VISION 20001/1989
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Die Liebe weiterschenken

Artikel drucken (Christof Gaspari)

Empfängnisregelung und Weitergabe des Lebens: Den meisten Menschen sind Argumente, die scheinbar gegen die Lehre der Kirche sprechen, geläufig. Wir haben auf den folgenden 6 Seiten einiges zusammengestellt, was für diese Botschaft spricht - in Theorie und Praxis. "Das ist aber mühsam", mag sich mancher denken. Nehmen Sie sich, bitte, dennoch Zeit für die Lektüre. Das Anliegen ist so wichtig, hat aber noch wenige engagierte Vertreter.

Kürzlich sprach ich mit ei­nem Bekannten über die Enzyklika "Humanae vitae". Ja, sie zeichne ein hohes Ideal, meinte er. Für man­che mag das gut sein. Aber doch nicht für alle! Er kenne viele, die es versucht hätten - auch er -, aber es funktioniere eben nicht. "Die­se Lehre ist unrealistisch - ein Unsinn!"
Ja, das stimmt - unrealistisch wie das ganze Evangelium. Oder ist die Aufforderung, "Liebet eure Feinde, tut Gutes, denen, die euch hassen" (Lk 6,27) oder das Gebot "sorgt euch nicht um euer Leben ... " (Mt 6, 25) etwa reali­stisch? Wer kann von sich be­haupten, er verwirkliche all das in seinem Leben?
Und dennoch: Diese Worte Chri­sti sind bindende Wegweisun­gen in jeder Phase unseres Lebens. Würden wir unsere Fä­higkeit, Geboten zu folgen, zum Maßstab für das Evangelium er­heben, wir könnten es sofort zur Papiersammlung geben.

Mir hat ein Wort von Romano Guardini sehr geholfen. Guardi­ni sagt an einer Stelle seines Buches "Das Ende der Neuzeit" sinngemäß folgendes: Christli­che Werte legen dem Menschen die Latte zu hoch. Wer glaubt aus eigenem Vermögen, sein Leben nach dem Evangelium perfektio­nieren zu können, scheitert. Christliche Werte lassen sich nur mit Christus verwirklichen. Und damit sind wir wieder bei "Humanae vitae": Die Lehre der Päpste will im Grunde genom­men nicht in einem Methoden­streit der Empfängnisverhütung (natürlich - ja, künstlich - nein) entscheiden und damit Parade­christen vor dem "einfachen Fußvolk" herausstellen. Sie will uns Wesentliches über die erfüll­te christliche Ehe sagen.
Sie verkündet die oben erwähnte Botschaft: Sorge dich nicht ängstlich, laß dich im Vertrauen auf Gott ganz auf deinen Partner ein. Nimm ihn an, so wie er ist - mit seinen körperlichen, psychi­schen und geistigen Fähigkeiten! Zu diesen Fähigkeiten gehört auch seine Fruchtbarkeit. Wer wirklich ja zu seinem Partner sagt, bejaht auch dessen Frucht­barkeit und versucht nicht, sie mit künstlichen Mitteln oder Chemie wegzuretuschieren - als wäre sie eine Krankheit. Welche Schäden das anrichtet, ist dem Beitrag von Adelheid Grüniger zu entnehmen.

Aber noch einmal: Es geht nicht um alternative Ver­hütungsmethoden. Es geht um eine Alternative zur weitverbreiteten Verhütungsmentalität. Sie wird heute schon dem jungen Menschen eingeimpft: Das Kind erscheint dann als Bedrohung des sexuel­len Glücks, auf das doch jeder­mann Anspruch habe.
Und diese Verhütungsmentalität ist ihrem Wesen nach unchrist­lich. Sie ist Ausdruck der ängstli­chen Sorge um die Verwirkli­chung der eigenen Vorstellun­gen. Auf diesem geistigen Hin­tergrund verordnen Männer ih­ren Frauen gefährliche Verhü­tungspraktiken, gefährden Frau­en jährelang durch Eingriffe ihre Gesundheit, wächst die Bereit­schaft zur Abtreibung (noch nie wurde so viel verhütet - und abgetrieben wie heute!) und wird das Kind zum Gegenstand von Kosten-Nutzen-Überlegungen. Nur: Wer kann jemals Freud und Leid einer menschlichen Bezie­hung vorausberechnen? Ich habe erlebt, daß unerwünschte Kinder später die große Freude im Le­ben ihrer Eltern geworden sind.
Dem stellen die Päpste entgegen: Sorget euch nicht ängstlich um eure Nachkommenschaft und verhütet nicht um jeden Preis!

