Ja, man liest neuerdings viel über die Kirche in den Medien, wird oft auf Ereignisse in der Kirche angesprochen. Aber wieviel Uneinigkeit tritt da zutage! Wieviel Unfriede wird gestiftet! Gibt es noch eine gemeinsame Basis? Konsens scheint immerhin insofern zu bestehen, daß sich fast alle auf das 2. Vatikanische Konzil berufen. Gut! Darauf wollen wir aufbauen und in Erinnerung rufen, was das Vaticanum über die Kirche gesagt hat. Der Autor, Mitarbeiter bei der Erstellung des Weltkatechismus, ist mit der Materie im besonderen Maß vertraut.
Das eigentliche Wort des Konzils, das die Kirche selbst im 2 Vaticanum gesprochen hat, wiederzuentdecken - dazu würden wir gerne beitragen. Aber wie? Indem wir das Wort lesen, es mit 20jährigem Abstand wiederentdecken.
Das Konzil wagt es, uns eine große Vision von der Kirche vorzustellen: Es sieht die Kirche in ihrer trinitarischen Herkunft. Daher werde ich wenig von den Strukturen der Kirche sprechen, sondern von ihrem Geheimnis. Und das bedeutet von ihrer tiefsten, wahrhaftesten Realität.
"Lumen gentium": Das Licht der Völker, das Christus ist, leuchtet auf dem Antlitz der Kirche. Und mit diesem Licht möchte die Kirche die Völker erleuchten, indem sie der ganzen Schöpfung das Evangelium verkündet. Die Kirche ist also nicht da, um ihr eigenes Licht zu verbreiten, sondern um mit dem Licht Christi zu strahlen.
Dieses Licht "leuchtet auf dem Antlitz der Kirche." Wenn ich ein Bild verwenden darf: "Das Gesicht der Kirche leuchtet wie das einer Frau, die geliebt wird. Die Liebe ihres Mannes erleuchtet es. Und dies ist eine Einladung, die zuerst an uns Christen gerichtet ist. Entdeckt das leuchtende Antlitz der Kirche!
Allzu oft sehen wir die Kirche nur aus der Sicht eines gewissen moralischen Vorwurfs: Die Kirche müßte dieses tun, sie müßte so sein." Das Konzil aber lädt uns zunächst dazu ein, in der Kirche wieder die Braut zu entdecken, die Christus liebt und die Er ganz leuchtend, ohne Falten und Makel gestaltet hat (Eph. 5,25-26).
Solche Worte entmutigen uns nur allzu leicht. So wie uns die Kirche entgegentritt, erscheint sie uns oft matt, düster und traurig. Wirklich sie? Wir selbst! Denn wir selbst sind ja diese Kirche! Und die Trauer, keine strahlende Kirche zu haben, ist es nicht das Bedauern, daß wir selbst so wenig strahlend sind?
Legt das Konzil die Latte zu hoch? Stellt es uns das Scheinbild einer idealen Kirche vor? Wie ist das eigentlich? Wenn man die Konstitution über die Kirche liest, vor allem das erste Kapitel, dann ist man von seinem bejahenden Ton betroffen. Aussprechen, verkünden, was die Kirche ist, das bedeutet gleichzeitig, die Christen einzuladen, das zu werden, was sie als Glieder der Kirche schon sind. Der heilige Augustinus hat es einmal wunderschön erklärt, was dieser affirmative Stil von Aussagen bedeutet, als er den Christen von Hippo über die Eucharistie sagte: "Seht, was ihr seid, und werdet, was ihr empfangt: Leib Christi."
Das will uns das Konzil sagen: "Seht, was ihr seid, um durch freien Entschluß und mit der Hilfe Gottes das zu werden, was ihr seid: Leib Christi, Kirche Gottes!"
"Die Kirche ist in Christus das Sakrament, oder das Zeichen, oder das Instrument der intimen Verbindung mit Gott und der Einheit der ganzen Menschheit." (LG 1)
Der Konzilstext stellt also kllar, daß die Kirche in Christus das Sakrament sowohl der intimen Einheit mit Gott, als auch der Einheit mit der ganzen Menschheit ist.
