VISION 20006/2013
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„Ja, ich atmete auf“

Artikel drucken Ein Medium, das ein Licht christlicher Hoffnung verbreitet (Von Urs Keusch)

Eine neue Hofffnung ist vielerorts mit dem neuen Pontifikat angebrochen, dieselbe Hoffnung, für die  VISION 2000  seit 25 Jahren die Trommel rührt. Pfarrer Keusch berichtet im folgenden Beitrag über seine Begegnung mit der Zeitschrift.

Kürzlich sagte mir ein älterer Mann, der sich schwer tat mit der Zeit nach dem II. Vatikanischen Konzil: „Manchmal wünschte man sich, man könnte nochmals von vorne anfangen. Mir ist in letzter Zeit bewusst geworden, dass der Pessimismus, diese ganze Schwarzseherei, der ich auch zugeneigt war und die auch meine Familie belastet hat, im Grunde unchristlich war. Ja, die Schwarzseherei hat keine Zukunft, sie führt in die Mutlosigkeit, manchmal in die Verzweiflung. Wie habe ich mich in all den vergangenen Jahrzehnten auf Endzeit-Prophezeiungen gestützt, auf Offenbarungen, aber mir ging es dabei überhaupt nicht besser, im Gegenteil.
Wie falsch das alles war, ist mir in den letzten Wochen und Monaten bewusst geworden, seit ich Papst Franziskus beobachte. Ich bin tief beschämt von diesem Mann, der doch zwei Jahre älter ist als ich. Welche Hoffnung strahlt er aus! Wer hätte sich so etwas vorstellen können? Weil er wirklich glaubt, wirklich hofft, die Menschen nicht verurteilt, darum wirkt er so überzeugend. Mir fehlte diese Hoffnung, diese Liebe. Das zu erkennen tut weh, sehr weh, glauben sie mir...“
Dieser Mann steht für sehr viele Christen heute, nur fehlt vielen diese Einsicht oder der Mut, sie sich einzugestehen, geschweige auszusprechen. Es ist bittere Einsicht, sie tut weh. Doch ein biss­chen Verständnis und Nachsicht verdienen diese Menschen auch. Die älteren Leser von VISION 2000 haben es miterlebt: Die Zeit nach dem Konzil war für die Kirche eine Zeit ungeheurer Umwälzungen, eine Zeit der Verunsicherung, des moralischen und des Glaubensabfalls.
Das Antichristliche etablierte sich fast ungehindert in allen Lebensbereichen. Prophezeiungen wurden herumgereicht, die das Vertrauen in den Papst, die Bischöfe, die Kirchenleitung untergruben. Das Konzil wurde miss­braucht, schlecht gemacht, obwohl man es gar nicht studiert hatte. Misstrauen wurde gesät hüben und drüben. Die Gläubigen wussten oft nicht mehr, wo ihnen der Kopf steht. Auch katholische Zeitungen prangten von negativen Schlagzeilen, waren fast nur auf das Negative in der Kirche fokussiert. Ein Bischof sagte mir in dieser Zeit, kurz vor seinem Tod: „Ich sehe keinen hellen Punkt mehr.“ Das war das Lebensgefühl vieler Christen in den letzten vier, fünf Jahrzehnten.
Diese Zeit war auch für die Jugend unerträglich. Wenn alles in der Kirche so schlecht und marode ist: Papst, Bischöfe, Priester, Konzil – warum dann noch dazu gehören!? Und man wandte sich von diesem „lieblosen, zerstrittenen Haufen“ ab. Heute stehen wir vor leeren Kirchen. Jugend braucht Hoffnung. Wo aber Eltern und Erzieher sie ihnen nicht vorleben, wo in den Familien Kritik vorherrscht und schlecht ge­redet wird, da kann kein Kind gedeihen, da entwickelt der junge Mensch Aggressionen.
„Seht, wie sie einander liebhaben!“, sagten die Heiden zueinander, als sie die ersten Christen in ihrem Zusammenleben beobachteten, und sie schlossen sich ihnen an. Dieses Beispiel haben wir unserer Jugend vorenthalten!
Als ich vor gut 20 Jahren meine Ferien in Österreich verbrachte und da und dort Kirchen besuchte, da lag hin und wieder im Schriftenstand VISION 2000 auf. Ich habe sie jeweils mit Heißhunger gelesen. Und ich atmete auf. Ja, ich atmete auf!
Gott sei Dank, sagte ich mir, Gott sei Dank, endlich eine Zeitschrift, die sich nicht auf das Negative fokussiert, nicht eine, die nur anklagt, polarisiert und die Menschen entmutigt. Sie hatte einen Stand über dem Streit in der Kirche, einen Stand im Licht der christlichen Hoffnung.