Gott weiß besser, was ihr nötig habt, als ihr dies ausrechnen könnt. Lernt, daß man sich Liebe und Hingabe nicht nur in der sexuellen Begegnung, sondern auch in der Enthaltsamkeit be­zeugen kann.
Daran wird zunächst eines deut­lich: Diese Botschaft ist an Chri­sten gerichtet. "Familiaris Con­sortio" wendet sich ausdrücklich an sie, "Humanae vitae" außer­dem noch an die Menschen guten Willens. Selbstverständlich darf der Mensch seine Option, jetzt eher Kinder zu wollen oder nicht, Gott vorlegen. Schließlich ist es ja Gottes Werk, daß es im weib­lichen Zyklus unfruchtbare Pe­rioden gibt. Einziger Zweck des Sexualaktes ist es also offen­sichtlich nicht, Kinder zu zeu­gen.
Sich an diesen Zeiten auszurich­ten, ist somit konform mit der Wahrheit der Person und mani­puliert sie nicht. Wer auf diese Weise sein Sexualleben gestal­tet, verzichtet aber darauf, seine Vorstellungen um jeden Preis durchzusetzen. Das ist nicht Un­mündigkeit, sondern geschieht im Vertrauen darauf, daß Gott es mit mir besser meint als ich. Und damit sind wir eigentlich am Kern der Debatte.

Gilt auch für unser Sexualleben die Vater-unser-Bitte: Dein Wille geschehe? Oder ist der Mensch gerade in dieser zentralen Frage der Menschwerdung autonom? Bleibt Menschwerdung nicht bei jedem neu gezeugten Menschen das, was wir über die Erschaf­fung des Menschen am Anfang der Heiligen Schrift lesen: ein Anruf Gottes?
Zugegeben - Wir wissen heute um einiges mehr über das Wie der Fortpflanzung. Aber wissen wir deswegen mehr über das Wesen unseres Lebens als wir der Schrift entnehmen können? Und dort stellt Christus klar: Ich bin die Auferstehung und das Leben (Joh 11,25) und: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben (Joh 14,6). Sollten wir den, der das Leben ist, gänzlich ausschalten, wenn es um die Menschwerdung geht? Zugegeben: Der moderne Mensch rich­tet sich rundum das Leben so ein, als wäre er allein verantwortlich und allein am Werk. Die Versu­chung, dieses Konzept auch auf die zentrale Frage der Men­schwerdung auszuweiten, ist groß. Daß sich hier die Geister scheiden, ist verständlich. Aber es bleibt trotz allem wahr, daß Natürliche Empfängnisregelung der einzige Zugang ist, diese Offenheit für das Wirken Gottes zu verwirklichen.
Keine Frage: Für viele, vielleicht sehr viele ist es äußerst schwie­rig, diesen Weg zu gehen. Wie man mit diesen Schwierigkeiten umgeht, dafür gibt es keine allge­mein gültigen Patentrezepte. Da wird jeder im Einzelfall mit viel Geduld Wege suchen müssen. Aber für alle gilt: Gott gibt nicht nur Gebote. Er wirkt ja auch in unserem Leben, damit wir diesen Wegweisungen folgen können. Das ist doch tägliche Erfahrung in vielen Lebensbereichen, wo wir mit scheinbar unüberwindli­chen Schwierigkeiten zu kämp­fen haben. Im Vertrauen auf Ihn wird möglich, was menschlich unmöglich erscheint.
Wer sich auf diesen Weg begibt, wird merken, daß periodische Enthaltsamkeit - wenn sie nicht mit tierischem Ernst und aus stu­rer Verhütungsmentalität betrie­ben wird - keineswegs ein Pro­gramm für sauertöpfische Kost­verächter, sondern im Gegenteil sehr segensreich für die Bezie­hungen - auch die sexuellen - ist. Er wird auch erfahren, daß Leben - besonders das des Kindes - Geschenk ist. Überwiegt nicht diese Erfahrung in der Geschich­te der Menschen?

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