Nicht selten werde ich damit konfrontiert, daß der wichtigste Motor unseres Schaffens die Unzufriedenheit ist, und daß daher Dankbarkeit aus Sicht einer wirtschaftlichen Expansion uns nicht weiter bringt. Völlig im Kontrast dazu steht die Aussage des Apostels Paulus, der schreibt, “Dankt Gott für alles; denn das will Gott von euch, die ihr Christus Jesus gehört (Thess.5,18)."
Im Alltagsleben ist es jedenfalls noch so, daß der Dank üblich ist. Und wir machen ja auch die Erfahrung, daß ein “Bitte" oder ein “Danke schön" eine positive Beziehung herstellt, ja daß damit auch Hürden überwunden werden können. Ein besonderes Beispiel für mich ist diesbezüglich Jesus, wie er der Frau am Jakobsbrunnen begegnet. Er erkennt die Not der Samariterin und bittet sie um Wasser. Er bietet keine Hilfe an, sondern bittet die Frau, die Hilfe braucht. Dies schaffte die Grundlage, daß die Frau die Hilfe Jesu auch in Anspruch nehmen konnte. Letztendlich war diese Frau (trotz ihrer schweren Sünden) wieder fröhlich, ja sie verkündete, auch aus großer Dankbarkeit, bei den Samaritern, daß Jesus der erwartete Messias sei.
Wenn mir etwas Gutes widerfährt, fällt es mir leicht zu danken. Dieser Dank wiederum erfüllt mich mit noch mehr Freude. Daher ist Dankbarkeit für mich die Voraussetzung zur Freude in meinem Leben. Im Brief an die Philipper schreibt der Apostel Paulus, daß die Freude die Grundlage für ein christliches Leben ist. Er bezeichnet die Freude auch als Frucht des Heiligen Geistes.
Schon seit über acht Jahren üben wir wöchentlich in einer gestalteten Anbetungsstunde bei den Barmherzigen Schwestern die Dankbarkeit für alles. Diese Stunde jeden Dienstag in der Krankenhauskapelle ist auch immer eine besondere Gnadenstunde.
Es fällt nicht immer leicht, kranken Menschen zu sagen: Freut euch, dankt Gott für alles. In der eucharistischen Anbetung jedoch wird diese allerdings immer wieder auch durch die Hilfe des Heiligen Geistes angenommen.
Ein Beispiel dafür: Eine kranke Frau sagt, sie könne Gott doch nicht für ihre Krankheit danken, das sei doch nicht ehrlich. Menschlich betrachtet ist dies auch unmöglich. Was geschieht jedoch, wenn ein kranker Mensch - vorausgesetzt er hat ein großes Vertrauen zu Gott - für sein Leid Gott dankt? Es wächst seine Überzeugung, daß in Gottes Händen alles zum Heil geführt wird - vorrangig das Heil der Seele und somit ein ewiges Leben in und mit der Vollkommenheit und Herrlichkeit Gottes. Wenn nun diesem wichtigsten Ziel das körperliche Heil nicht mehr im Wege steht, warum soll dann das Vertrauen zu Gott nicht auch eine körperliche Heilung hervorrufen?
Diese Frau hatte den Mut, Gott für ihre Krankheit zu danken und wurde auch wieder gesund. Sie sagte mir später, daß diese Hinführung zur Dankbarkeit an Gott für alles für sie ein besonders großes Geschenk ist und ihre Krankheit mehr als rechtfertigt.
Die Dankbarkeit ist also auch die höchste Form einer Bitte an Gott. Wir können Gott für unsere Not danken, weil wir Ihm vertrauen können, daß alles, was wir Ihm anvertrauen, Er in seinen Heilsplan für die Ewigkeit hineinnimmt. So ist es auch sehr ermutigend, wenn es in der heiligen Schrift heißt: “Sorgt euch um nichts, sondern bringt in jeder Lage betend und flehend eure Bitten mit Dank vor Gott!" (Phil 4,6).
Das gewaltigste Beispiel für mich ist der Lobpreis im Buch Daniel. Obwohl die Jünglinge im Feuer verbrannt werden sollten, danken sie Gott, daß sie selbst das Opfer für die Sünden der Gemeinde sein dürfen, was letztendlich zu einem wunderbaren Lobpreis führt. Diese Dankbarkeit rettet die Jünglinge schließlich vor dem sicheren Tod im Feuerofen.
Für mich ist es nicht immer leicht, für alles dankbar zu sein, jedoch übe ich es, so gut ich kann, und stelle jedes Mal mit Erstaunen fest, daß jede Not, jede Krankheit, aber auch seelisches Leid plötzlich viel leichter zu tragen ist, wenn es sich nicht ganz auflöst. Die Dankbarkeit bringt mir immer wieder die Freude zurück bzw. stärkt diese in mir. Von Herzen wünsche ich jedem Leser “Freuet euch im Herrn zu jeder Zeit", und euer Leben bekommt eine neue Qualität durch unseren auferstandenen Herrn Jesus Christus.
Josef Atzmüller