. selbst begegnet.
Das Gespräch kam zustande, als Manfred Lütz Talkgast bei Markus Lanz war. Lanz berichtete, er habe Kardinal Ratzinger einmal interviewt und würde gern noch einmal ein Gespräch mit dem emeritierten Papst führen. Dank seiner lang­jährigen Kontakte zum Papst gelang es Lütz, einen Gesprächstermin zwischen ihm, Lanz und dem emeritierten Papst zu bekommen.
Der erste Teil des Buches enthält Betrachtungen von Manfred Lütz auf der Basis früherer Begegnungen mit dem Papst. Daran schließt sich die Darstellung aus der Sicht von Markus Lanz an, basierend auf einem Interview mit Kardinal Ratzinger im Jahre 2003. Im dritten Teil des Buches beschreiben Lütz und Lanz ihre Eindrücke aus diesem letzten Gespräch, das am 30. April 2018 stattfand.
In dem Buch heißt es: „Gescheite Menschen können mitunter anstrengend, skurril oder arrogant sein. Doch nichts von alldem war Kardinal Ratzinger. Zwar war er auch nicht eigentlich schüchtern, aber nie auftrumpfend und vor allem stets andere stützend und wertschätzend, gerade wenn sie ihm offensichtlich intellektuell weit unterlegen waren.“
Das Buch unterstreicht das Menschliche bei Joseph Ratzinger. Wenn man es gelesen hat, wird deutlich, dass dieser ein milder, sanftmütiger und, insbesondere seinen Kritikern gegenüber, unsagbar offener Mensch gewesen ist. Lütz schildert seinen Eindruck über Papst Benedikt XVI. als einen Menschen, der sich selbst eher zurückgenommen hat;  das geht unter anderem aus einer Beobachtung vom Weltjugendtag in Madrid im Jahre 2011 hervor: „66 Jahre nach dem schrecklichen Zweiten Weltkrieg, den Deutsche über die Welt gebracht hatten, jubeln zwei Millionen junge Menschen aus buchstäblich allen Ländern der Erde mit echter Begeisterung, ja Liebe einem Deutschen zu, diesem kleinen alten Mann aus Bayern, der ihnen nicht auftrumpfend, sondern bescheiden mit einfachen, fast zärtlichen Worten ins Herz sprach.“
Markus Lanz beschreibt am Beispiel des Weltjugendtages in Köln im Jahre 2005 zwei völlig unterschiedliche Arten der Außenwirkung Papst Benedikts XVI. und führt au: „Es gibt da diese beiden Bilder. Auf dem ersten ein Papst, der auf einem Rheinschiff in die Stadt fährt und dabei seltsam scheu und distanziert wirkt, fast so, als sei er sich nicht sicher, wem der Jubel und die ‘Benedetto’-Rufe der unzähligen jungen Menschen denn nun eigentlich gelten. Und dann das zweite Bild: der Papst auf dem Marienfeld. Mehr als eine Million Jugendliche, die in ihrer gnadenlosen Fröhlichkeit nicht locker lassen und ihn mit ihrer Begeisterung anstecken, Stück für Stück und Minute für Minute immer noch ein bisschen mehr, und ihn schließlich emotional überwältigen und einfach mitreißen. Die Welt habe ihn davor und danach nie wieder so gelöst erlebt wie damals in Köln…“
Was kaum bekannt ist: Das Thema Kindesmissbrauch war Kardinal Ratzinger schon als Präfekt der Glaubenskongregation besonders wichtig. In dem Buch wird geschildert, dass Benedikt XVI. der erste Papst der Geschichte war, der der Bekämpfung des Missbrauchs höchste Priorität einräumte und der weltweit 800 Priester abgesetzt hat.
Zum Schluss fragt ihn Manfred Lütz noch, was er sich wünschen würde, das von ihm später mal gesagt werden solle. Das sei ihm eigentlich egal, antwortet Benedikt und lachend fügt er hinzu, er hoffe, nicht allzu viel Böses.

Benedikt XVI. – Unser letztes Gespräch. Von Markus Lanz und Manfred Lütz, Kösel-Verlag, 96 Seiten, 18,50€.

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