Von Kind auf bin ich gesundheitlich belastet, was mich in meinem Wirken und Lebensgefühl durchgehend schmerzlich behindert.…
Doch da ich von der Mutter her einen starken, gesunden christlichen Glauben in die Wiege gelegt bekam, lernte ich von jung an trotz allem „Knorzen“ (Abrackern, Anm.) aus dem Minus ein Plus zu machen. Graphisch dargestellt ist es das Kreuz Jesu, das aus unserem Minus ein Plus macht.
Von Kind an begleitete mich das tägliche „Englisch-Gruß-Gebet“ der Mutter, in dem Katholiken sich in die Haltung Marias zur Nachfolge Jesu begeben mit ihrem Wort: „Siehe, ich bin die Magd des Herrn, mir geschehe nach deinem Wort“, und das ausmündet in den Satz: „Führe uns durch Sein Leiden und Kreuz zur glorreichen Auferstehung.“
So nahm mich Jesus schon seit Kindsbeinen an Sein Kreuz, was aber meine positive Einstellung zum Leben nicht hinderte, sondern beflügelte. Das konnte ich am 2. Juli 2017 im Festgottesdienst zu meinem 60. Priesterjubiläum – verbunden mit dem 85. Geburtstag – feiern.
Es markierte im Zeichen des Kreuzes eine einschneidende Wende in meinem Leben, denn am darauf folgenden Herz-Jesu-Freitag, am 7. Juli, musste ich mich einer schweren Darmoperation wegen Krebs unterziehen lassen (40 cm Dickdarm wurden herausgeschnitten), wovon ich mich nur schwer erhole. Dennoch kann ich ausrufen: „Er macht alles gut – Sein Name sei gepriesen!“
Das Fest selber war ein Geschenk des Himmels. Unsere Kapuzinerkirche war gefüllt mit Freunden aus nah und fern, mit anschließendem Aperitif für alle und Festmahl für die näheren Angehörigen, darunter meine vier Geschwister mit ihren Familien. Der Grundton war: Wir alle, die wir Jesus gehören, sind ein Königreich von Priestern (1Petr 2,5; Ex 19,6). Wir Amtspriester haben den Auftrag, die Getauften in dieser Würde zu bestärken und auszurüsten (Eph 3,9; 4,12).
Die Sonntagslesungen waren eine treffliche Überleitung zu meiner folgenden Prüfungszeit (Röm 6,3f.8-11; Mt 10,37-42): Sie handeln vom Paradox des Kreuzes: Jesus macht durch Sein sieghaftes Kreuz unser niederdrückendes Kreuz zum Leuchtzeichen. Er macht, wie gesagt, unser Minus zum Plus. Jesus sagt es so: „Wer nicht sein Kreuz auf sich nimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig. Wer das Leben gewinnen will, wird es verlieren; wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen.“
Und Paulus drückt das Paradox des Kreuzes so aus: „Wir wurden mit Christus begraben durch die Taufe auf den Tod; und wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters von den Toten auferweckt wurde, so sollen auch wir als neue Menschen leben. Wenn wir nämlich ihm gleich geworden sind in seinem Tod, dann werden wir mit ihm auch in seiner Auferstehung vereinigt sein. Wir wissen doch: Unser alter Mensch wurde mitgekreuzigt, damit der von der Sünde beherrschte Leib vernichtet werde und wir nicht Sklaven der Sünde bleiben. Sind wir nun mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden. So sollt auch ihr euch als Menschen begreifen, die für die Sünde tot sind, aber für Gott leben in Christus Jesus.“
Damit die Worte vom Kreuztragen keine bloßen Worte bleiben, habe ich sie illustriert mit der heutigen Märtyrersituation, wo Millionen lieber ihr Leben hingeben, um Jesus treu zu bleiben. Als Beispiel teilte ich den illustrierten Bericht der 21 koptischen Märtyrer in Libyen in ihren orangefarbenen Overalls und des jungen, in seinem Guthirtdienst treu ausharrenden Priesters Raghed Ganni aus dem Irak mit seinem gewinnenden Lächeln aus.
Den Sieg des Auferstandenen feierten wir am Schluss des Jubiläumsgottesdienstes mit dem „O happy day“: „O freudiger Tag, als Jesus wusch meine Sünden hinweg. Er lehrte mich, wie man wachsam ist, wie man kämpft und betet, kämpft und betet. Und mit Freude lebt“, vorgesungen vom Mann meiner Nichte und freudig akklamiert von den Mitfeiernden.
Im folgenden Spitalaufenthalt (bis vor Maria-Himmelfahrt am 14. August) konnte sich mein christlicher Glaube unter harten Bedingungen bewähren (aber noch immer ein Kinderspiel im Vergleich zu den Märtyrern). In den ersten Wochen totales Unwohlsein mit Schmerzen und Schwäche. Da konnte ich nur noch kurze Stoßgebete beten und mich von hoffnungsvollen Gedanken und Vorstellungen tragen lassen. Doch umgeben von liebevoller Pflege, ermutigenden Besuchen und geistlichen Anregungen, auch mit Hilfe eines geschenkten Radios mit christlichen Sendungen, konnte ich nur noch ausrufen: „Du bist gut und machst alles gut. Nur danken kann ich, mehr doch nicht. Jesus, alles mit dir, dir zulieb, zur Rettung der Seelen…“
Im Spital war mir das reformierte Gesangbuch das lieb geworden mit den wunderbaren Hingabeliedern („So nimm denn meine Hände…“; „Der Herr, mein Hirte führet mich…“).
Doch nach dem Spitalaufenthalt kam bald eine größere Prüfung: eine schwere Rückenverletzung, die zu meinem schmerzhaften Ganzkörperekzem meine dauernden Schmerzen noch verstärkt. Doch o Wunder! Dadurch zieht mich Jesus noch stärker an sich, so dass ich nur noch rufen kann: „Danke, du machst alles gut!“ Zwei gottgeweihte Frauen hatten für mich die Eingebung vom Weizenkorn, das sterben muss, damit die Aufträge, die Gott mir auf das Herz gegeben hat (über die Rolle Marias in der Ökumene und über den Plan Gottes mit Israel und dem Islam), Frucht bringen.
Der Autor ist Kapuzinerpater im Kloster Olten in der Schweiz