Am 5. Dezember 1962 erklärte Kardinal Montini in einer der am meisten beachteten Wortmeldungen des Konzils: Er verlangte inständig, daß "durch diesen Text über die Kirche vor allem Jesus Christus verherrlicht werde: Denn sowohl durch ihren Dienst als auch durch ihr mystisches Leben ist es Aufgabe der Kirche, die Gedanken Christi auszudrücken und sein Bild wie in einem Spiegel widerzuspiegeln. Das Konzil möge daher verkünden, daß die Kirche nichts ohne Ihn kann, daß sie alles von Ihm empfängt, daß sie nur existiert, um zu Ihm zu führen, und daß offenkundig wird, daß sie sich dessen bewußt ist. Daß sie vor ihrem Herrn in den Hintergrund tritt."
Dieser Wunsch des Kardinal Montini wurde verwirklicht.
Sicher darf und soll man die Frage nach den historischen Ursprüngen der Kirche stellen. Das kann aber nicht genügen, um ihrer wahren Natur nahezukommen. Dir Kirche ist keine historische Schöpfung aus jüngerer Zeit. Sie existiert vor Anbeginn der Erschaffung der Welt. Sie ist gewissermaßen das Ziel dieser Schöpfung. Man kann sagen, daß die Welt im Hinblick auf die KIrche erschaffen worden ist, und daß die Kirche der Keim dessen ist, was die Welt zu werden berufen ist.
Origines nennt die Kirche, die "wiederversöhnte Welt". Es ist wichtig, dies heute wieder in Erinnerung zu rufen. Vor allem, wenn es darum geht, die Beziehung der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen klarzustellen. Die Kirche kann sich nicht einfach als eine der religiösen Manifestationen verstehen, als ein Ausdruck des Absoluten unter vielen. Als Volk Gottes ist sie das Ziel, das Gott bei der Erschaffung der Welt vor sich gesehen hat.
Der Ursprung der Kirche ist daher im Herzen Gottes zu suchen. "Der ewige Vater" (LG 2) ist "fons et origo", Quelle und Ursprung der Kirche, sodaß das Konzil mit den Worten des heiligen Cyprianus sagen konnte: "Die ganze Kirche erscheint als Volk geeint in der Einheit des Vaters und des Sohnes und Heiligen Geistes" (LG 4).
Das ist zweifellos eine großartige Vision. Ist sie nicht auch etwas gefährlich? Ist das nicht eine zu "exklusive" Sicht, wenn man sagt, die Welt sei auf die Kirche hin geschaffen? Macht das nicht jeden Dialog mit anderen Religionen unmöglich? Verabsolutiert diese Sicht die Kirche nicht in einer Weise, die ihrer geschichtlichen Wirklichkeit widerspricht? Es ist fraglos eine kühne Vision. Aber ist es nicht die Vision des Neuen Testaments und - mehr noch - die Jesu Christi? Christus wußte sich gesandt, um das Volk Gottes zu sammeln. Für Ihn bedeutete Sammeln des messianischen Volkes aber zweifellos die Verwirklichung der endgültigen Vision Gottes, seines ewigen Planes. So gesehen kann sich die Kirche klarerweise nicht als eine Religion unter vielen anderen begreifen. Sie ist die "absolute Religion" (Hegel), weil sich in ihr keimhaft, aber wahrhaftig diese Einheit der Menschheit und diese Einheit mit Gott, für die die Welt erschaffen wurde, verwirklicht.
Man wird die Kirche immer beschuldigen, mit diesem Anspruch eine unerträgliche Exklusivität zu kultivieren. Man wird darauf nur so antworten können, daß damit wohl die Kirche in eine einmalige Position gestellt ist, daß ihr damit aber gleichzeitig auch die Aufgabe der Dienerin zugeordnet wird, die ihren Zweck nicht in sich selbst findet, sondern die ganz auf einen anderen zugeordnet ist