Sie brachte Zeugnisse von Menschen, die in Jesus Christus ein neues Leben gefunden hatten, von Gruppen und Bewegungen in der Kirche, die Hoffnung ausstrahlten, sie stand loyal und ungebrochen zum Papst und zur ungeheuchelten Einheit mit der Kirche. Im Zentrum stand immer auch der Schutz des menschlichen Lebens. Das hat mir wohlgetan, hat mich auch animiert, in VISION 2000 zu schreiben.
Und als ich anfing, VISION 2000 in der Schweiz zu verbreiten, als ich sie vielen Freunden weiter gab, da haben auch sie aufgeatmet und dankbar zur Kenntnis genommen, dass man es auch so machen kann, positiv, konstruktiv, im Licht von Ostern. Oftmals wurde mir von jungen Ehepaaren gesagt: „Das ist nun eine Zeitschrift, die man auch an junge Paare weitergeben kann, eine Zeitschrift, die aufbaut.“
Ich durfte im Laufe der Jahre auch beobachten, wie verschiedene katholische Zeitschriften in der Schweiz aus VISION Artikel abdruckten. Und mehr als ein Redaktor hat dann gespürt, dass die Fokussierung auf das Böse die Menschen der christlichen Hoffnung nur noch mehr entfremdet, dass letztlich solche Gesinnung Ausdruck von Unglauben ist, teuflische Verführung und dass christliche Familien auf diese Weise nicht gestärkt, sondern gelähmt, der wahren Kirche entfremdet werden, wie ich es als Seel­sorger oft schmerzlich erlebt habe. Es gäbe hierzu noch vieles zu sagen.
Der barmherzige Vater hat uns einen Papst geschenkt, der mit dem Eifer eines Elijah die christliche Hoffnung und die Barmherzigkeit Gottes verkündet und sie uns vorlebt. Weltweit ist in der Kirche ein Ruck zu verspüren in Richtung Hoffnung, in Richtung Aufbruch, in Richtung Reich Gottes. Man will Neuland unter die Füße, den sauren Wein aus alten Schläuchen nicht mehr trinken. Man will den neuen Wein, den Wein des Messias!
Man will wieder leben und frei atmen in frischer Luft wie die ersten Christen: nicht nur für sich selbst, nicht für eine abgestandene bürgerliche Religion, nicht bloß für ein eigenes Häuschen, ein neues Auto, eine steile Karriere. Nein. Man will wieder das Leben und man will es mit anderen teilen: Geld, Zeit, den Beruf, den Glauben, die Freude – teilen wie die ersten Christen, vor allem auch mit den Armen, Einsamen, den Kranken und Gestrandeten.
Es ist Neues im Kommen, liebe Leser, eine neue Liebe zur Kirche erwacht in vielen Menschen, die guten Willens sind, und wer jetzt nicht mitmacht, wird überholt und stehen gelassen. Gott weckt diese Liebe durch Papst Franziskus in den Menschen, er entfacht sie in der Jugend, in den Unverbrauchten. Und Papst Franziskus ruft die Menschen zur Nachfolge Christi, zu wirklicher Nachfolge: zur Tat, zum Teilen, zum Verzichten, zum Geben, zu einem einfachen Lebensstil, zur Selbstüberwindung.
Er will keine selbstgenügsame, bürgerliche Kirche, keine ängstliche, keine pharisäische, keine reiche Kirche, auch keine Theologenkirche, keine Zuschauerchristen, keine Schaufensterchristen, er will, dass wir mutig hinaus gehen, an die Straßenkreuzungen, und jene zum Hochzeitsmahl drängen, die da herumstehen, herumlungern, Böse und Gute (vgl. Mt 22, 1-14).
Am Fatimatag, am 13. Oktober, hat Papst Franziskus die Mutter Gottes gebeten:
„O Maria, lass uns deinen mütterlichen Blick spüren, führe uns zu deinem Sohn, mach, dass wir nicht Christen ‚fürs Schaufenster‘ sind, sondern solche, die sich die Ärmel hochkrempeln, um mit deinem Sohn Jesus sein Reich der Liebe, der Freude und des Friedens aufzubauen.“
Und wir sprechen: Amen, Amen. So sei es. Amen. Danke, Mutter! Hilf uns Christen!                                                           
Der Autori ist Pfarrer emeritus.

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