Ab dem Moment der Verschmelzung von Samenzelle und Eizelle ist der Embryo ein menschliches Wesen, eine Person mit allen entsprechenden Rechten. Von dieser Grundeinsicht geht die Instruktion der Glaubenskongregation „Donum vitae" aus, um zum Umgang mit dem Ungeborenen Stellung zu nehmen. Ihre Klarstellung ist wegweisend:
Wie bei jedem medizinischen Eingriff an Patienten müssen die Eingriffe am menschlichen Embryo unter der Bedingung als erlaubt angesehen werden, daß sie das Leben und die Integrität des Embryos achten und für ihn nicht unverhältnismäßige Risiken mit sich bringen, sondern seine Heilung, die Besserung seines Gesundheitszustandes oder sein individuelles Überleben zum Ziel haben. (1.3)
Keine Zielsetzung, auch wenn sie als solche ehrenwert ist, wie die Voraussicht eines Nutzens für die Wissenschaft, für andere menschliche Wesen oder für die Gesellschaft, kann in irgendeiner Weise Experimente mit noch lebenden Embryonen oder Föten rechtfertigen, seien sie nun lebensfähig oder nicht, im Mutterleib oder außerhalb von ihm.
Die Zustimmung nach vorhergehender Information, die für klinische Versuche am Erwachsenen normalerweise verlangt wird, kann von den Eltern nicht geleistet werden: diese können weder über die körperliche lntegrität noch über das Leben des Ungeborenen verfügen. Andererseits bringen Versuche mit Embryonen und Föten stets die Gefahr, ja sogar in der Mehrzahl der Fälle die sichere Voraussicht eines Schadens für ihre physische Integrität oder sogar ihres Todes mit sich.
Ein Verbrechen
Den menschlichen Embryo oder Fötus als Gegenstand oder Mittel für Experimente zu benutzen, stellt ein Verbrechen gegen deren Würde als menschliche Wesen dar, denen dasselbe Recht auf Achtung wie dem schon geborenen Kind und jeder menschlichen Person zusteht ... Die Leichen menschlicher Embryonen und Föten, seien sie nun vorsätzlich abgetrieben oder nicht, müssen geachtet werden wie die sterblichen Überreste von anderen menschlichen Wesen ... (1.4)
Es ist unmoralisch, menschliche Embryonen zum Zweck der Verwertung als frei verfügbares ,,biologisches Material" herzustellen. In der üblichen Praxis der ln-vilro-Befruchtung werden nicht alle Embryonen in den Mutterleib übertragen: einige werden zerstört. So wie die vorsätzliche Abtreibung verurteilt wird, verbietet die Kirche auch jeden Anschlag auf das Leben dieser menschlichen Wesen. Es ist nötig, auf die besondere Schwere der freiwilligen Zerstörung der menschlichen Embryonen hinzuweisen, die nur zum Zweck der Forschung - sei es mittels künstlicher Befruchtung, sei es mittels ,,Zwillingsspaltung" - in vitro hergestellt worden sind.
Der Forscher, der so handelt, setzt sich an die Stelle Gottes und macht sich, auch wenn er sich dessen nicht bewußt ist, zum Herrn des Geschicks anderer, insofern er sowohl nach Belieben auswählt, wen er leben läßt und wen er zum Tod verurteilt, als auch insofern er wehrlose Menschen umbringt. (1.5)
Die Techniken der ln-vitro-Befruchtung können die Möglichkeit für andere Formen biologischer oder genetischer Manipulation menschlicher Embryonen eröffnen, und zwar: Versuche oder Pläne zur Befruchtung zwischen menschlichen und tierischen Keimzellen und zur Austragung menschlicher Embryonen in tierischen Gebärmüttern; das hypothetische Vorhaben oder den Plan, künstliche Gebärmütter für den menschlichen Embryo zu konstituieren.
Verletzung der Würde
Diese Verfahren widersprechen der dem Embryo eigenen Würde als eines menschlichen Wesens und verletzen gleichzeitig das Recht jeder Person, innerhalb der Ehe und durch die Ehe empfangen und geboren zu werden. Auch die Versuche und Hypothesen, die darauf abzielen, ein menschliches Wesen ohne jede Verbindung mit der Sexualität mittels „Zwillingsspaltung", Klonierens oder Parthenogenese zu gewinnen, stehen im Gegensatz zur Moral, weil sie sowohl der Würde der menschlichen Fortpflanzung als auch derjenigen der ehelichen Vereinigung widersprechen. (1.6)
Auszug aus "Leben und Fortpflanzung", Christiana-Verlag Stein/Rhein 1987